Dissieux | DER SCHATTENJUNGE | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 70 Seiten

Dissieux DER SCHATTENJUNGE

Mystery
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95835-132-5
Verlag: Luzifer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)

Mystery

E-Book, Deutsch, 70 Seiten

ISBN: 978-3-95835-132-5
Verlag: Luzifer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



CIRCUS TORTURES - die neue Mystery-Serie im Luzifer Verlag. Mein Bruder ist anders als andere Kinder. Manche lachen über ihn wegen seiner körperlichen Abnormitäten, andere fürchten sich vor Simons Schatten. Als eines Tages ein fahrender Zirkus in unser Dorf kommt, sieht mein Vater seine Chance gekommen, der Armut zu entfliehen, und verkauft meinen Bruder an Die Monstrositätenschau des unheimlichen Mr. Mulligan. Dort ist Simon die Attraktion. Doch als er stirbt, überlebt Etwas, das schon immer alle gefürchtet haben ...

Michael Dissieux wurde 1967 in Saarbrücken geboren. Schon früh entdeckte er seine Liebe zur Literatur und schrieb bereits mit fünf Jahren erste kleine Geschichten, die sein direktes Umfeld beschrieben. Mit elf Jahren begann er, inspiriert von den Büchern von Stephen King, erste Kurzgeschichten und Novellen zu schreiben, die sich allesamt im Bereich des Horrors und Unheimlichen ansiedelten. Mitte der neunziger Jahre erschienen erste Kurzgeschichten in den John-Sinclair-Ausgaben, zudem arbeitete Dissieux an der Romanreihe Jessica Bannister (Bastei-Verlag) mit. Weitere Kurzgeschichten wurden in diversen Literaturzeitschriften und Fanzines veröffentlicht. Seit 2011 erscheinen seine Romane im Luzifer-Verlag, unter anderem die Endzeittrilogie Graues Land, sowie der im gleichen Genre angesiedelte Roman Die Saat der Bestie. Im Luzifer-Verlag erschien auch die Novellenserie Die Legende von Arc´s Hill, mit der Dissieux sein größtes literarisches Vorbild, H.P. Lovecraft, zu ehren versucht. Michael Dissieux lebt mit seiner Lebensgefährtin und einem Neufundländer im saarländischen Elversberg.

