E-Book, Deutsch, 532 Seiten
Bicos Die Liebe des Lords
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95885-606-6
Verlag: venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 532 Seiten
ISBN: 978-3-95885-606-6
Verlag: venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Olga Bicos wurde in Havanna geboren, studierte Jura in Berkley und arbeitete als Firmenanwältin in einem Medienunternehmen in Los Angeles, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei zuwandte. Abenteuerlustig und weit gereist, lebt sie heute mit ihrer Familie in Kalifornien. Für ihre gefährlich-charmanten Helden wurde Olga Bicos für den begehrten K.I.S.S. Award der Romantic Times nominiert. Von Olga Bicos erscheinen bei venusbooks die Hot-Romance-Highlights »Fever - Gefährliche Liebe«, »Fever - Eiskalter Kuss« und »Passion - Süßes Verlangen« sowie der historische Liebesroman »Die Liebe des Lords«.
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Devil's Gate, das Inselversteck von Daniel Kincaid
Leydianna Carstair liebte ihre Tagträume.
Oh, sie gab sich die größte Mühe, wie eine Buchhalterin angezogen zu sein. Sie zwang ihre kastanienbraunen Locken in einen festen Zopf, der wie ein Seil über ihren Rücken hinunterfiel bis zu ihren Hüften. Sie rüstete sich mit praktischen Baumwollkleidern aus, ordentlichen Schürzen und Schnallenschuhen, lauter Dinge, die genau zu ihrer Position passten. Und sie gab sich insgesamt in einer Weise, die absolut ernst genommen werden musste.
Doch in Wirklichkeit war Leydianna – oder Leydi, wie die meisten sie nannten – eine hingebungsvolle Tagträumerin.
Ohne jede große Anstrengung konnte sie in ihrer Fantasie versinken und sich ausmalen, dass sie an jeder beliebigen Geschichte teilnahm, die die Freibeuter von Devil's Gate bei Kerzenschein und starkem Rum erzählten. Unter ihrer einfachen Spitzenhaube erlebte sie Abenteuer um Abenteuer aus den vielen Büchern, die sie im Schatten einer Laube im Hof des Anwesens verschlang.
In diesem Augenblick hatte sie sich in einen besonders prachtvollen Traum versenkt. Sie sah sich den Schwertstreich eines maskierten Gegners parieren, trieb den Schuft dabei rückwärts bis zum Rand des Oberdecks. Ihre kniehohen Stiefel trafen donnernd auf das Holz, als sie einen Rückhandschlag vom Säbel ihres Feindes konterte und zur Seite sprang, um seinem nächsten auszuweichen. Nimm den dafür!, erwiderte sie im Geiste. Mit einer Drehung des Handgelenks fand sie Halt an der Waffe des Kerls und schleuderte sie hoch in die Luft ...
Ein harter Stoß traf sie in die Rippen, und Leydis Aufmerksamkeit war mit einem Schlag wieder geweckt. Sie sah nicht mehr ihren maskierten Gegner über das Schiffsdeck auf sich zukommen. Es war ein ganz anderer Kerl, der mit harten Schritten über die Holzdielen des Vorzimmers polterte, in dem sie stand. Ihr Arbeitgeber, Daniel ›Heartless‹ Kincaid, stampfte in einer Weise mit seinen mächtigen schwarzen Stiefeln über den geschrubbten Boden, die man ohne weiteres als einschüchternd hätte bezeichnen können. Leydi seufzte tief. Es war wirklich ein falsches Bild. Für jeden, der Kincaids sanftere Seite nicht kannte, sah es so aus, als wollte er sie jeden Moment aufhängen.
