Jansen | Zeuge und Aussagepsychologie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 430 Seiten

Reihe: Praxis der Strafverteidigung

Jansen Zeuge und Aussagepsychologie

E-Book, Deutsch, 430 Seiten

Reihe: Praxis der Strafverteidigung

ISBN: 978-3-8114-4174-3
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Der Klassiker in Neuauflage!

Der Zeuge ist das häufigste Beweismittel im Strafprozess. Die Beurteilung der Aussage ist insbesondere in Fällen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht, entscheidend für die Einstellung oder Anklageerhebung, den Freispruch oder die Verurteilung.
Nach der Grundsatzentscheidung des BGH zu den Mindestanforderungen vor mehr als zwanzig Jahren hat die Aussagepsychologie im Strafprozess eine enorme Aufwertung erfahren.

Das Handbuch vermittelt das notwendige Grundwissen zur Zeugenvernehmung, zur Würdigung der Zeugenaussage und zur Überprüfung aussagepsychologischer Gutachten.
Dabei eignet es sich wegen der leicht verständlichen und gleichzeitig anspruchsvollen Darstellung sowohl für die fortgeschrittene Ausbildung, aber auch für die strafrechtliche Praxis ganz hervorragend.

Neu u.a. in der 3. Auflage:

- Aktualisierung der rechtspsychologischen Fachliteratur. Mit über 400 Veröffentlichungen im Literaturverzeichnis ein hilfreiches Nachschlagewerk!
- Aktualisierung und Erweiterung der aussagepsychologisch relevanten Rechtsprechung rund um die Aussagebeurteilung. Enthalten sind z. B. Entscheidungen zur Einholung von Glaubhaftigkeitsgutachten, zu den inhaltlichen Anforderungen an die Aussagebeurteilung sowie zur Aussagetüchtigkeit. Aber auch die Rechtsprechung zu besonderen Themen wie die widerentdeckte Erinnerung, potentielle Therapieeinflüsse, Erinnerungslücken oder Erinnerungsverschmelzungen sind abgedeckt.
- Behandlung der Schein- bzw. Pseudoerinnerungen in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur.
- Darstellung „aussagepsychologischer Hinweise und Empfehlungen zur Art und Weise der Befragungen von Kindern“ als wertvolle Hilfestellung zum Erkennen von suggestiven Einflüssen.
- Im Anhang: Die 2017 von Psychologen formulierten „Qualitätsstandards für psychologische Gutachten“.

Zahlreiche Praxishinweise und Checklisten erleichtern zusätzlich die Beurteilung von Aussagen oder die Befragung von Zeugen. "
Jansen Zeuge und Aussagepsychologie jetzt bestellen!