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Der Schattenjunge Mein Bruder war anders. Das sagten zumindest unsere Eltern.   Mir selbst war als Kind nie etwas Besonderes an ihm aufgefallen. Aber Kinder sehen die Welt auch mit anderen Augen. Ich mochte meinen Bruder, und wenn ich wieder einmal von irgendjemandem hören musste, Simon sei ›merkwürdig‹ oder gar ›beängstigend‹, beobachtete ich ihn ganz genau beim Spielen, fand jedoch nie etwas, was ihn in meinen Augen andersartig machte, sah man von seinem Kopf und seinem Schatten einmal ab.   Simon war vier Jahre älter als ich, ziemlich normal gewachsen und dünn, wohingegen sein Kopf, im Vergleich zum Rest des Körpers, recht groß wirkte. Wenn wir zusammen spielten, hatte ich oft den Eindruck, dass sein dünner Hals nicht kräftig genug sei, diesen riesigen Kopf zu tragen. Manchmal neigte er sich ohne ersichtlichen Grund zur Seite, als würde er angestrengt über etwas nachdenken, was er nicht verstand. Nicht selten saß er aber auch da, das Kinn auf seiner schmächtigen Brust liegend, als würde er schlafen, und musste seine Hände zu Hilfe nehmen, um den Kopf wieder anzuheben.   Als kleines Kind gefiel mir das, denn ich war der Überzeugung, Simon tat dies, um mich zum Lachen zu bringen. Ich fand überhaupt nichts merkwürdig oder gar beängstigend an meinem Bruder und verstand auch die Bezeichnung nicht, mit der mir meine Mutter einmal den übergroßen Schädel meines Bruders zu erklären versuchte. Ich freute mich einfach, wenn Simon mit mir spielte, und wurde traurig, wenn ich die anderen schlimme Sachen über ihn sagen hörte. So lief das zwischen uns. Auch wenn ich nur ein kleiner Junge war, so wollte ich nicht, dass mein Bruder unter dem litt, was die anderen über ihn sagten.   Besonders die Worte meines Vaters verletzten ihn. Simon wurde fast täglich vor Augen geführt, dass mein Vater nicht sein Vater war. Sein richtiger Vater hatte unsere Mutter noch am Tage von Simons Geburt verlassen und seither kein einziges Mal nach seinem Sohn gefragt. Simon wusste nicht einmal seinen Namen, und meine Mutter hatte auch nie über den Mann gesprochen. Der Mann, den meine Mutter drei Jahre später geheiratet hatte, einen lauten, herrschsüchtigen Kerl, der oft nach etwas stank, das mich an in Essig eingelegte Gurken erinnerte, akzeptierte Simon ebenso wenig als seinen Sohn, wie es sein richtiger Vater getan hat.   Ich hatte meine Mutter einmal danach gefragt, wollte wissen, wieso Simon meinen Vater nur Lester nannte und dieser wiederum kaum ein gutes Wort oder einen wohlwollenden Blick für Simon übrig hatte.   Damals war ich fünf Jahre alt gewesen und hatte begonnen, mir Gedanken über das Verhalten der anderen, insbesondere das meines Vaters, meinem Bruder gegenüber, zu machen. Meine Mutter erschien mir damals als die einzige Person, die mir bei meinen Fragen helfen konnte, denn sie war außer mir der einzige Mensch, der es gut mit Simon meinte. In ihren Augen war ich jedoch zu jung für ein derartiges Gespräch, und sie verwies mich darauf, dass ich meine Nase nicht in Dinge stecken sollte, die mich nichts angingen. An jenem Tag war mein Vater bei dem Gespräch zugegen, betrunken und nur schwer erreichbar, wie an so manchem Abend, wenn er seinen Lohn in Ludgers Sägemühle bekommen hatte. Ein Blick in sein aufgedunsenes, von einem Netz roter Äderchen durchzogenes Gesicht überzeugte mich davon, dass es besser war, nicht weiter auf eine Antwort zu drängen, denn ich wusste, dass mein Vater die Ursache an einem für ihn unangenehmen Gespräch sofort bei Simon suchen würde.   Fortan beobachtete ich trotz meines jungen Alters das Verhalten der anderen gegenüber meinem Bruder genauer, und ich begann zu verstehen, wieso er fast ausschließlich im hinteren Garten mit mir spielte. Dort war er vor den Anfeindungen anderer Kinder und sogar einiger Erwachsener durch hohe Hecken und einen morschen Bretterzaun geschützt.   Nach dem Gespräch mit meiner Mutter bemerkte ich plötzlich eine tiefe Traurigkeit in Simons Augen, selbst wenn er lachte und mit mir Ball spielte. Zuvor war sie mir nur selten aufgefallen, doch jetzt war ich mir sicher, dass dieser dunkle Zug in seinen Augen schon immer da gewesen war, ich ihn nur nie wahrgenommen hatte. Ich sah, wie sein Blick immer wieder besorgt zu dem Holzzaun glitt, sobald er Schritte auf der Straße hörte oder sich Stimmen unserem Grundstück näherten. Wenn wir im Garten spielten, hatten wir immer unsere Ruhe gehabt, es gab niemanden, der sich über Simons großen Kopf lustig machte oder sich gar vor seinem Schatten fürchtete, ein Umstand, den ich als kleiner Junge überhaupt nicht verstehen konnte. Im Garten hinter dem Haus gab es nur ihn und mich und unser Spiel.   