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E-Book

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

Brodersen / Castello Schulangst

Pädagogische Förderung im Alltag

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

ISBN: 978-3-17-039236-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Schulbezogene Ängste treten bei Kindern und Jugendlichen heute zunehmend auf. Der Band behandelt in kurzen Einführungen soziale Ängste, Prüfungsängste und Trennungsängste und vermittelt grundlegendes Wissen zur ihrer Entstehung, der Häufigkeit und den Symptomen. Der Leser findet hier Basiswissen zu wirksamen pädagogischen Handlungsweisen, u.a. zu pädagogischer Diagnostik, Elternarbeit und Möglichkeiten einer schulischen Förderung bei Schulangst. Zentrales Element dieses Bandes sind authentische Fallbeispiele, in denen diese Methoden zur Anwendung kommen. Das Buch vermittelt so kompakt praxisnahes, fundiertes Wissen zu pädagogischen Handlungsmöglichkeiten bei Schulangst.
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Trennungsängstlichkeit
Im nachfolgenden Abschnitt werden die Merkmale von Trennungsängsten dargestellt, es werden Informationen zur Häufigkeit und zum Verlauf und den Entstehungsbedingungen von Trennungsängstlichkeit gegeben. (Oftmals wird »Ängstlichkeit« als Persönlichkeitsmerkmal und »Angst« als Zustand unterschieden. Um das gesamte Spektrum zu beschreiben, verwenden wir beide Begriffe hier weitgehend Synonym. Wenn eine behandlungsbedürftige oder auch klinisch relevante Störung gemeint ist, so wird dies jeweils explizit benannt.) Wenn sich ein Kind im Kita- oder Grundschulalter nicht gerne von nahestehenden Bezugspersonen trennen möchte, insbesondere über einen längeren Zeitraum hinweg, verwundert dies zumeist niemanden. Es war in der menschlichen Entwicklungsgeschichte lange Zeit sinnvoll, dass gerade kleine Kinder den Schutz der Eltern vermissen, wenn diese außer Sichtweite sind. Kulturell ist es aber für Kinder eine wichtige Entwicklungsaufgabe, mit den unabwendbaren Trennungen im Alltag allmählich umgehen zu lernen, um dadurch Selbstständigkeit zu entwickeln, soziale Kontakte außerhalb der Familie zu knüpfen, hierdurch wesentliche soziale und kommunikative Kompetenzen zu stärken und unbelastetes schulisches Lernen zu ermöglichen. Wenn diese Entwicklung beeinträchtigt ist, so können negative Auswirkungen auf die sozial-emotionale und schulische Entwicklung eines Schülers oder einer Schülerin entstehen. Häufig gehen mit einer solchen Trennungsängstlichkeit zudem familiäre Belastungen einher, die in einer negativen Feedbackschleife wiederum die Trennungsängstlichkeit verstärken können, z. B. durch zunehmendes Unverständnis oder die Ärgerreaktionen der Eltern. Besonders in schulischen oder familiären Übergangsphasen wie z. B. Schulwechsel oder Umzügen können temporäre Anpassungsprobleme in Form von trennungsängstlichem Verhalten entstehen. Unterschieden werden muss dabei aber die entwicklungstypische Trennungsangst, die Trennungsängstlichkeit als subklinische Episode in Belastungsphasen und klinisch relevante Trennungsängste, die eine kinder- oder jugendpsychotherapeutische Intervention erforderlich machen. 2.1       Symptome klinischer Trennungsangst
Behandlungsbedürftige Trennungsangst im Kindes- und Jugendalter mit Störungscharakter muss von einer entwicklungsbedingten Trennungsangst unterschieden werden. Das DSM-5 (dieser »Diagnostische und statistische Leitfaden psychischer Störungen« ist ein wichtiges US-amerikanisches psychiatrisches Klassifikationssystem) beschreibt die Merkmale einer solchen behandlungsbedürftigen Störung mit Trennungsangst als »[e]ine in Relation zur Entwicklung unangemessene und übermäßige Angst vor der Trennung, von zu Hause oder von den Bezugspersonen, wobei mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sein müssen: 1.  wiederholter übermäßiger Kummer bei einer möglichen oder tatsächlichen Trennung von zu Hause oder von wichtigen Bezugspersonen, 2.  andauernde und übermäßige Besorgnis, dass sie wichtige Bezugspersonen verlieren könnten oder dass diesen etwas zustoßen könnte, 3.  andauernde und übermäßige Besorgnis, dass ein Unglück sie von einer wichtigen Bezugsperson trennen könnte (z. B. verloren zu gehen oder entführt zu werden), 4.  andauernder Widerwille oder Weigerung, aus Angst vor der Trennung zur Schule oder an einen anderen Ort zu gehen, 5.  ständige und übermäßige Furcht oder Abneigung, allein oder ohne wichtige Bezugspersonen zu Hause oder ohne wichtige Erwachsene in einem anderen Umfeld zu bleiben, 6.  