Andrews | Blumen der Nacht | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 432 Seiten

Reihe: Foxworth - Saga

Andrews Blumen der Nacht


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95530-848-3
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 1, 432 Seiten

Reihe: Foxworth - Saga

ISBN: 978-3-95530-848-3
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Von der Außenwelt abgeschlossen, vergessen von der Mutter, leben Cathy, Chris und die Zwillinge Carrie und Cory jahrelang im Halbdunkel eines Dachbodens. Die Mutter hält ihre eigenen Kinder von der Außenwelt fern, aus purer Geldgier. Sie wird nicht erben, wenn der Großvater von der Existenz seiner Enkel etwas erfährt...

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Die Straße zum Reichtum


Während Mammi packte, warfen Christopher und ich unsere Sachen in zwei Koffer, zusammen mit Spielzeug und einem Gesellschaftsspiel. Noch bevor es dunkel wurde, fuhr ein Taxi uns zum Bahnhof. Wir mußten uns regelrecht davonschleichen wie auf der Flucht, ohne unseren Freunden auf Wiedersehen sagen zu dürfen, und das tat weh. Ich wußte nicht, wozu das gut sein sollte, aber Mammi bestand darauf. Unsere Fahrräder mußten in der Garage Zurückbleiben, wie all die anderen Sachen, die man nicht in ein paar Koffern mitschleppen konnte.

Der Zug rumpelte durch eine dunkle, sternenerfüllte Nacht auf einen fernen Besitz in den Bergen von Virginia zu. Wir kamen an vielen schlafenden Städten und Dörfern vorbei. Goldene Lichtvierecke huschten in der Ferne vorüber. Die einzigen Anzeichen für einsame Farmhäuser, die dort irgendwo verloren in der Nacht lagen. Mein Bruder und ich wollten nichts von dieser Fahrt verpassen und blieben deshalb entschlossen wach. Schließlich hatten wir auch eine Menge, über das wir uns unterhalten mußten. In erster Linie galten unsere Spekulationen dem großen, reichen Haus, in dem wir von nun an wohnen sollten. Ich stellte mir vor, daß ich mein eigenes Kindermädchen haben würde. Es würde mir die Kleider heraussuchen, mein Bad einlassen, mir das Haar bürsten und auf mein Kommando durch die Gegend springen. Aber ich würde nicht zu hart mit ihm sein. Ich würde nett und verständnisvoll sein, die Art von Herrin, die von jeder Dienerin geliebt wird – außer wenn sie etwas zerbrach, an dem ich wirklich hing! Dann würde ich ihr die Hölle heiß machen – ich würde einen urplötzlichen Wutanfall bekommen und mit ein paar Sachen schmeißen, die mir nicht ganz so wichtig waren.

Wenn ich mich an diese nächtliche Zugfahrt heute zurückerinnere, dann erkenne ich, daß es eigentlich diese Nacht war, in der ich begann, erwachsen zu werden und über das Leben zu philosophieren. Mit allem, was man verliert, gewinnt man auch etwas. Also gewöhnte ich mich besser daran und machte das Beste daraus, dachte ich mir damals.

Als mein Bruder und ich gerade überlegten, wie wir das ganze Geld ausgeben sollten, wenn wir es erst hatten, kam der glatzköpfige, dickliche Schaffner in unser Abteil und ließ seinen Blick bewundernd von Kopf bis Fuß über unsere Mutter wandern, bevor er leise sagte: »Mrs. Patterson, in einer Viertelstunde sind wir an Ihrem Haltepunkt.«

Nanu, wunderte ich mich, warum nennt er sie denn »Mrs. Patterson«? Ich warf Christopher einen fragenden Blick zu, aber der schien genauso überrascht wie ich.

