Akerlof / Shiller | Phishing for Fools | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Akerlof / Shiller Phishing for Fools

Manipulation und Täuschung in der freien Marktwirtschaft

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

ISBN: 978-3-8437-1365-8
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Seit Adam Smith ist eine der zentralen Thesen der Wirtschaftswissenschaften,
dass freie Märkte und freier Wettbewerb die besten
Voraussetzungen für allgemeinen Wohlstand sind. Die Wirtschaftsnobelpreisträger
George Akerlof und Robert Shiller argumentieren dagegen, dass Märkte nicht von sich aus gutartig sind und sich auch nicht immer die besten Produkte durchsetzen. Die Autoren behandeln in diesem Buch erstmals die zentrale Rolle von Manipulation und Täuschung in der Wirtschaft. Anhand von zahlreichen Fallbeispielen zeigen sie, wie wir verleitet werden, mehr Geld auszugeben, als wir haben; wie wir von Werbung stärker beeinflusst werden, als wir glauben; warum wir oft zu viel bezahlen und wie massiv die Politik durch Wirtschaft beeinflusst wird.

Was ist besonders?
Zwei Wirtschaftsnobelpreisträger widerlegen die These der selbstregulierenden Märkte.

Wer liest?
• Alle, die sich für Verhaltensökonomie, freie Marktwirtschaft oder Wirtschaftstheorie interessieren
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Einleitung
Rechnen Sie damit, manipuliert zu werden: Das Phishing-Gleichgewicht Im Lauf von mehr als hundert Jahren haben uns Psychologen verschiedenster Denkschulen, deren Vertreter von Sigmund Freud bis zu Daniel Kahneman reichen, gelehrt, dass die Menschen häufig Entscheidungen fällen, die nicht in ihrem Interesse sind. Um es schonungslos auszudrücken: Sie tun nicht, was wirklich gut für sie ist, und entscheiden sich nicht für das, was sie wirklich wollen. Solche schlechten Entscheidungen machen es möglich, dass sie als »Dumme« gephischt werden. Diese grundlegende Tatsache ist schon Thema der ersten Geschichte in der Bibel: Die Schlange verleitet die unschuldige Eva zu einer dummen Entscheidung, die sie sofort und für immer bereuen wird.34 Das Grundkonzept der Ökonomie besagt etwas ganz anderes. Gemeint ist die Vorstellung vom Marktgleichgewicht.35 Für unsere Erklärung dieses Konzepts wollen wir das klassische Beispiel der Schlange an der Supermarktkasse abwandeln.36 Wenn wir im Supermarkt an die Kasse kommen, brauchen wir normalerweise einen Moment, um uns zu entscheiden, in welcher Schlange wir uns anstellen sollen. Diese Entscheidung ist nicht ganz einfach, denn die Warteschlangen sind immer in etwa gleich lang – es besteht die Tendenz zur Herstellung eines Gleichgewichts. Dieses Gleichgewicht entsteht einfach, weil die Kunden, die an die Kasse kommen, die jeweils kürzeste Warteschlange wählen. Das Gleichgewichtsprinzip, das wir an den Supermarktkassen beobachten können, gilt auch für die Wirtschaft im Allgemeinen. Wenn sich Unternehmer entscheiden, welchem Geschäft sie nachgehen sollen – und wo sie ihr bestehendes Geschäft ausweiten oder einschränken sollen –, wählen sie (wie die Supermarktkunden, die sich der Kasse nähern) die besten Chancen aus. Auch hier entsteht ein Gleichgewicht. Alle Gelegenheiten, ungewöhnlich hohe Gewinne zu erzielen, werden rasch ergriffen, was zu einer Situation führt, in der sich kaum noch solche Gelegenheiten bieten. Dieses Prinzip ist ein zentraler Bestandteil der Ökonomie. Dasselbe Prinzip gilt auch für das Phischen nach »Dummen«. Das bedeutet, dass sich, wenn wir eine Schwachstelle haben – wenn man uns auf eine bestimmte Art für dumm verkaufen kann, um einen ungewöhnlich hohen Profit aus uns herauszuholen –, im Phishing-Gleichgewicht jemand finden wird, der diese Schwäche nutzen wird. Unter all den Geschäftsleuten, die im übertragenen Sinn an der Supermarktkasse eintreffen und sich