Ahrens | Der Angeklagte erschien in Bekleidung seiner Frau | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1640, 159 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Ahrens Der Angeklagte erschien in Bekleidung seiner Frau

Die neuesten juristischen Stilblüten

E-Book, Deutsch, Band 1640, 159 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-76025-9
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Hierauf verlor die Radfahrerin das Übergewicht und kam zu Fall.""Die Antragstellerin hatte mit Herrn Schmöller eine ausgesprochene Liebesbeziehung, bis es zur Heirat kam.""Ich habe noch viel an den Fiasko zu zahlen."Die juristische Sprache ist in ihrer ernsthaften Genauigkeit oft schon absurd genug. Wenn dann noch sprachliche Fehlleistungen dazukommen, sind juristische Schriftsätze, Polizeiberichte oder Eingaben von Bürgern eine unschätzbare Quelle kurioser Formulierungen. In seiner launig präsentierten dritten Sammlung stellt Wilfried Ahrens die groteskesten und witzigsten juristischen Stilblüten vor: von der "Verordnung zur Änderung der Verordnung zur vorübergehenden Änderung der Verordnung" über den Angeklagten, der "in Bekleidung seiner Frau' erschien, bis zu dem Schuldner, der "mitteilt, er sei unbekannt verzogen".
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5. Vom Dasein der Zivilrichter
Wenn ich behaupte, daß sich Zivilprozesse vor allem auf dem weiten Schlachtfeld nachbarrechtlicher Streitigkeiten besonders interessant und spannend entwickeln, werden die betroffenen Kollegen mir sicher beipflichten (oder in den Nacken springen, so sie noch die Energie aufbringen). Auf den Schriftsatz des Klägers wird mitgeteilt, daß das Gericht keinen Wert darauf legt, der Scherben, die am 9. Juli 1989 im besagten Garten entstanden sind, ansichtig zu werden, denn Scherben gibt es genug. Dagegen würde es sich empfehlen klarzustellen, ob denn nun ein Herr Wolfram Scharte klagt (so laut Schriftsatz vom 6. November 1990) oder eine Frau Barbara Keil (so in der Klageschrift). Auch würde interessieren, warum der Kläger oder die Klägerin den Teil der Erdoberfläche, der ihre Terrasse bildet, versiegelt hat, statt dort Gras zu säen, so daß der Boden weiterhin atmen könnte. Es wären dann wahrscheinlich auch einige der vollen Bierflaschen und vielleicht auch einige Ketchup-Flaschen heilgeblieben, die der Kläger oder die Klägerin sodann hätten behalten können. Der Beklagte hatte ja sein Eigentum an diesen Gegenständen durch das Herüberwerfen aufgegeben, so daß es sich um herrenlose Dinge handelte, die sich der Kläger oder die Klägerin aneignen konnten. Weiter stellt sich die Frage, warum der Kläger oder die Klägerin oder die anwesenden Bekannten nicht wenigstens einige der Flaschen aufgefangen haben, so daß sie trotz der versiegelten Erdoberfläche nicht zu Bruch gingen. Mag der Kläger oder die Klägerin dazu im Termin vortragen. Von Entscheidungslethargie kann im folgenden Fall keine Rede sein. Hatte das Amtsgericht die Klage noch abgewiesen, so legte das Landgericht um so mehr Eifer und Akribie an den Tag und in die Nacht, dem Berufungskläger zu seinem Recht zu verhelfen. Die Rede ist von dem als «Wiesbadener Glühbirnenstreit» bekannt gewordenen Nachbarzwist um jene 40 Watt/matt-Birne, die der Beklagte nachts am Haus ständig brennen ließ, obwohl das Licht seinem Nachbarn im 11 Meter entfernten Schlafzimmer ein Dorn im Auge war. Und genau das überprüfte die Kammer nun am angegebenen Ort zur angegebenen Zeit (vgl. LG Wiesbaden, NJW 2002, 615). Ein Fall, der trotz seines eher funzeligen Streitgegenstandes mit sprachlichen Highlights aufwartet. Die bei Dunkelheit durchgeführte Augenscheinseinnahme … in dem vom Kläger bislang als Schlafzimmer genutzten streitgegenständlichen Zimmer ergab zunächst einmal, daß von einer vorhandenen Straßenlaterne nur gedämpftes Licht eindrang. Dieses Licht rief praktisch kein Störungsempfinden hervor. Nachdem nunmehr die streitgegenständliche Außenleuchte mit einer 40 Watt/matt-Birne eingeschaltet worden war, zeigte sich vom Zimmer aus nach außen gesehen ein deutlich wahrnehmbarer, von rechts von der streitgegenständlichen Außenleuchte ausgehender schräger Lichteinfall auf dem linken Bereich im vorderen Drittel des Zimmers. Mit diesem, durch die Fenstergröße und die Höhe der Fensterbrüstung begünstigten Lichteinfall war ein Anstrahlungs- und Kanaleffekt verbunden, der sich durch den Zimmerzuschnitt und die Position der Außenleuchte zum Zimmer ergab und sich an der linken Zimmerwand in Richtung Fenster gesehen widerspiegelte. Dieser Lichteinfall hob sich von den zuvor festgestellten Lichtverhältnissen deutlich ab. Nach der Einschätzung der Kammer ist ein solcher Lichteinfall ohne weiteres geeignet, bei einem in Ruhelage (Schlafposition) befindlichen, durchschnittlich empfindlichen Menschen unweigerlich besondere Aufmerksamkeit und eine gewisse Blendwirkung hervorzurufen, wenn das Licht auf das Gesicht trifft. Es wurde dann noch mit dem Rolladen