E-Book, Deutsch, Band 1, 256 Seiten
Reihe: Kissed by an Angel
Chandler Kissed by an Angel
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7320-0221-4
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 256 Seiten
Reihe: Kissed by an Angel
ISBN: 978-3-7320-0221-4
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Elizabeth Chandler ist seit vielen Jahren Autorin und hat vom Bilderbuch bis zu Romanen für junge Erwachsene schon alles, teilweise unter verschiedenen Pseudonymen, geschrieben. International bekannt wurde sie mit der spannenden Engel-Trilogie Kissed by an Angel, die es auf Anhieb auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft hat. Die Autorin lebt in Maryland, USA, und mag außer Liebesgeschichten auch Katzen, Baseball und Bob - nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
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1
Ich hätte nie gedacht, dass eine Rückbank so romantisch sein kann«, sagte Ivy, lehnte sich zurück und lächelte Tristan an. Dann sah sie auf den am Boden liegenden Müll. »Vielleicht nimmst du deine Krawatte mal lieber aus diesem gammligen Burger-King-Becher.«
Tristan griff nach unten und schnitt eine Grimasse. Er warf das tropfende Teil auf den Vordersitz und rückte neben Ivy.
»Aua!« Der Geruch zerdrückter Blumen breitete sich aus.
Ivy lachte los.
»Was ist daran denn so lustig?«, fragte Tristan und zog die zerquetschten Rosen hervor, aber auch er musste lachen.
»Wenn jetzt jemand vorbeigekommen wäre und den Kirchenaufkleber deines Vaters auf der Stoßstange erkannt hätte?«
Tristan warf die Blumen auf den Vordersitz und zog Ivy wieder an sich. Er strich über den Seidenträger ihres Kleides, dann küsste er sie zärtlich auf die Schulter. »Dem hätte ich erzählt, dass ich mit einem Engel zusammen bin.«
»Toller Spruch!«
»Ivy, ich liebe dich«, sagte Tristan und wurde plötzlich ernst.
Sie starrte ihn an und biss sich auf die Lippe.
»Das ist kein Spiel für mich. Ich liebe dich, Ivy Lyons, und eines Tages wirst du es mir glauben.«
Sie schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest. »Ich liebe dich, Tristan Carruthers«, flüsterte sie kaum hörbar in seinen Nacken. Ivy glaubte ihm und sie vertraute ihm, wie sie sonst niemandem vertraute. Sie wusste, eines Tages hätte sie den Mut, ihm noch viel mehr zu sagen, laut und deutlich. Ich liebe dich, Tristan. Sie würde es aus dem Fenster rufen und ein Transparent quer über das Schwimmbecken in der Schule spannen.
Sie brauchten beide einen Moment, bis sie ihre Kleider wieder halbwegs in Ordnung gebracht hatten. Ivy musste erneut lachen. Tristan lächelte und sah ihr bei dem Versuch zu, ihre verstrubbelten blonden Haare zu bändigen – eine sinnlose Anstrengung.
»Letzter Blick auf den Fluss«, sagte er, nachdem sie wieder losgefahren waren. Dann bog er von dem holprigen Waldweg auf die schmale Landstraße.
Die Strahlen der Junisonne fielen auf die Westseite der Hügel von Connecticut und tauchten die Baumwipfel in goldenes Licht. Die gewundene Straße verschwand in einem Tunnel aus Ahorn, Pappeln und Eichen. Ivy hatte das Gefühl, zusammen mit Tristan unter Wasser zu tauchen. Die untergehende Sonne glitzerte herrlich über ihnen, während sie durch die Schlucht aus Blau, Purpur und Dunkelgrün glitten. Tristan schaltete die Scheinwerfer an.
»Du kannst dir wirklich Zeit lassen«, sagte Ivy, »ich bin nicht mehr hungrig.«
»Hab ich dir den Appetit verdorben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Vermutlich bin ich einfach satt vor Glück«, sagte sie leise.
Der Wagen jagte die Straße hinunter und ging scharf in die Kurve.