umsehen, um zu entscheiden, in welches Geschäft sie ihr Kapital investieren sollen, wird es einige geben, die nach Gelegenheiten suchen, uns für dumm zu verkaufen, um einen außergewöhnlichen Profit zu erzielen. Und wenn sie eine solche Gewinnchance sehen, werden sie sich, um bei unserem Bild zu bleiben, für die entsprechende »Warteschlange« entscheiden. So entsteht in Ökonomien ein Phishing-Gleichgewicht, in dem jede Chance auf einen ungewöhnlichen Profit genutzt wird. Um besser zu verstehen, wie das funktioniert, wollen wir uns drei »Fingerübungen« zuwenden, in denen wir das Konzept des Phishing-Gleichgewichts anwenden können. Fingerübung 1: Cinnabon®
Im Jahr 1985 gründeten Rich Komen und sein Sohn Greg in Seattle Cinnabon® Inc. mit einer Marketingstrategie. Sie eröffneten Läden, in denen »die besten Zimtrollen der Welt« gebacken würden.37 Der Duft von Zimt lockt die Kunden an wie Pheromone die Motten. Die Komens erzählen von »zahlreichen Reisen nach Indonesien«, deren Zweck es gewesen sei, »edlen Makara-Zimt zu erwerben«.38 Ein Cinnabon® wird mit Margarine gemacht, hat 880 Kalorien und ist mit einem Zuckerguss überzogen. Das Motto von Cinnabon® Inc. lautet: »Das Leben braucht eine Glasur«. Die Filialen wurden in Flughäfen und Einkaufszentren samt Plakaten und Mottos sorgfältig auf dem Weg von Menschen platziert, die für diesen Geruch und die Geschichte der besten Zimtrolle der Welt empfänglich waren und ein wenig Zeit hatten. Die Information über den hohen Kaloriengehalt war natürlich vorhanden, aber sie war nicht leicht zu finden. Cinnabon® war ein großer Erfolg, was nicht nur mit dem köstlichen Gebäck, sondern auch mit der Strategie der Komens zu tun hatte. Mittlerweile gibt es über 750 Cinnabon®-Bäckereien in mehr als 30 Ländern.39 Die meisten von uns betrachten es vermutlich als selbstverständlich, dass wir genau dort, wo wir auf unseren verspäteten Flug warten, zufällig auf einen solchen Laden stoßen. Aber wir übersehen, wie viel Arbeit und Sachkenntnis aufgewandt wurde, um unsere Augenblicke der Schwäche zu verstehen und eine Strategie zu entwickeln, um sie auszunutzen. Kaum jemand betrachtet die Gegenwart von Cinnabon®, das unsere Bemühungen um eine gesunde Ernährung durchkreuzt, als natürliches Ergebnis eines Gleichgewichts auf dem freien Markt. Aber genau das ist es: Hätten Rich und Greg Komen unsere Schwäche nicht ausgenutzt, so wäre früher oder später jemand auf eine ähnliche – wenn auch mit einiger Sicherheit nicht identische – Idee gekommen. Das marktwirtschaftliche System nutzt unsere Schwächen automatisch aus. Fingerübung 2: Fitness-Studios
Im Frühjahr 2000 studierten Stefano DellaVigna und Ulrike Malmendier in Harvard40 und belegten am MIT einen Kurs für Psychologische Ökonomie. Sie entschlossen sich, ein Beispiel für jene Art von schlechten Entscheidungen zu suchen, die der Untersuchungsgegenstand dieser neuen Disziplin waren. Sie fanden eines in ihrer Nachbarschaft: Fitness-Studios. Wir interessieren uns für Fitnesscenter, weil sie ein Beispiel für das Phischen nach »Dummen« sind. Aber sie sind auch an sich interessant: Im Jahr 2012 setzten Fitness-Studios in den Vereinigten Staaten 22 Milliarden Dollar um und hatten mehr als 50 Millionen Kunden.41 DellaVigna und Malmendier sammelten Daten über mehr als 7500 Fitness-Studios im Großraum Boston.42 Wenn angehende Sportskanonen zum ersten Mal ein Fitnesscenter betraten, waren sie übermäßig optimistisch in Bezug auf ihre Trainingspläne und unterzeichneten überteuerte Mitgliedschaftsverträge. Normalerweise konnten sie zwischen drei verschiedenen Zahlungsmethoden wählen: pro Besuch, monatlicher Vertrag mit automatischer Verlängerung, sofern nicht gekündigt wurde, oder Jahresmitgliedschaft. Die meisten Kunden, die keine finanzielle Unterstützung für das Training erhielten, hatten sich für