andauernder Widerwillen oder Weigerung, ohne die Nähe einer wichtigen Bezugsperson schlafen zu gehen oder auswärts zu übernachten, 7.  wiederholt auftretende Albträume von Trennungen, 8.  wiederholte Klagen über körperliche Beschwerden (wie z. B. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen), wenn die Trennung von einer wichtigen Bezugsperson bevorsteht oder stattfindet« (S. 255). Erfüllt sein müssen weiterhin folgende Kriterien: »B. Die Dauer der Störung beträgt mindestens 4 Wochen. C.  Der Störungsbeginn liegt vor dem 18. Lebensjahr. D.  Die Störung verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. E.  Die Störung tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auf und kann bei Jugendlichen und Erwachsenen nicht besser durch die Panikstörung mit Agoraphobie erklärt werden« (ebda). Die erlebte Angst im Vorfeld der Trennung führt außerdem zu sozial irritierenden Verhaltensweisen wie exzessivem Anklammern an Bezugspersonen oder aggressivem Verhalten, häufig mit Konsequenzen für die soziale Integration (s. u.). Die Angst ist begleitet von einer raschen Aufmerksamkeitshinwendung, um Kontrolle über die Situation zu erhalten, d. h. trennungsrelevante Situationen werden aufmerksam »belauert«. Anschließend wird die Aufmerksamkeit abgewendet, d. h. vermieden, um sich möglichst wenig mit dem bedrohlichen Stimulus beschäftigen zu müssen. In einer Situation akut erlebter Trennungsängste ist das schulische Lernen stark beeinträchtigt. Betroffene sind kaum in der Lage, den eigenen Aufmerksamkeitsfokus von den eintretenden Angstgedanken und -gefühlen abzuwenden. 2.2       Subklinische Trennungsängstlichkeit
Sehr große familiäre und schulische Belastungen entstehen bereits, auch wenn nicht alle klinischen Kriterien vollständig erfüllt sind. Subklinische Trennungsängste gehen oft ebenso einher mit Vermeidungstendenzen. Sie können sich auf die häusliche Einschlafsituation beziehen, sodass es Betroffenen schwerfällt, abends alleine ins Bett zu gehen und einzuschlafen, oder auf alltägliche Trennungssituationen zu Hause, wie z. B. mit einer anderen Person als den Eltern alleine zu Hause zu bleiben. Das temporäre Verlassen der Familie ist in vielen Situationen nur gegen heftigen Widerstand des Kindes möglich, wie z. B. Schwierigkeiten, bei Bekannten oder befreundeten Kindern bzw. Jugendlichen zu übernachten oder im Alltag zur Schule zu gehen. Weiter ins Gewicht fallen schließlich die sekundären Belastungen, die bei Trennungsängstlichkeit entstehen können. Hierzu gehören Schwierigkeiten in der sozialen Integration, da die regelmäßige Vermeidung und dauerhafte Weigerung, zur Schule zu gehen, viele Fehlzeiten verursachen kann. Darunter leidet in der Regel allmählich auch die Qualität des Kontakts zu Gleichaltrigen und der Integration in die Gleichaltrigengruppe. Schließlich ist hohe Ängstlichkeit mit weniger positiver Einschätzung der Kinder oder Jugendlichen durch andere assoziiert (Weber & Huber, 2020). Sie werden insgesamt von Mitschülerinnen und Mitschülern weniger beachtet (Strauss et al., 1987). 2.3       Häufigkeit und Verlauf
Bei Mädchen und Jungen treten die dargestellten trennungsängstlichen Symptome etwa gleich oft auf. Trennungsängste sind insgesamt vergleichsweise häufig, wobei die Befunde hierzu schwanken. In einer amerikanischen Untersuchung wurde eine Lebenszeitprävalenz von 5,2 % ermittelt (Kessler, 2005). Falkai und Wittchen (2015) quantifizieren die Häufigkeit von klinisch relevanten Trennungsängsten bei etwa 4 %. Trennungsangst tritt im Vergleich zu anderen Ängsten bei Kindern und Jugendlichen relativ früh auf – der Erstauftrittsgipfel liegt bei etwa 8 Jahren; sie wird in aller Regel noch vor Eintritt in die Pubertät sichtbar. Der Beginn der Symptome kann sehr unterschiedlich vonstattengehen. Manchmal entwickeln sich diese langsam und eskalieren allmählich. Plötzlich auftretende Symptome einer Trennungsangst hingegen stehen sehr oft in Verbindung mit erkennbar emotional einschneidenden Ereignissen, die auslösend wirken. Erwachsene, die in ihrer Kindheit und Jugend unter starken Trennungsängsten leiden, erleben im Verlauf ihres Lebens häufiger weitere psychische Belastungsreaktionen bzw. psychische Störungen mit Krankheitswert. 2.4       Entstehungsbedingungen
Trennungsängste...


Dr. Gunnar Brodersen ist akademischer Rat am Institut für Sonderpädagogik der Europa-Universität Flensburg. Dr. Armin Castello ist Professor für Psychologie und Diagnostik am Institut für Sonderpädagogik der Europa-Universität Flensburg.


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