E-Book, Deutsch, Band 44, 364 Seiten
Avila / Eibisch Das Buch des Lebens
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-6951-8075-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Leben der heiligen Teresa von Avila von ihr selbst beschrieben
E-Book, Deutsch, Band 44, 364 Seiten
Reihe: Schätze der christlichen Literatur
ISBN: 978-3-6951-8075-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aufgefordert von ihren Oberen verfaßte die heilige Teresa von Avila zwischen 1562 und 1565 eine Beschreibung ihres Lebens. Sie schildert darin ausführlich ihren Werdegang von frühester Kindheit an, ihre Bekehrung, den Eintritt ins Kloster und schließlich der Spendung göttlicher Gnadengaben, derer sie sich zeitlebens für unwert hielt. Ein weiterer Teil ihres Buches ist der Kontemplation gewidmet und dem Bericht über die Gründung des Klosters St. Joseph zu Avila. Dieses Werk der großen Heiligen wurde von vielen Gelehrten den berühmten "Bekenntnissen" des heiligen Augustinus gleichgesetzt und ist von seinem spirituellen Wert ein unübertroffenes Zeugnis christlicher Mystik. "Man hat mir befohlen, die Gebetsweise und die Gnaden, die mir der Herr verliehen, zu beschreiben, und es wurde mir dazu eine große Freiheit eingeräumt. (...) Er, der so lange meiner geharrt, sei in Ewigkeit gepriesen! Es ist, wie ich weiß, schon seit langer Zeit sein Wille, daß ich mein Leben beschreibe, doch habe ich bisher nicht den Mut dazu gehabt. Jetzt aber, nachdem mir auch meine Beichtväter den Auftrag dazu gegeben, bitte ich von ganzem Herzen den Herrn, er wolle mir die Gnade verleihen, diesen Bericht mit aller Klarheit und Wahrheit zu verfassen. Möge er zu seinem Ruhme und Lobe gereichen und dazu dienen, daß meine Beichtväter, die mich daraus besser kennenlernen, fortan meiner Schwachheit aufhelfen, damit ich so dem Herrn durch Eifer in seinem Dienste wenigstens etwas von dem abtragen kann, was ich ihm schulde! Ihn sollen alle Geschöpfe preisen in Ewigkeit! Amen." Teresa von Avila - Aus dem Vorwort zum "Leben".
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2. Hauptstück.
1. Folgendes scheint für mich der Anfang großen Schadens gewesen zu sein. Ich denke öfters darüber nach wie übel die Eltern handeln, wenn sie nicht dafür sorgen, daß ihre Kinder immer und überall nur Tugendbeispiele vor Augen haben. Meine Mutter war, wie gesagt, sehr tugendhaft, und doch habe ich, nachdem ich den Gebrauch der Vernunft erlangt, von dem Guten, das ich an ihr wahrgenommen, nicht sonderlich viel, ja fast gar nichts angenommen; das Fehlerhafteste aber, das sie an sich hatte, schadete mir sehr. Sie las nämlich gern Rittergeschichten, machte jedoch von diesem Zeitvertreib keinen so üblen Gebrauch wie ich, weil sie dadurch ihre Geschäfte nicht vernachlässigte. Wir Kinder aber trachteten nur mit unseren Arbeiten bald fertig zu werden, um auch in solchen Büchern zu lesen. Sie selbst tat dieses vielleicht nur deshalb, um ihre Gedanken von den schweren Leiden, die sie zu erdulden hatte, abzulenken; ihren Kindern aber mochte sie es darum gestattet haben, damit sie nicht auf andere Dinge verfielen, wodurch sie hätten zugrunde gehen können. Meinen Vater indes verdroß diese Beschäftigung sehr; deshalb mußten wir achthaben, daß er nichts davon wahrnahm. Ich ließ mir die Lesung dergleichen Bücher allmählich zur Gewohnheit werden; so war denn der geringe Fehler, den ich an meiner Mutter bemerkte, Ursache, daß ich in meinen guten Begierden zu erkalten und auch im übrigen nachlässig zu werden begann. Es schien mir nicht unrecht zu sein, ohne Wissen meines Vaters viele Stunden des Tages und der Nacht in dieser eitlen Beschäftigung zuzubringen; ja so sehr war ich in diese Neigung verstrickt, daß ich mich unzufrieden zeigte, wenn ich nicht immer wieder ein neues Buch hatte.