Leydi biss sich auf die Lippen und sah zu, wie der volle Rock seiner knielangen Jacke sich hinter ihm bauschte wie die schwarze Flagge, wenn Schädel und gekreuzte Knochen in der Brise flatterten. Obwohl sie den Piraten, der ihr Arbeitgeber war, ziemlich gern hatte und schon seit einigen Jahren als Buchhalterin für ihn arbeitete, war dieser Temperamentsausbruch absolut typisch für ihn. Schon mehr als einmal hatte sie sich mitten in einer solchen Tirade in ihre Tagträume geflüchtet. Aber leider war sie diesmal so versunken gewesen, dass sie die Hälfte seines Geschreis versäumt hatte. In den dreißig Jahren, die Daniel Kincaid nun schon das Oberdeck der Pest, des am meisten gefürchteten Piratenschiffes weit und breit, kommandierte, hatte er drei Arten von Befehlsverhalten perfektioniert: drohend, mörderisch und ein todbringend starrer Blick, der auch dem härtesten Freibeuter die Eingeweide gefrieren lassen konnte. Dieser letztere Ausdruck war es, mit dem er gerade Leydi bedachte.
Sie sah auf zu ihrer besten Freundin, die neben ihr stand – dankbar, dass Gabriela die Geistesgegenwart besessen hatte, Leydi mit einem Rippenstoß aus ihrer Träumerei zu wecken. Sie trug ein Kleid, das ebenso schillernd war wie Leydis schlicht, und ihr Gesichtsausdruck zeugte von Langeweile.
Wie gewöhnlich war Kincaids Ärger über Gabriela de Sousa reine Energieverschwendung. Die Halbmulattin Gabby leitete Kincaids Haushalt ebenso unbeirrbar, wie Leydi seine Bücher führte. Sie war die Anwürfe des Piraten gewöhnt und machte sich ein besonderes Vergnügen daraus, ihn mit Missachtung zu strafen. Leydi runzelte die Stirn, denn sie sah Schwierigkeiten voraus.
»Ihr seid doch kein Paar Piraten, zum Kuckuck noch mal, die sich Rum hinter die Binde kippen und wilde Flüche von sich geben!« Das Morgenlicht strömte durch die Bogenfenster des kleinen Hauses herein und beleuchtete die ergrauenden Schläfen von Kincaids Haar, das hinten zu einem kurzen Zopf gebunden war – der einzige Hinweis darauf, dass er schon auf die fünfzig zuging. »Du bist meine Haushälterin!« Er warf Gabriela einen finsteren Blick zu. »Und du meine Buchhalterin!« Auch Leydi schaute er ärgerlich an. Dann stach er mit dem Finger in die Luft, als wäre er ein Degen. »Und kein Paar glückloser Halsabschneider! Hört mir gut zu, Mädchen. Ihr werdet von nun an nicht mehr mit meinen Männern einen heben. Und nicht mehr mit ihnen Karten kloppen, bis der Hahn kräht ...«
»Hat Cy sich wieder beschwert?«, schnappte Gabriela, und ihr leicht brasilianischer Akzent verlieh ihrer Stimme eine besondere Färbung. Sie stemmte eine Hand in die Hüfte. Der scharlachrote Brokat, der über ein enges Oberteil und ein Unterkleid aus Spitze herabfiel, betonte ihre weibliche Figur. Ihre exotischen grünen Augen standen schräg wie bei einer Katze; das Grün bildete einen prächtigen Kontrast zu ihrer milchkaffeefarbenen Haut und den schulterlangen braunen Locken. »Bah!« Sie schüttelte den Kopf und sah Leydi an. »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst Cy gewinnen lassen, cara.«
»Sei still, Gabby«, flüsterte Leydi und trat auf den Zeh von Gabrielas hübschem Schuh mit den goldenen Schnallen, während ihr Lächeln unverändert Kincaid galt.
