E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Böhm Heute ist ein ganz anderer Tag
6. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-0658-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Plädoyer für die Tiere
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-7557-0658-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus der Sicht der Tiere erzählen die Kurzgeschichten in diesem Buch ihre Schicksale vor einem realen Hintergrund. Saida, der spanischen Windhündin, droht die gleiche traurige Bestimmung wie ihrem Vorgänger Pedro, Sammy, der kleine Schimpanse, wird seinem vertrauten Lebensraum entrissen, genauso wie der Jaguar im südamerikanischen Regenwald, der auf der Suche nach einer neuen Heimat ist. Raffi, der rumänische Straßenhund, kämpft um sein Überleben, ebenso wie der Stier, der eines Tages von seiner grünen Weide geholt wird, und Emi, die Milchkuh, erzählt von ihrem Schicksal in einem Stall. Zeichnungen und Informationen runden die Erzählungen ab. Auch der zweite Teil des Buches mit Texten, Lyrik und Essays, ist den Tieren gewidmet, und ein Plädoyer für die Anerkennung ihrer Rechte. 'Heute ist ein ganz anderer Tag' ist ein ganz anderes Buch über die Tiere.
Daniela Böhm wurde 1961 in der Schweiz geboren und lebt heute in Bayern. Das Werben um einen neuen und von Respekt getragenen Umgang mit der Natur und all ihren Bewohnern ist ihr ein Herzensanliegen, genauso wie das Schreiben. Seit vielen Jahren bemüht sie sich aktiv um eine grundlegende Veränderung des Verhältnisses Mensch/Tier und bringt das auch auf unterschiedliche Weise in ihren Büchern zum Ausdruck. Als Tierrechtsautorin hat sie seit 2012 zahlreiche Artikel verfasst, schreibt Kolumnen zum Thema Tierrechte und spricht auf verschiedenen Veranstaltungen als Gastrednerin. 2018 gründete sie mit engagierten Menschen den Verein Ein Licht der Hoffnung e.V., der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lebenshöfe in Not zu unterstützen. www.danielaböhm.com www.ein-licht-der-hoffnung.de
Autoren/Hrsg.
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Sammy
An jenem Ort, an dem Sammy zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte, war der blassblaue Himmel weit und die heißen Steppen am Rande der grünen Urwälder erstreckten sich scheinbar grenzenlos im flirrenden Sonnenlicht. Unter den weichen, kühlen Blättern der großen Bäume, die sich sehnsuchtsvoll zum Himmel streckten, kam er staunend auf diese Welt. Die schützende Liebe seiner Mutter umhüllte ihn mit einem zärtlichen Hauch, wie der sanfte Wind, der abends manchmal liebevoll die Bäume streifte. In dieser geborgenen Welt verbrachte Sammy, ein kleiner Schimpanse, die ersten Wochen seines Lebens. Doch ein anderes Schicksal als jenes, das ihm eigentlich hätte beschieden sein sollen, streckte schon bald die kalten, rauen Hände nach ihm aus und führte ihn weit weg von seiner Heimat. An dem Tag, als die Jäger kamen, war Sammy gerade zwölf Wochen alt. Es war ein Tag wie jeder andere gewesen, wenn man das so sagen konnte, denn für Sammy war kein Tag wie der vorangegangene. Jeden Morgen breitete sich das Leben wie ein bunter, fröhlicher Teppich vor ihm aus und erschien verheißungsvoll, denn es brachte all die kleinen Wunder zum Vorschein, die seine großen Augen so staunend, neugierig und freudig betrachteten. Das Letzte, woran Sammy sich erinnern konnte, waren die verzweifelten Schreie seiner Mutter, ein Stück blauen Himmels, den er durch das dichte Blätterdach sah und grobe, harte Hände, die ihn für immer seiner Zauberwelt entrissen. Niemals, in all den darauf folgenden Jahren, schwand das Bild des Himmels aus seiner Seele, es hatte sich tief in ihr eingegraben. Vielleicht war es die