2. Nunmehr fing ich auch an, schön gekleidet zu erscheinen und durch ein wohlgepflegtes Äußere mich der Gefallsucht hinzugeben. Zu diesem Zwecke pflegte ich mit besonderer Sorgfalt Hände und Haupthaar und bediente mich wohlriechender sowie aller möglichen eitlen Dinge, die ich mir verschaffen konnte; diese waren nicht wenige, da ich sehr putzsüchtig war. Doch hatte ich keine böse Absicht dabei; denn ich hätte nie gewollt, daß irgendjemand meinetwegen Gott beleidigen würde. Von da an blieb mir viele Jahre lang eine große Sorgfalt für übertriebene Reinlichkeit und für Dinge, die mir nie als Sünde erschienen. Jetzt freilich sehe ich ein, wie unrecht dies alles gewesen sein mußte.
3. Außer einigen Anverwandten, die Geschwisterkinder zu mir waren, hatte im Hause meines Vaters niemand Zutritt; denn er war in dieser Beziehung sehr vorsichtig. Wollte Gott, er wäre es auch diesen Verwandten gegenüber gewesen! Denn jetzt sehe ich ein, wie gefährlich es ist, wenn man in einem Alter, in dem man anfangen sollte, Tugenden zu pflanzen, mit Personen umgeht, die, anstatt die Eitelkeit der Welt zu erkennen, dazu anreizen, sich ihr in die Arme zu werfen. Diese Verwandten, die fast in gleichem Alter mit mir standen und nur wenig älter waren als ich, hatten eine große Liebe zu mir und waren meine beständigen Gesellschafter. Ich meinerseits unterhielt sie in allem, was ihnen Freude machte, und hörte ihnen zu, wenn sie mir von ihren Liebeleien und Kindereien, die keineswegs zu loben waren, erzählten. Das schlimmste aber war, daß sich dadurch meine Seele an etwas gewöhnte, das für sie die Ursache alles Unheils wurde.
4. Hätte ich den Eltern einen Rat zu geben, so würde ich ihnen sagen, sie sollten ja recht achthaben, mit welchen Personen ihre Kinder in diesem Alter umgehen; denn da unsere Natur mehr zum Bösen als zum Guten geneigt ist, so kann dieser Umgang großen Schaden bringen. So ist es auch mir widerfahren. Von der großen Sittsamkeit und Tugendhaftigkeit einer Schwester, die bedeutend älter war als ich, nahm ich nichts an. Dagegen gereichte mir eine Base, die häufig in unserem Hause verkehrte, zu großem Verderben. Diese war so leichtfertig in ihrem Betragen, daß schon meine Mutter, die geahnt zu haben schien, welches Unheil durch sie über mich kommen würde, sich viele Mühe gegeben hatte, ihren Eintritt in unser Haus zu verhindern. Sie fand aber so viele Gelegenheit, immer wieder zu kommen, daß das Bemühen der Mutter fruchtlos blieb. Ich verkehrte sehr gerne mit dieser Base und hatte immer mit ihr zu reden und zu tun, denn sie verhalf mir zu jedem Zeitvertreib, den ich wünschte; ja sie selbst veranlaßte mich dazu und teilte mir ihre eigenen Unterhaltungen und Eitelkeiten mit. Als dieser freundschaftliche und vertraute Verkehr mit jener Person stattfand, war ich, soviel ich glaube, vierzehn Jahre alt oder etwas darüber. Bis dahin hatte ich meines Erachtens durch keine Todsünde Gott verlassen noch die Furcht vor ihm verloren. Mehr jedoch war ich für meine Ehre besorgt, und diese Sorge bewirkte, daß ich sie nicht ganz verlor. Ja, ich hielt so viel auf meine Ehre, daß ich glaube, nichts in der Welt hätte diese Gesinnung in mir ändern können; und so wäre denn auch nie die Liebe zu einer Person in der Welt imstande gewesen, mich zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Hätte ich doch die nämliche Standhaftigkeit bewahrt, um nie gegen Gottes Ehre zu handeln, wie sie mir von Natur aus in der Befolgung dessen eigen war, worin nach meiner Meinung die Ehre vor der Welt bestand! Dabei merkte ich aber nicht, wie ich diese Ehre einfach in anderer Weise verlor. In eitlem Sinne liebte ich sie aufs äußerste; von den Mitteln aber, die zu ihrer Bewahrung notwendig gewesen wären, wendete ich keines an. Nur darauf gab ich sorgsam acht, daß ich mich nie gänzlich ins Verderben stürzte.