experimentiert, auch 40 Watt/klar-, 60 Watt/matt- und 60 Watt/klar-Birnen ausprobiert, aber es blieb dabei, bereits für 40 Watt/matt-Strahlkraft galt: Der beschriebene besondere Lichteinfall ist nach alledem nachvollziehbar auf einen Bettbereich des Klägers getroffen, in dem sich der Kläger mit seinem Kopf regelmäßig zum Schlafen aufgehalten hat. In den Augen der Kammer stellte diese dauerhafte Bestrahlung des Grundstücks eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung dar: Bei einer Nutzung des streitgegenständlichen Zimmers als Schlafzimmer wird nach Einschätzung der Kammer durch den streitgegenständlichen dauerhaften Betrieb der Außenleuchte am Haus des Beklagten und die daraus resultierenden, aufgezeigten besonderen Lichtverhältnisse bei einem Durchschnittsmenschen zumindest ein erhebliches Lästigkeitsgefühl mit einer Einschränkung hinsichtlich der Annehmlichkeit des Daseins erzeugt, welches eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks des Klägers zur Folge hat. Deshalb wurde der Beklagte zum Energiesparen verdonnert. Die streitgegenständliche Außenleuchte aber montierte er ab und versteigerte sie für einen guten Zweck. Den Zuschlag erhielt übrigens das Wiesbadener Scherzartikelmuseum «Harlekinaeum», wo die 40 Watt/matt-Birne wieder leuchten durfte und nun bei den Museumsbesuchern mit Sicherheit grinsender Wahrscheinlichkeit eine Steigerung hinsichtlich der Annehmlichkeit ihres Daseins erzeugt. Ketchup, das hörten wir bereits, ist ein beliebtes Kampfmittel im Nachbarschaftskrieg, aber längst nicht alles, was das Arsenal zu bieten hat. Mit dieser Klage beispielsweise sollte den Nachbarn verboten werden, – auf den Anrufbeantworter der Klägerin in beleidigender Form zu sprechen, – den Anrufbeantworter nachts mit Klopfzeichen zu belegen, – die Klägerin verbal zu bedrohen, – Mitarbeiter der Klägerin zu beschimpfen und mit Betonbrocken zu bewerfen, – im Namen der Klägerin Aufträge an ortsansässige Firmen zu vergeben, – Stützbalken an Gebäuden der Klägerin anzusägen, – auf der Grenze Müll zu lagern, – Müll wie alte Zeitungen, Prospekte, alte Äpfel, Erdbeeren, Brot und rohe Eier über die Grundstücksgrenze auf die Durchfahrt der Klägerin zu werfen, – mit einem Gartenschlauch in das Fahrzeug der Klägerin zu spritzen, – die Grenzmauer und eine Tür der Klägerin mit Ketchup zu bespritzen. Bosheit entsteht immer zuerst in unseren Köpfen, das ist bei Nachbarn nicht anders. Polizeibericht über eine streitbare ältere Hauseigentümerin: Im Herbst rief sie erneut beim Unterzeichner an. Sie würde in ihrem Garten von der Nachbarschaft mit einer scharfen Waffe beschossen. Vor Ort stellte ich fest, daß kein Schuß gefallen war. Die vertrockneten Pflaumen fielen vom Baum auf das Kunststoffdach. Kommt es tatsächlich zum nachbarlichen Showdown, ist man am besten nicht dabei gewesen, weder körperlich noch geistig, jedenfalls in der für das Gericht bestimmten Version. Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, den Beklagten beleidigt zu haben. Er kann allerdings nicht ausschließen, daß er in seiner Wut während der Attacken des Beklagten einzelne Verwünschungen ausstieß. Dies könnte dem Kläger allerdings keinesfalls entgegengehalten werden. Der Kläger wurde gegenüber dem Beklagten auch keinesfalls körperlich, er war von dessen Angriff so überrascht, daß er dazu keine Gelegenheit hatte und sich daher nicht verteidigen konnte. Das Pensum und die Arbeitslast des Zivilrichters sind groß. Überflüssiges kann er sich nicht leisten, und so vereinfacht er sich seinen Arbeitsalltag, wo immer das möglich erscheint. Beispielsweise dadurch, daß er beteiligten Rechtsanwälten die unerläßlich wichtigen Hinweise des Gerichts gleich eingangs eines Beweisbeschlusses mitteilt, so wie hier in einer Reiserechtssache aus dem Jahr 1992: Die Parteien werden gebeten zu berücksichtigen, daß gemäß § 184 GVG die Gerichtssprache deutsch ist. Demgemäß läßt sich nicht einsehen, warum die Parteien das im Prospekt abgebildete ganz übliche Schwimmbecken als Swimming-Pool bezeichnen. Sie werden nicht argumentieren wollen, diese Bezeichnung sei kürzer und erspare ihnen Zeit, denn sowohl das «Schwimmbecken» wie auch das Wort «Swimming-Pool» haben drei Silben und, diktiert man den Bindestrich mit, besteht die englische Bezeichnung sogar aus 6 Silben, ist also doppelt so lang. Der möglicherweise vorhandene Wunsch der Parteien, sich modern auszudrücken, denn englisch ist ja modern, vermag die zwingende Vorschrift des § 184 GVG nicht aufzuwiegen. Das wird durch die Überlegung gestützt, daß es keinen vernünftigen Grund gibt, ein ganz gewöhnliches Schwimmbad, wie es der Prospekt wiedergibt, als Süßwasser-Swimming-Pool zu bezeichnen. Die Anwaltschaft arbeitet, bei aller gebotenen Gründlichkeit natürlich, ebenfalls zügig – Zeit ist schließlich Geld. Als ein...


Wilfried Ahrens war bis 2016 Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Göttingen.


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