Aus ihrem Halbschlaf gerissen, offensichtlich verwirrt und desorientiert, riß Mammi die Augen weit auf. Ein verzweifelter Ausdruck trat in ihre Augen, als sie von dem über sie gebeugten Schaffner zu uns und den Zwillingen hinübersah. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, mit dem sie sich sachte die Augen abtupfte. Dann folgte ein Seufzer, so schwer und voller Kummer, daß mir das Herz bis zum Hals zu schlagen begann. »Ja, vielen Dank«, erwiderte sie dem Schaffner, der sie noch immer mit großem Respekt und Bewunderung ansah. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind jederzeit fertig auszusteigen.«

»Madam«, meinte er mit einem zutiefst besorgten Blick auf seine Taschenuhr, »es ist drei Uhr morgens. Werden Sie von jemandem abgeholt?« Sein sorgenvoller Blick streifte uns Kinder.

»Das geht alles in Ordnung«, versicherte ihm unsere Mutter.

»Madam, es ist sehr dunkel draußen.«

»Ich würde meinen Weg nach Hause auch im Schlaf finden.«

Dem großväterlichen Schaffner schien das keineswegs zu genügen, um uns aus seiner Fürsorge zu entlassen. »Lady«, fuhr er fort, »bis nach Charlottesville ist es eine Stunde mit dem Auto. Ich lasse Sie und Ihre Kinder hier mitten in der Nacht meilenweit von jeder Ortschaft aussteigen. Dieser Haltepunkt ist nur eine leere Wellblechhütte.«

Um sich jede weitere Frage zu verbitten, antwortete Mammi auf ihre arroganteste Art. »Wir werden erwartet.« Toll, daß sie dieses Benehmen wie einen Hut auf- und absetzen konnte.

Wir kamen an dem einsamen Haltepunkt an, und man ließ uns aussteigen. Niemand erwartete uns.

Es war rabenschwarze Dunkelheit, in die wir hinauskletterten. Allein standen wir meilenweit von jeder Siedlung entfernt an den Gleisen und winkten dem freundlichen Schaffner zum Abschied zu. Sein Gesichtsausdruck sagte nur zu deutlich, daß er sich nicht recht wohl dabei fühlte, uns hier am Ende der Welt abzusetzen – »Mrs. Patterson« mit ihrer Truppe von vier verschlafenen Kindern, die auf ein weit und breit nicht sichtbares Auto warten wollten. Ich sah mich um. Alles, was ich ausmachen konnte, war ein Wellblechdach auf vier Holzpfosten. Unser Bahnhof. Daneben eine morsche grüne Bank. Wir setzten uns nicht auf die Bank, sondern standen einfach da und sahen zu, wie der Zug in der Nacht verschwand. Ein einziges, fernes Pfeifen hörten wir noch von ihm, als wünschte er uns viel Glück und Lebewohl.

Um uns lagen Wiesen und Felder. Aus den dunklen Wäldern hinter dem »Bahnhof« klang ein unheimlicher Laut. Ich fuhr zusammen, und Christopher lachte natürlich gleich über mich. »Das war doch nur eine Eule! Dachtest du, das wäre ein Gespenst?«

»So was gibt es hier absolut nicht«, meinte Mammi scharf. »Ihr braucht auch nicht zu flüstern. Niemand ist hier in der Nähe. Das hier ist Farmland, meistens für Milchvieh genutzt. Die Bauern hier leben davon, den reichen Leuten auf dem Hügel alles ganz frisch zu liefern.«

In der Ferne erkannte ich viele Hügel, nachdem meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Schwarze Baumreihen unterteilten auf seltsame Art die Hänge in Sektionen, als stünden dort riesenhafte Wächter der Nacht Spalier. Mammi erklärte uns, daß die vielen Baumreihen als Windschutz dienten und im Winter die Schneeverwehungen niedrig hielten. Schnee, das war das Schlüsselwort für Christopher, der sich sofort daran begeisterte. Er liebte alle Arten von Wintersport, und er hatte befürchtet, daß ein südlicher Bundesstaat wie Virginia gar keine größeren Schneefälle kennen würde.