den Monatsvertrag entschieden. Aber 80 Prozent von ihnen hätten weniger bezahlt, wenn sie jedes einzelne Training bezahlt hätten, und die Einbußen durch diese falsche Entscheidung waren beträchtlich: 600 Dollar im Jahr bei einer durchschnittlichen Zahlung von 1400 Dollar.43 Und wie zum Hohn legten die Fitness-Studios Mitgliedern, die kündigen wollten, obendrein Hindernisse in den Weg: Alle 83 Fitnesscenter in der Stichprobe, die eine automatische monatliche Verlängerung anboten, akzeptierten eine persönliche Kündigung, aber nur sieben gaben ihre Kunden die Möglichkeit, telefonisch zu kündigen. Nur 54 akzeptierten eine schriftliche Kündigung, und von diesen Studios verlangten 25 eine notarielle Beglaubigung des Kündigungsschreibens.44 Natürlich war es kein Zufall, dass die Fitness-Studios Mitgliedschaften anboten, bei denen die Kunden »dafür bezahlten, nicht ins Fitness-Studio zu gehen«.45 Da die Kunden bereit waren, Verträge zu unterschreiben, die einträglicher waren als einzelne Besuche, war im Phishing-Gleichgewicht zu erwarten, dass solche Verträge angeboten wurden. Andernfalls hätten sich die Fitness-Studios eine Chance entgehen lassen, Geld zu verdienen. Fingerübung Nr. 3:
Die Vorlieben des Affen auf der Schulter
Welche Probleme ein Gleichgewicht auf einem vollkommen freien Markt verursacht, können wir uns besser vorstellen, indem wir eine Metapher für ein solches Phishing-Gleichgewicht heranziehen. Dem Ökonomen Keith Chen und den Psychologen Venkat Lakshminarayanan und Laurie Santos ist es gelungen, Kapuzineraffen beizubringen, wie sie Geld verwenden können, um Handel zu treiben.46 Hier haben wir ein bemerkenswertes Beispiel für den Beginn einer freien Marktwirtschaft: Die Affen lernten Preise und zu erwartende Gewinne einzuschätzen und tauschten sogar Sex gegen Geld.47 Wir wollen in Gedanken über die bereits durchgeführten Experimente hinausgehen. Nehmen wir an, wir geben den Kapuzineraffen die Möglichkeit, mit Menschen Handel zu treiben. Wir gestehen einer großen Affenpopulation ein beträchtliches Einkommen zu und erlauben ihnen, als Kunden bei gewinnorientierten, von Menschen geführten Unternehmen einzukaufen, ohne sie durch Vorschriften zu schützen. Es ist zu erwarten, dass der freie Markt mit seiner Vorliebe für den Profit alles bereitstellen wird, was die Affen kaufen wollen. Also wird ein wirtschaftliches Gleichgewicht mit Angeboten entstehen, die den sonderbaren Vorlieben der Kapuzineraffen entsprechen. Dieser Überfluss gibt den Affen die Möglichkeit zu wählen, aber das, was sie wählen können, ist etwas ganz anderes als das, was sie glücklich macht. Wir wissen bereits von Chen, Lakshminarayanan und Santos, dass die Affen mit Marshmallow gefüllte Fruchtgummirollen...


Gebauer, Stephan
Stephan Gebauer, geboren 1968, lebt in Berlin und Madrid. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen Carl Bernstein, Bill Clinton, Hillary Clinton, Billy Crystal, Angus Deaton, Frank Dikötter, Niall Ferguson, Garry Kasparow, Ian Morris, Barack Obama, Robert Shiller und Joseph Stiglitz.

George A. Akerlof ist Professor an der Georgetown University in Washington und hat 2001 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten.

Robert J. Shiller ist Professor in Yale und wurde 2013 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.
Zusammen haben sie 2006 'Animal Spirits: Wie Wirtschaft wirklich funktioniert' (Campus) publiziert.

George A. Akerlof ist Professor an der Georgetown University in Washington und hat 2001 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten.

Robert J. Shiller ist Professor in Yale und wurde 2013 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.
Zusammen haben sie 2006 "Animal Spirits: Wie Wirtschaft wirklich funktioniert" (Campus) publiziert.


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