Zielgruppe


Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Sachverständige


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Teil 1 Zeugenaussage
7 Die Constitutio Criminalis Carolina war das erste deutsche Gesetz, das das Strafrecht und das Strafprozessrecht reichsgesetzlich regelte und das zwischen Haupt- und Hilfstatsachen unterschied. Damals konnte ein Beschuldigter nur verurteilt werden, wenn er geständig war oder – anders als heute – durch zwei „einwandfreie“ Zeugenaussagen überführt wurde. Da die geschichtliche Entwicklung die Untauglichkeit gesetzlicher Beweisregeln gezeigt hat, wurde mit der 1877 eingeführten Vorschrift des § 260 StPO (heute wortgleich § 261 StPO) eine deutliche und bewusste Abkehr von gesetzlichen Beweisregeln des Inquisitionsprozesses vollzogen. 8 Heute entspricht es – wenn Aussage gegen Aussage steht – gefestigter Rechtsprechung des BGH, dass ein Beschuldigter aufgrund einer einzig ihn belastenden Aussage verurteilt werden kann. Diese Aussage muss eine hochwertige Qualität aufweisen. Eschelbach[1] erläutert: „Über Jahrtausende hinweg ermöglichte der strukturell defizitäre Beweis durch einen einzigen parteilichen Zeugen nach einer auf Erfahrungen beruhenden Vorsichtsregel alleine noch keine Verurteilung.“ Erst die Einführung des Prinzips der im Gesetzestext scheinbar schrankenlos gewährleisteten — „freien Beweiswürdigung“ (§ 261 StPO) eröffnete den Weg dazu, der aber auch erst seit der Nachkriegszeit zunehmend beschritten wurde. Die besagte Konsequenz ist die Verurteilung bestreitender Angeklagter aufgrund einer singulären Belastungszeugenaussage, die auch einzelne Defizite aufweisen kann, um danach immer noch geglaubt zu werden. Den Strafjuristen wird vor allem die Rechtsprechung des BGH zur Aussageanalyse durch den Tatrichter interessieren. 9 In Teil 1 I (Rn. 13 ff.) wird eine Einführung in die Aussagepsychologie gegeben. Dazu gehört die Darstellung der „Historie“ der Aussagepsychologie, der „Aufgabe und Zielsetzung aussagepsychologischer Begutachtung“, des methodischen Prüfkonzepts. Es folgt eine Befassung mit der „Aufzeichnung der Originalaussage“, der „BGH-Rechtsprechung zu aussagepsychologischen Gutachten“, der „Qualität aussagepsychologischer Gutachten“, der „Ausweitung des Anwendungsbereiches der Aussagepsychologie“ ein Überblick über die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Aussagepsychologie auf erwachsene Zeugen, Aussagen von (Mit)Beschuldigten, Ausländer und die Identifizierungsaussage. Zuletzt folgt eine ausführliche Darstellung der aussagepsychologischen Fachliteratur. 10 In Teil 1 II wird der Unterschied zwischen der Glaubwürdigkeit der Person und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage aufgezeigt. In ersten Phasen der Aussagepsychologie als Wissenschaft stand nicht die Beurteilung der Aussage zu dem eigentlichen Geschehen, sondern die Persönlichkeit des Zeugen im Vordergrund. Lange Zeit ist auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der Glaubwürdigkeit des Zeugen die Rede. Heute geht es nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand allein um die Qualität der Aussage. 11 In Teil 1 III (Rn. 49 ff.) ist die BGH-Rechtsprechung zu aussagepsychologischer Begutachtung, also zur Aussagetüchtigkeit und -kompetenz, zur Fehlerquellenanalyse und zur Aussageanalyse dargestellt. 12 In Teil 1 IV (Rn. 118 ff.) wird die BGH-Rechtsprechung zur Gutachteneinholung aufgezeigt, in Teil 1 V (Rn. 163 ff.) geht es um den aussagepsychologischen Sachverständigen, vor allem um den Rechtspsychologen und in VI um „besondere“ Zeugen, nämlich um Zeugen vom Hörensagen, die der Aussagepsychologe Aussageempfänger nennt, Opferzeugen, die Nebenkläger als Zeugen und mit Blick auf die zunehmende Kontaktaufnahme von Zeugen zu Pressevertretern zu dem von der Presse gesteuerten Zeugen. I. Einführung in die Aussagepsychologie
1. Historie