»O ja«, erzählte Mammi, »es schneit hier kräftig, darauf kannst du wetten. Wir sind hier am Fuß der Blue Ridge Berge, und es wird hier sehr, sehr kalt, mindestens genauso kalt wie in Gladstone. Aber im Sommer ist es tagsüber wärmer. Nachts ist es immer kühl genug, wenigstens unter einer leichten Decke zu schlafen. Wenn die Sonne jetzt scheinen würde, hättet ihr eine hinreißende Landschaft vor euch, eine ländliche Gegend, wie euch keine auf der Welt besser gefallen würde. So, jetzt müssen wir uns aber beeilen. Es ist ein langer, langer Weg zu meinem Elternhaus, und wir müssen vor dem Morgengrauen dasein, bevor das Personal aufsteht.«

Eigenartig. »Warum?« erkundigte ich mich. »Und warum hat der Schaffner dich Mrs. Patterson genannt?«

»Cathy, ich habe im Augenblick wirklich keine Zeit, dir das zu erklären. Wir müssen zügig losmarschieren.« Sie nahm die beiden Koffer auf und befahl uns mit fester Stimme, ihr zu folgen. Christopher und ich mußten die Zwillinge auf den Arm nehmen, denn sie waren zu verschlafen, um zu laufen.

»Mammi!« rief ich, als wir gerade losgehen wollten. »Der Schaffner hat vergessen, uns deine beiden Koffer mitzugeben.«

»Das hat schon seine Richtigkeit, Cathy«, erwiderte sie atemlos, als wären schon die beiden Koffer, die sie gerade trug, beinahe zuviel für ihre Kräfte. »Ich habe den Schaffner gebeten, meine Sachen nach Charlottesville mitzunehmen und dort bei der Gepäckaufbewahrung abzuliefern, damit ich sie mir morgen dort abholen kann.«

»Warum das denn?« fragte Christopher scharf.

»Na, zunächst einmal kann ich ja wohl kaum vier Koffer gleichzeitig schleppen. Oder? Und außerdem möchte ich gerne mit meinem Vater allein sprechen können, bevor er etwas von meinen Kindern erfahren hat. Es sähe sicher auch nicht gut aus, wenn ich mitten in der Nacht nach Hause zurückkehre, nachdem ich mich fünfzehn Jahre dort nicht habe blicken lassen, was meinst du?«

Das klang vernünftig, schien mir, denn wir hatten mit den Zwillingen genug zu tragen. Die beiden weigerten sich strikt, auf ihren müden Beinen auch nur einen eigenen Schritt zu tun. Also marschierten wir hinter unserer Mutter her über holperige Feldwege. Dornenranken zerrten an unseren Jacken. Wir liefen und liefen, und die Zwillinge wurden immer schwerer und schwerer. Die Arme begannen uns weh zu tun. Das nächtliche Abenteuer hatte bald jeden Reiz verloren. Wir begannen zu maulen, wir blieben zurück, wir wollten eine Pause einlegen. Wir wollten zurück nach Gladstone, in unseren eigenen Betten liegen, mit unseren alten Sachen um uns herum. Das war besser, als hier durch die Einöde zu keuchen – besser als das große alte Haus mit Dienerschaft und Großeltern, die wir nicht einmal kannten.

»Weckt die Zwillinge!« fuhr uns Mutter an, die über unsere Einwände immer ungehaltener wurde. »Stellt sie auf die Füße und zwingt sie zu laufen, ob sie wollen oder nicht.« Dann murmelte sie noch etwas leise in ihren Pelzkragen, das meine neugierigen Ohren gerade noch aufschnappen konnten. »Weiß der Himmel, sie laufen besser an der frischen Luft herum, soviel sie noch können.«

Ein Schauer der Vorahnung lief mir den Rücken herab. Ich spähte schnell zu meinem älteren Bruder, der sich im selben Moment zu mir umwandte. Er lächelte, und ich lächelte zurück.

Morgen, wenn Mammi zu angemessener Zeit ihre offizielle Ankunft inszenierte, mit dem Taxi natürlich, würde sie zu unserem Großvater gehen und ihn...



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