Eine ganz andere Sache war es, wenn uns unsere Mutter ins Dorf schickte, um einige Dinge im Laden der alten Meyers zu besorgen. Was mir vor dem unglücklich verlaufenden Gespräch mit meiner Mutter nie aufgefallen war, sah ich nun überdeutlich und klar. Obwohl alle im Dorf meinen Bruder seit seiner Geburt kannten, blieben sie dennoch mitten auf der Straße stehen und drehten sich zu ihm um. Nicht wenige konnten sich kaum ein hämisches Grinsen verkneifen, und nicht selten konnte ich Worte hören, die ich damals noch nicht verstand, die Simon aber merklich schmerzten. Meine Mutter wollte ich nicht nach deren Bedeutung fragen, doch ich musste Simon nur ins Gesicht schauen, um zu wissen, dass es nichts Gutes sein konnte.   Ich fragte mich damals, warum unsere Mutter mich nicht allein zu Mrs. Meyers schickte. Sie wusste, dass die Leute sich lustig über Simon machten und er dermaßen darunter litt, dass er so gebeugt wie ein alter Mann neben mir zurück nach Hause trottete und den Rest des Tages auch keine Lust mehr hatte, mit mir im Garten zu spielen.   Ich hatte damals schon vermutet, dass es irgendetwas mit meinem Vater – mit Lester – zu tun haben musste, aber bestätigt bekam ich meine Annahme erst viel später.   Ungefähr drei Wochen nach dem Gespräch mit meiner Mutter bemerkte ich an einem kühlen Frühlingstag zum ersten Mal, dass es nicht nur Simons großer Kopf war, der die Menschen zum Lachen brachte und einige sogar die Straßenseite wechseln ließ.   An jenem Tag schien nach langer Zeit mal wieder die Sonne, und zum ersten Mal betrachtete ich bewusst Simons Schatten … Im Grunde wuchsen wir wie zwei völlig normale Kinder auf. Vonseiten meiner Mutter fehlte es uns an nichts. Sie war der einzige Mensch, der Simon wie einen vollkommen normalen Jungen behandelte. War mein Vater in der Sägemühle oder in Lous Taverne, wo er nach Feierabend gerne Geld hintrug, das uns später im Haushalt fehlte, lachte sie mit uns, las uns aus Büchern vor oder ließ uns beim Brotbacken helfen, wobei es Simon war, der den Löffel mit dem gesüßten Teig ablecken durfte. Mir machte das damals nichts aus, denn ich wusste, dass Simon sonst nur wenig im Leben besaß, über das er sich freuen konnte.   Kam am Abend mein Vater nach Hause, nach Schweiß, Tabak und Schnaps stinkend und über alles und jeden im Dorf fluchend, verwandelte sich meine Mutter von einer Sekunde auf die andere in einen mir vollkommen fremden Menschen. Plötzlich galt ihre ganze Fürsorge mir, und Simon wurde, ebenso wie von meinem Vater, weitestgehend ignoriert. Ich fragte mich damals oft, welches ihr wahres Gesicht war.   An Abenden, an denen Lester besonders lange in der Taverne gewesen war, ließ er es sich nicht nehmen, meinen Bruder mit denselben Worten zu bezeichnen, wie ich sie bereits auf der Straße von völlig Fremden gehört hatte. Dabei lachte er laut und auf eine Art, die mir eisige Schauer über den Rücken jagte, als sei alles ein grandioser Scherz, schlug sich auf die Schenkel und zwinkerte meiner Mutter auf eine Art und Weise zu, die mir einen weiteren kalten Schauer bereitete.   Meistens lächelte meine Mutter unter seinem Blick mit zuckenden Mundwinkeln, doch dieses Lächeln erreichte nie ihre Augen.
  Wenn ich meinen Vater zur Haustür hereinkommen hörte, versuchte ich stets, so schnell wie möglich mit Simon zusammen das Haus durch die Hintertür zu verlassen, um den Rest des Tages mit ihm im Garten zu verbringen. Manchmal gelang es mir, meinen Bruder aus der Schusslinie zu holen, doch nicht selten wurden wir von Lesters barscher Stimme zurückgehalten, als hätte uns seine schwielige Faust am Nacken gepackt. Ein Blick in seine blutunterlaufenen Augen genügte, um zu wissen, dass er sich auf dem Nachhauseweg von Lous Taverne einige neue Gemeinheiten ausgedacht hatte, mit denen er Simon martern und ihm vor Augen führen konnte, dass ein Mann wie Lester einen Jungen wie Simon niemals als sein eigen Fleisch und Blut akzeptieren würde.
  Ein besonders beliebtes und abartiges Spiel meines Vaters war es, sich auf einen der brüchigen Sessel fallen zu lassen, Simon einige Male in die Küche zu schicken, um ihm seine Zeitung, etwas zu Essen und ein kühles Bier zu holen, und meinen Bruder dann anzuweisen, sich wie eine Katze zu seinen Füßen zusammen zu rollen, damit er seine schmutzigen, vernarbten Füße auf dessen Rücken legen konnte. Das Ganze krönte er mit seinem lauten, vom Alkohol benebelten Lachen, welches uns allen beweisen sollte, dass Lester sich gerade den größten Scherz mit...



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