13 Aussagepsychologische Gutachten werden in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erstmalig im Jahr 1954 (in BGH [5 StR 416/54][2]) erwähnt. Danach sind Sachverständige zu bestellen, wenn die Zeugenaussagen von Kindern oder Jugendlichen die alleinigen oder wesentlichen Beweismittel darstellen. Damit sind aussagepsychologische Gutachten seit mehr als 50 Jahren als Beweismittel in Strafverfahren dem Grunde nach anerkannt. Ausführliche Abhandlungen zu „historisch-psychologischen Betrachtungen der Zeugenaussage“ finden sich bei Kühne[3], die auf die Werke zu den Anfängen der Aussagepsychologie Anfang des letzten Jahrhunderts von Binet[4], Stern[5] und Münsterberg[6] hinweist, wie auch bei Müller-Luckmann[7], Köhnken[8] und Steller[9], Steller/Böhm[10] ziehen Bilanz über „50 Jahre Rechtsprechung des BGH zur Aussagepsychologie“. 14 Erste bis dritte Phase. William Stern[11] verstand schon 1902 die Aussage als geistige Leistung und zugleich als Verhörsprodukt. „Dieser Titel beschreibt das Konzept der Aussagepsychologie: Eine Aussage wird als Leistungsprodukt aufgefaßt, das nicht nur abhängig ist von personalen Merkmalen (geistige Leistung), sondern auch durch situative Merkmale bedingt sein kann, z.B. durch Merkmale der Befragungsumstände (Verhörsprodukt)“, erläutern Steller/Volbert[12] dazu. Nach Greuel[13] ist Glaubhaftigkeitsbegutachtung keine Integritäts- sondern Leistungsdiagnostik. Eine persönlichkeitsbezogene Betrachtung kann mithin keinen Beitrag zur Klärung der Frage liefern, ob eine konkrete Zeugenaussage glaubhaft ist oder nicht. Steller[14] resümiert zu „Vier Jahrzehnte forensische Aussagepsychologie“ wie auch Greuel[15]. 15 Stern Aussage = Geistige Leistung + Verhörsprodukt Mitte des letzten Jahrhunderts wurden psychologische Sachverständige immer häufiger in gerichtlichen Verfahren hinzugezogen. Sie beschränkten sich nicht wie bis dahin auf das Aktenstudium, sondern nahmen auch zunehmend eigene Untersuchungen an Zeugen vor mit dem Ergebnis, dass Aussagen minderjähriger Zeugen über an ihnen verübten Unzuchthandlungen in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle der Wahrheit entsprachen.[16] Undeutsch[17] stellte diese Erkenntnis erstmalig 1953 und dann wiederholt weiter begründet in seinen späteren Veröffentlichungen 1956, 1957, 1959, 1965 und 1966 vor.[18] 16 Vierte Phase. Undeutsch forderte 1953 auf dem 19. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Köln dazu auf, die Glaubhaftigkeit der Aussage in den Mittelpunkt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung zu stellen. Er läutete damit eine neue Phase der Aussagepsychologie ein, die heute die Glaubhaftigkeitsbegutachtung bestimmt. Die von ihm aufgestellte Hypothese lautete: Aussagen über tatsächlich Erlebtes unterscheiden sich inhaltlich systematisch von erfundenen Aussagen (von Steller 1997 als Undeutsch-Hypothese[19] benannt). 17 Undeutsch-Hypothese Aussagen über tatsächlich Erlebtes unterscheiden sich inhaltlich systematisch von Aussagen über Erfundenes 18 Überblick über die Entwicklung der (deutschsprachigen) Aussagepsychologie Bei Wegener[20] und Greuel[21] findet sich ein Überblick über die Entwicklung der (deutschsprachigen) Aussagepsychologie im letzten Jahrhundert: Zeitraum Bezeichnung Methodischer Zugang Publikations-Beispiele Zentrale Konstrukte 1900 – 1930 Experimentelle Frühphase Laborexperi-mente Wirklichkeits-Versuche William Stern (1902)[22] Aussagegenauigkeit Aussagetüchtigkeit Aussagezuverlässigkeit Inwieweit kann die normale Zeugenaussage als eine korrekte Wiedergabe des objektiven Sachverhalts gelten? 1930 – 1945 Abstinenzphase – – – 1945 – 1980 Erfahrungs- und Entwicklungsphase Forensische Sachverständigentätigkeit Experimentelle Forschung Undeutsch (1967)[23] Arntzen (1971)[24] Trankell (1971)[25] Köhnken (1989)[26] Strikte Trennung zwischen Glaubwürdigkeit der Person und Glaubhaftigkeit der Aussage Aussagequalität...


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