Erinnerung an dieses Paradies, welches für einen Funken in der Ewigkeit das seine gewesen war, die ihn hielt und seine Hoffnung in den ersten Jahren noch nicht ganz aufgeben ließ. Danach wurden die Erinnerungen hart und unbarmherzig. Die kleine, dunkle Holzkiste, in die man ihn unsanft hineingezwängt hatte, das verzweifelte Weinen nach seiner Mutter, der schmerzhafte Stich in die linke Schulter, der seine Augenlider schwer werden ließ und ihn benommen machte, und schließlich das angstvolle Erwachen durch lautes Motorengeräusch und einen harten Aufprall. Irgendwo, in einem Land, das durch weite Ozeane von dem seinen getrennt war, in einem kargen, kalten und schwach beleuchteten Raum, öffnete man seine Holzkiste und er wurde in ein neues Gefängnis gesteckt. Ein Gitterkäfig, gerade groß genug, dass er seine schmerzenden, kleinen Glieder ein wenig strecken konnte. Ein paar fremde Männer standen um seinen Käfig herum und betrachteten ihn mit teilnahmslosen Augen. Die Angst, die er spürte, seit er wieder bei vollem Bewusstsein war, wurde zu einem großen schwarzen Schatten, der seine Seele erschauern ließ. Sammy weinte bitterlich, er schrie nach seiner Mutter, er umklammerte verzweifelt die kalten Gitterstäbe und rüttelte an ihnen, aber nichts was er tat, vertrieb den schwarzen Schatten. Schließlich gab man ihm etwas zu essen, löschte das Licht und ließ ihn in der Dunkelheit allein. Die Stille war furchtbar. Dort, wo Sammy herkam, war das Leben laut und schlief nie, selbst in der Nacht, denn der Dschungel kannte keine Stille. Irgendwann in diesen Tagen, in diesem kalten Raum und eingesperrt in seinen Käfig, resignierte seine kleine Seele. Er hörte auf zu schreien und zu toben, oder an den Gitterstäben zu rütteln. Er weinte auch kaum mehr, nur manchmal, in der Nacht, wenn das Bild seiner Mutter und des rauschenden Blätterdachs mit dem kleinen Stückchen Himmel in seiner Seele auftauchte. Die Verzweiflung verwandelte sich in eine tiefe Traurigkeit und das Heimweh wurde zu seinem einzigen Gefährten. Einige Tage später betrat ein Mann das Zimmer, den Sammy bisher noch nie gesehen hatte. Er öffnete den Käfig, hob ihn heraus, betrachtete und befühlte ihn und setzte ihn dann wieder hinein. Der Mann war freundlich zu ihm, es war das erste Mal seit vielen Tagen, dass ihn jemand wirklich ansah und nett zu ihm war. Dann ging alles sehr schnell. Er wurde wieder in die kleine, harte Holzkiste gepackt, er hörte merkwürdige Geräusche, die lauten Stimmen der Männer und das Rascheln von Papier. Die Kiste begann hin und her zu schaukeln und Sammy durchfuhr auf einmal die Hoffnung, dass er vielleicht wieder zurück in seine Heimat gebracht wurde. Sehnsuchtsvoll dachte er an den Himmel und an die Wärme seiner Mutter und Freude erfüllte zum ersten Mal in diesen Tagen sein trauriges Herz. Doch als sich seine Holzkiste nach vielen Stunden erneut öffnete, brach diese Hoffnung jäh zusammen. Der Geruch, der ihm entgegenströmte, erinnerte ihn zwar an seine Heimat, aber er wusste sofort, dass dies nicht sein Zuhause war. Er wurde in einen neuen Käfig gesperrt, der war viel größer und bequemer und es gab auch Stroh am Boden, doch die Gitterstäbe blieben dieselben. Plötzlich blickte er in ein vertrautes Gesicht. So klein, wie er war, so schutzlos und seit vielen Tagen ohne jegliche Mutterliebe, rannte er auf den anderen Schimpansen zu und warf sich in seine Arme. Er begann bitterlich zu weinen und klammerte sich verzweifelt an seinen Artgenossen. Ach, dieses bisschen Wärme tat gut und klebte ein kleines Trostpflaster auf seine Seele. Der alte Schimpanse ließ ihn gewähren. Zwar war die Erinnerung an seine frühe Kindheit kaum mehr als der kurze Flügelschlag eines Vogels, doch