5. Meinem Vater und meiner Schwester mißfiel jene Freundschaft sehr, und sie wiesen mich oftmals darüber zurecht. Da sie aber für jene Person die Gelegenheit zum Betreten unteres Hauses nicht aufheben konnten – ich war nämlich zu allem Schlimmen sehr geschickt –, so blieben ihre Bemühungen fruchtlos. Wenn ich zuweilen bedenke, welchen Schaden eine schlechte Gesellschaft mit sich bringt, so erschrecke ich darüber; ja, ich könnte es gar nie glauben, hätte ich nie selbst diese Erfahrung gemacht. In der Jugendzeit insbesondere muß das ärgste Unheil daraus entstehen. Möchten doch die Eltern, durch meinen Schaden belehrt, es sich angelegen sein lassen, in dieser Hinsicht ja recht auf der Hut zu sein! Denn der Umgang mit jener Verwandten veränderte mich wirklich so sehr, daß von meiner natürlichen Anlage zur Tugend fast nichts mehr in meiner Seele blieb; ja es schien, als hätte ich durch den Verkehr mit dieser und noch einer anderen Verwandten, die ebenso der Eitelkeit ergeben war, deren schlimme Gesinnung angenommen.
6. Daraus schließe ich zugleich auf den großen Nutzen, den eine gute Gesellschaft mit sich bringt. Ja, ich bin überzeugt, daß ich auf gutem Wege geblieben wäre, wenn ich in jenem Alter mit tugendhaften Personen Umgang gepflogen hätte. Wäre mir damals jemand zur Seite gestanden, der mich zur Furcht Gottes angeleitet hätte, so würde meine Seele Kraft gewonnen haben, um nicht zu fallen. Nachdem aber diese Furcht später ganz in mir geschwunden war, blieb mir nur noch die Besorgnis für meine Ehre, die mich bei allem quälte, was ich tat. Indessen wagte ich vieles zu tun, was sowohl wider diese Ehre als auch wider Gott verstieß, weil ich dachte, es werde verborgen bleiben.
7. In dem bisher Gesagten glaube ich die ersten Ursachen des Schadens finden zu müssen, den ich an meiner Seele genommen habe. Indessen dürfte die Schuld nicht so fast den erwähnten Personen als mir selbst beizumessen sein; denn in der Folge genügte allein schon mein verkehrter Sinn zur Verübung des Bösen, zumal wir auch Mägde hatten, an denen ich gefügige Werkzeuge zu allem Bösen fand. Wäre unter diesen nur eine gewesen, die mir heilsamen Rat gegeben hätte, so würde ich mir diesen vielleicht zunutze gemacht haben. Aber der Eigennutz hatte sie geblendet, wie mich meine ungeordnete Neigung. Zu etwas sehr Bösem war ich jedoch niemals geneigt; denn unehrbare Dinge verabscheute ich von Natur aus. Was ich suchte, war nur Zeitvertreib durch angenehme Unterhaltung. Weil ich mich aber hier in der Gelegenheit befand, so lag die Gefahr für mich sehr nahe, und ich gefährdete dadurch auch die Ehre meines Vaters und meiner Geschwister. Doch Gott errettete mich aus diesen Gefahren, und zwar in einer Weise, daß deutlich zu erkennen war, er habe selbst gegen meinen Willen dafür gesorgt, daß ich nie ganz zugrunde ging. Immerhin aber konnte mein Verhalten nicht so geheim bleiben, daß ich dadurch nicht Schaden genug an meiner Ehre gelitten und Argwohn bei meinem Vater erweckt hätte. Denn ich glaube nicht drei Monate in jenen Eitelkeiten verlebt zu haben, als man mich in ein Kloster der Stadt brachte, wo Personen meines Alters und Standes, nur keine so bösgesitteten wie ich, erzogen wurden. Dies geschah mit so geschickter Verheimlichung des wahren Grundes, daß außer mir und einem Verwandten niemand um diesen wußte. Man hatte nämlich, um kein Aufsehen zu erregen, eine günstige Gelegenheit abgewartet, die sich in der...