»Wir müssen uns wirklich nicht beeilen.«
»Das ist komisch«, murmelte Tristan. »Ich frag mich, was das –« Plötzlich sah er zu seinen Füßen. »Das fühlt sich nicht …«
»Fahr langsamer, ja? Es ist egal, wenn wir ein bisschen später – Vorsicht!« Ivy deutete nach vorn. »Tristan!«
Etwas war aus dem Gebüsch auf die Straße gesprungen. Sie hatte nicht gleich erkannt, was es war, sondern nur eine schnelle Bewegung in der aufziehenden Dunkelheit wahrgenommen. Plötzlich blieb der Hirsch stehen. Er drehte den Kopf, seine Augen starrten in die hellen Scheinwerfer des Wagens.
»Tristan!«
Sie rasten auf die glänzenden Augen zu.
»Tristan, siehst du das nicht?«
Sie rasten immer weiter.
»Ivy, irgendwas –«
»Ein Hirsch!«, rief sie.
Die Augen des Tieres funkelten. Plötzlich blitzte hinter dem Hirsch ein heller Lichtkegel auf und man sah nur noch seine Silhouette. Aus der anderen Richtung kam ein Auto. Sie waren von Bäumen eingeschlossen und konnten weder links noch rechts ausweichen.
»Halt an!«, schrie sie.
»Ich –«
»Halt an, warum hältst du nicht an?«, flehte sie. »Tristan, halt an!«
Die Windschutzscheibe zerbarst.
Noch Tage später konnte sich Ivy bloß an einen Wasserfall aus Glas erinnern.
Als der Schuss ertönte, zuckte Ivy zusammen. Sie hasste Schwimmbäder, vor allem Hallenbäder. Obwohl sie und ihre Freundinnen drei Meter vom Beckenrand entfernt saßen, hatte sie das Gefühl, im Wasser zu sein. Die Luft selbst schien dunkel, ein feuchter blaugrüner Nebel, der intensiv nach Chlor roch. Alles hallte wider – der Schuss, das Geschrei der Menge, der Sprung der Schwimmer ins Wasser. Als Ivy die Schwimmhalle zum ersten Mal betreten hatte, hatte sie fast keine Luft mehr bekommen. Sie wäre an diesem hellen und windigen Märztag lieber draußen gewesen.
»Zeig ihn mir noch mal«, bat sie. »Welcher ist es?«
Suzanne Goldstein sah zu Beth Van Dyke. Beth erwiderte Suzannes Blick. Beide schüttelten den Kopf und seufzten.
»Woran soll ich ihn denn erkennen?«, beschwerte sich Ivy. »Sie sehen alle gleich aus, ihre Arme, Beine und Oberkörper sind rasiert – eine Mannschaft von kahlen Kerlen mit Badekappen und Schwimmbrillen. Sie tragen die Farben unserer Schule, aber sie könnten genauso gut eine Horde Außerirdische sein.«
»Wenn das Außerirdische sind«, warf Beth ein und klickte hektisch mit ihrem Kugelschreiber herum, »zieh ich sofort auf diesen Planeten.«
Suzanne nahm Beth den Stift weg und sagte mit rauchiger Stimme: »Diese Schwimmwettkämpfe haben echt was!«
»Aber du siehst doch überhaupt nicht mehr zu, wenn die Schwimmer erst mal im Wasser sind«, warf Ivy ein.
»Weil sie die Jungs unter die Lupe nimmt, die als Nächste zu den Startblöcken gehen«, erklärte Beth.
»Tristan ist der in der mittleren Bahn«, sagte Suzanne. »Die besten Schwimmer treten immer auf der mittleren Bahn an.«
»Er ist unser Schmetterling«, fügte Beth hinzu. »Er ist der Beste im Schmetterlingsstil. Genau genommen der Beste im ganzen Bundesstaat.«
Das wusste Ivy bereits. Das Poster des Schwimmteams hing überall in der Schule, es zeigte Tristan, wie er aus dem Wasser auftaucht: Seine Schultern bewegten sich auf den Betrachter zu und seine kraftvollen Arme zeigten wie Flügel nach hinten.