»Ladys beschäftigen sich mit Stickereien«, blaffte Kincaid und kümmerte sich nicht um Gabbys sarkastische Worte, während er gleichzeitig Anlauf nahm für seine gewohnte Schimpfkanonade. »Sie lernen die neuesten Tänze ... damit solltet ihr euch beschäftigen, Mädchen. Und jetzt zum kommenden Monat«, fuhr er fort und meinte die Zeit, die Leydi und Gabby das Piratenversteck verlassen und einen Monat bei ihren Müttern in St. Kitts verbringen würden. »Es ist mir ganz egal, was ihr dort treibt. Aber wenn ihr nach Devil's Gate zurückkommt, habe ich schon eine Liste mit passenden Beschäftigungen für euch zusammengestellt ...«
»Er will uns Tricks beibringen, cara«, sagte Gabby und klatschte in die Hände. »Damit wir ihn unterhalten wie ein Paar Tanzbären!«
Kincaids Lippen verzogen sich zu einem finsteren Grinsen. »Vielleicht wird mein erster Trick sein, dich auf irgendeiner unbewohnten Insel auszusetzen«, bellte er. »Also reiz mich nicht, Mädel!«
»Das wäre doch mal was anderes.« Gabby trat mit schwingenden Hüften vor. Ihr brasilianischer Akzent wurde immer stärker, wenn sie sich mit Kincaid anlegte, und jetzt war er dick wie Zuckersirup. »Aber Spaß beiseite, Kincaid!« Sie winkte ab. »Das Einzige, was wir immer wieder hören, ist der Ärger, den wir dir hier machen ...«
»Gestern Abend kam ich gerade dazu, als deine Röcke hochgeschoben waren bis zur Taille und die Hände von Murdock, diesem Teufel, auf deinen Brüsten lagen! Sag mir nicht, dass das nicht echte Angst war, die ich in deinen Augen gesehen habe, als du dich gegen ihn wehrtest. Ich musste den armen Hund auspeitschen und wegjagen. Jetzt habe ich einen Mann weniger, und das alles nur wegen deiner verführerischen ...«
»Verführerisch!« Gabby wurde rot vor Zorn. Sie stemmte beide Hände in die Hüften. »Murdock ist ein Tier. Der glaubt sogar, dass die Schafe mit ihm flirten, wenn sie blöken.«
Leydi zwängte sich zwischen die beiden, drückte eine Hand gegen Kincaids Brust und drängte Gabriela mit einer Schulter langsam nach hinten, um die beiden zu trennen. »In ein paar Stunden sind wir schon unterwegs nach St. Kitts ...«
»Und wenn ihr wiederkommt, werdet ihr euch nicht mehr aufführen wie die berüchtigten Piratinnen Mary Reed und Anne Bonny! Ich habe euch nicht hergeholt, damit ihr euch hier zu Freibeuterinnen entwickelt, verdammt!«
»Warum hast du uns denn sonst hergeholt?«, erkundigte Gabriela sich.
Gabrielas Frage nahm Kincaid den Wind aus den Segeln. Er stand mit offenem Mund da, und es wurde still im Raum. Durch die Bogenfenster drangen die Geräusche von Kincaids Männern, die das Schiff zum Ablegen vorbereiteten, herein, sonst war nichts zu hören.
Leydi verstand die plötzliche Spannung nicht. Die Stellung, die Kincaid ihr vor acht Jahren angeboten hatte, war ein wahrer Glücksfall für sie gewesen. Sie bedeutete ehrlich verdientes Geld – na ja, mehr oder weniger ehrlich –, mit dem sie sich ihre Träume würde verwirklichen können, und sie hatte nie daran gedacht, sein Angebot zu hinterfragen. Sie war einfach davon ausgegangen, eine Laune habe ihn damals in Basse Terre auf den Gedanken gebracht, sie anzustellen; denn er hatte miterlebt, wie geschickt sie mit Bertie, Gabrielas Mutter, um ein paar Knöpfe feilschte, die sie in Berties Laden kaufte.
Aber Gabbys Frage und Kincaids Schweigen schienen mehr zu bedeuten. Etwas, das vielleicht nicht ganz so unschuldig war ...
»Der Lohn, den ich euch zahle, reicht für feine Kleider und Schmuck und alles«, stammelte Kincaid in die Stille hinein und wandte sich ab. Er schüttelte den Kopf und schien mit sich zu ringen; schließlich murmelte er noch: »Ich brauchte einfach eure Hilfe. Einen anderen Grund gab es nicht, Mädel.«
Gabbys eindringlicher Blick hätte ein Loch in den Rücken von Kincaids feinem Samtrock bohren können. »Manchmal hasse ich dich wirklich, Kincaid.«
Der Pirat drehte sich auf dem Absatz um, sein Gesichtsausdruck erinnerte an ein Kriegsschiff vor dem Rammen. »Hör mir gut zu, du freche Göre! Ich sollte dich in der Brigg verrotten lassen für die Art, wie du mit mir redest. Lass deinen kleinen Arsch ...«
»Kincaid!«,...