das Bedürfnis nach Nähe und der Instinkt, einem Schwächeren Schutz zu geben, waren ihm nicht verloren gegangen. Er war alt und grau, halb blind, ein wenig taub auf dem rechten Ohr und schleifte sein linkes Bein beim Gehen etwas unbeholfen hinterher. Die vielen Jahre im Zirkus hatten nicht nur in seiner Seele ihre Spuren hinterlassen. Die ganze Nacht hindurch sowie die darauf folgenden Nächte, kuschelte sich Sammy fest an den alten Schimpansen. Er wurde zu seinem Vater und seiner Mutter, und das Leben wurde ein wenig erträglicher. Er lernte, wie man Bananen schälte und der alte Schimpanse, dem man den Namen Bobby gegeben hatte, entlauste ihm manchmal mit seinen halb blinden Augen etwas unbeholfen den Rücken. Sammy vertrieb sich die Zeit, indem er an den Gitterstäben herumturnte oder Bobby auf den Rücken sprang. Seine Nachbarn waren drei Siamkatzen, die ihn immer böse anfauchten, wenn er freudig zu ihnen herüberkreischte und ein paar weiße Zwergpudel, die gerne laut kläfften. Manchmal hörte er das Brüllen der Löwen; dann bekam er Angst und flüchtete in Bobbys Arme. Viele Jahre später, als Bobby schon längst tot war, erinnerte er sich noch an diese Momente. Es waren, bis auf die verblassende Erinnerung an seine Mutter, die einzigen zärtlichen Augen-blicke in seinem Leben. Eines Tages ging die Tür zu seinem Käfig auf und Sammy wurde herausgeholt. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, er wollte nicht wieder in eine dunkle Holzkiste gesperrt werden und vor allem wollte er nie mehr von Bobby getrennt sein. Doch nichts half. Ein großer Mann hielt ihn fest in seinen Händen und so sehr Sammy auch zappelte und verzweifelt schrie, es gab kein Entkommen. Man ließ ihn frei, zumindest glaubte er das im ersten Moment, als er in einem großen runden Kreis mit weichen Sägespänen auf den Boden gesetzt wurde. Sammy begann zu laufen, so schnell, wie es mit seinen kleinen Füßen nur ging. Er kam nicht weit. Sein Fluchtversuch scheiterte an dem Netz, das man um den Kreis gespannt hatte. An diesem Tag begann sein Leben als Zirkusaffe. Die nächsten Wochen passierte immer das Gleiche. Einmal am Tag wurde Sammy aus seinem Käfig geholt und in den Kreis mit den weichen Sägespänen gesetzt. Man lehrte ihn kleine Kunststücke, er musste über Hindernisse springen, auf ein Podest klettern und Purzelbäume schlagen. Wenn er alles richtig machte, bekam er zur Belohnung eine Leckerei, wenn nicht, dann wurde die Stimme des Mannes, der ihn trainierte, sehr laut und er bekam auch mal einen Klaps auf seinen Hintern. Am Anfang machte es Sammy noch ein bisschen Spaß, so klein und unerfahren, wie er war. Er konnte in dem großen Kreis her-umrennen, die Siamkatzen störten sich nicht an seinem Kreischen und es gab keine kalten Gitterstäbe, die ihn von der Welt trennten. Doch schon bald wurde er jedes Mal in eine knallrote Uniform gezwängt und bekam ein kleines Hütchen auf den Kopf, das unter seinem Kinn festgebunden wurde. Sammy hasste dieses Etwas, das man ihm überzog, es war beengend, es kratzte und nahm ihm die Luft zum Atmen. Am Abend war Sammy manchmal für kurze Zeit allein. Bobby wurde aus dem Käfig geholt, kam aber bald darauf schon wieder zurück. Jedes Mal schien er verändert. Sammy hatte keine Ahnung, was mit ihm passierte, wenn er fort war, doch er spürte, dass es ihm nicht gut tat. Weil er es von ihm gelernt hatte und nicht wusste, was er sonst tun konnte, damit es Bobby ein klein wenig besser ging, zupfte er ihn zärtlich am Fell, überall, besonders am Rücken. Dann grummelte Bobby immer ein wenig und nahm ihn anschließend in die Arme. Eines Abends öffnete sich die Käfigtür wie gewöhnlich, doch nicht Bobby wurde herausgeholt, sondern Sammy....