Die Frau, die für die Pressearbeit zuständig war, hatte genau gewusst, was sie tat, als sie dieses Foto auswählte. Zum Glück hatte sie eine hohe Auflage drucken lassen, denn die Poster von Tristan verschwanden ständig – in Mädchenspinden.
Irgendwann während der Postermanie kamen Beth und Suzanne auf die Idee, Tristan wäre an Ivy interessiert. Zwei Zusammenstöße auf dem Flur in einer Woche genügten, um Beth, die fantasievolle Geschichten schrieb und eine ganze Bibliothek von Groschenromanen verschlungen hatte, davon zu überzeugen.
»Aber Beth, wie oft bin ich in dich reingerannt«, argumentierte Ivy. »Du kennst mich doch.«
»Oh ja«, meinte Suzanne. »Mit den Gedanken ganz woanders. Zehn Kilometer über der Erde. In der Engelwelt. Trotzdem glaube ich, dass an Beths Beobachtung was dran ist. Vergiss nicht, er ist schließlich in dich hineingerannt.«
»Vielleicht ist er einfach tollpatschig, wenn er nicht im Wasser ist. Wie ein Frosch«, fügte Ivy hinzu, obwohl sie genau wusste, dass nichts an Tristan Carruthers tollpatschig war.
Man hatte sie im Januar auf ihn aufmerksam gemacht, an jenem ersten verschneiten Tag, an dem sie an die Stonehill Highschool gekommen war. Eine Cheerleaderin sollte Ivy die Schule zeigen und führte sie durch die überfüllte Cafeteria.
»Du stehst bestimmt auf Sportskanonen«, meinte die Cheerleaderin.
In Wirklichkeit versuchte Ivy gerade herauszufinden, was das faserige grüne Zeug war, das den Schülern in ihrer neuen Schule vorgesetzt wurde.
»In deiner Schule in Norwalk träumen die Mädchen vermutlich von tollen Football-Spielern. Aber in Stonehill träumen viele Mädchen …«
Von ihm, dachte Ivy, als sie dem Blick der Cheerleaderin folgte.
»Ehrlich gesagt steh ich auf Typen, die was im Kopf haben«, erklärte Ivy der rothaarigen Tussi.
»Aber er hat was im Kopf!«, beharrte Suzanne, als Ivy ihr wenig später von dem Gespräch erzählte.
Suzanne war die Einzige, die Ivy schon gekannt hatte, bevor sie nach Stonehill kam, und irgendwie hatte sie es tatsächlich geschafft, Ivy an diesem Tag in der Menschenmenge zu finden.
»Ich meine keinen Kopf, in dem nur Wasser ist«, fügte Ivy hinzu. »Du weißt, dass mich Sportskanonen noch nie interessiert haben. Ich will jemanden, mit dem ich reden kann.«
Suzanne schnaubte. »Du redest doch sowieso lieber mit deinen Engeln –«
»Fang nicht damit an«, warnte Ivy sie.
»Engel?«, fragte Beth. Sie hatte vom Nachbartisch mitgehört. »Du redest mit Engeln?«
Suzanne verdrehte die Augen, genervt von der Unterbrechung, dann wandte sie sich wieder zu Ivy. »Du hast doch garantiert wenigstens einen Liebesengel in deiner beflügelten Sammlung.«
»Hab ich auch.«
»Was erzählst du ihnen denn so?«, mischte sich Beth von Neuem ein. Sie klappte einen Notizblock auf und zückte den Stift, als wollte sie alles, was Ivy sagte, Wort für Wort mitschreiben.
Suzanne tat, als wäre Beth Luft. »Also, wenn du einen Liebesengel hast, Ivy, dann stellt er sich ziemlich blöd an. Jemand sollte ihn an seinen Auftrag erinnern.«
Ivy zuckte mit den Schultern. Es war nicht so, dass sie kein Interesse an Jungs hatte, aber ihre Tage waren einfach ausgefüllt genug – da war ihre Musik, ihr Job im Laden, sie musste sich um ihre Schulnoten und ihren achtjährigen Bruder Philip kümmern. Die letzten Monate waren für Philip, ihre Mutter und sie ziemlich...




