E-Book, Deutsch, 506 Seiten
Eyth Hinter Pflug und Schraubstock
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-1217-7
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 506 Seiten
ISBN: 978-3-8496-1217-7
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In diesem Sammelband veröffentlichte der deutsche Ingenieur Eyth Skizzen und Anekdoten aus seinem Tagebuch. Inhalt: Wanderlebensregeln Der blinde Passagier Die Schmiede Das verhängnisvolle Billardbein In der Gießerei Blut und Eisen In der Muski Eine Gegenmine Vorbereitungen Der Kampf Nachspiel Blut Druckerschwärze Lösungen Der Monteur Dunkle Blätter Das Jagdschloß Sackra El Dogan Die Nacht des Verhängnisses Eine orientalische Familiengeschichte Allahuh! Im Sonnenschein Am Schraubstock Geld und Erfahrung Im Süden Eine Generalversammlung Die erste Großmacht unsrer Zeit Wolken Arbeitstage Ein Fest Rettungspläne Neue Hoffnung Das Elefantenrennen Hans im Glück Unter der Erde Der Tartarenrebell hinter dem Dampfpflug Die Sphinx von Giseh Winterabend
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
In der Gießerei
In Staub und Asche, in Sand und Lehm,
Auf den Knien meist, nicht allzu bequem, –
Man glaubt es gern, daß die Gießerei
Kein sonderlich säuberlich Handwerk sei.
Nur der kleine Peter, das schwarze Gesicht
In grimmigen Falten, der glaubt es nicht.
Er wird ordentlich zornig und schimpft und flucht,
Wenn man es ihm deutlich zu machen sucht.
»In der stolzesten Halle der ganzen Fabrik,
Dort bin ich. zu Hause zu eurem Glück.
Als grüben wir Gold in Ruß und Rauch,
So sieht es drin aus; und das graben wir auch.«
»Was gäb es zu feilen, zu meißeln für euch,
Wär ich nicht Meister in meinem Reich?
Wo nehmt ihr ihn her, euern Sündensold,
Wenn ich nicht formen und gießen wollt'?«
Sie lachen, wenn er sich zur Arbeit kehrt:
»Der kleine Peter fühlt seinen Wert!«
Mit Lehm und Ziegeln, ein stattlich Gewicht,
Verschwindet im Boden sein rußig Gesicht.
Es ist ein Schaffen, wie Knappenwerk,
Hier sinkt eine Grube, dort wächst ein Berg,
Das wühlt und wimmelt, das mauert und klebt,
Bis sich die Form aus dem Grunde erhebt:
Unförmliche Massen, plump und schwer,
Mit Höhlen und Gassen in kreuz und quer:
Was voll ist, wird hohl, und was hohl ist, wird voll,
Nur Peter weiß, was draus werden soll.
Das Stehende hängt, und das Hängende steht,
In des Formers Gehirn ist alles verdreht.
Das ist eine Kunst, die der Himmel schenkt;
Nicht jeder kann denken wie Peter denkt.
Und schlüpft er heraus aus dem greulichen Bau,
Erklärt er voll Eifer dir alles genau,
So glaubst du ihm kaum, daß, was dich verwirrt,
Ein Schiffsmaschinenzylinder wird. – –
Jetzt stockt der Lärm; die Arbeit ruht;
Fast feierlich wird es allen zumut.
Der Meister bietet dir kaum einen Gruß,
Das ist seine Stunde; heut kommt es zum Guß.
Dort hinten im Winkel saust das Gebläs.
Der turmhohe Ofen, in vollem Gefräß,
Schlingt Kohlen und Erze und Kalk in den Leib,
Als fräße er alles zum Zeitvertreib.
Dann speit er mit zornigem Knall und Gekrach
Die Flammengarben über das Dach.
Im knisternden Innern, glühend Weiß,
Rieselt in Bächen der eiserne Schweiß.
Zehn Leute stehen, zur Arbeit bereit,
Um Kessel und Näpfe und warten der Zeit.
Es wird spät. Schon dämmert's im weiten Haus. –
»Jetzt! Achtung, Kameraden! Den Zapfen heraus!«
Und ein Glutstrom bricht aus dem Dunkel grell,
Mit Sprühen und Spritzen, ein wütender Quell.
Es füllen die Kessel sich, groß und klein,
Mit dem weißen, brodelnden Feuerschein.
Gespenstige Krane schwingen sie fort.
Man hört nur Peters Kommandowort. –
Sie steigen, sie senken sich ohne Hast,
Wie wenn Geister trügen die glühende Last.
Jetzt neigt sich der erste. Der blendende Strom
Erleuchtet die Halle bis unter den Dom
Und stürzt, entflammend die schwärmte Nacht,
Die feurige Masse hinab in den Schacht.
Wie der Bau erzittert in plötzlichem Krampf;
Die Form hebt sich im wallenden Dampf'!
Wie es gurgelt und knallt, wie es bläst und saust,
Und aus zwanzig Löchern die Flamme braust.
Er steht auf der Form, vom Feuer umloht,
Wenn sie bricht, ist es sicherer, gräßlicher Tod,
Der kleine Peter, in Donner und Blitz,
Wie der große Napoleon bei Austerlitz! – –
Nun ist es geschehen. Noch einmal zischt
Ein Flackern empor, eh' alles erlischt.
Schwer qualmt es lang aus dem Grunde heraus;
Doch plaudernd gehen die Leute nach Haus.
Sie fragen sich, ob es gelungen sei.
Es kostet noch Tage zwei oder drei,
Dann bricht man, zum Jubel der ganzen Fabrik,
Aus den rauchenden Trümmern ihr Meisterstück. –
Still geht auch Peter; er geht zuletzt,
Ein wenig müde und abgehetzt,
Die Hände verbrannt, das Gesicht verstaubt,
Mit lässigern Gang und gesenktem Haupt.
Er schläft schon fast und sieht, wie im Traum,
Die Leute nicht mehr, die Straße kaum.
Doch sieht er sein Werk, wie es lebt und leibt
Und ein Schiff durch rauschende Wogen treibt.
Durch schimmernde Meere in stolzer Ruh,
Durch Eis und Stürme, den Polen zu,
Mit Wundern beladen, mit Gold und Glück,
Von fernen Gestaden zur Heimat zurück.
Wer sieht es ihm an, wenn er so geht,
Daß er die Welt, so flink sie sich dreht,
Mit all ihrem Reichtum, mit all ihrer Pracht
Wieder um ein Stückchen weiter gebracht?
Blut und Eisen
In der Muski
Auch ein Ingenieur hat das Recht, manchmal – etwa einmal in der Woche – Mensch zu sein; zum mindesten in der Nähe des Berges, auf dem dies schon seit dreitausend Jahren für männiglich ein heiliges Gesetz geworden war. Mit dem Ingrimm, der uns in der fröhlichsten Arbeit packen kann, wenn sie zu viel wird, hatte ich diese Betrachtung angestellt, bestieg meinen Esel und ritt nach Kairo.
Am unteren Ende der Muski, vor dem ersten Eckhaus links, blieb trotz des wogenden Gedränges das kluge Tierchen, das die fünf Kilometer lange Sykomorenallee von Schubra in trippelndem Eifer zurückgelegt hatte, von selbst stehen, zog den Schwanz ein, in Erwartung eines Hiebes und weiterer Anweisung, drehte den Kopf, um zu sehen, ob Mustapha, der Eseljunge, Klee mitgebracht hatte, nickte befriedigt und ließ mich absteigen.
In jenem Eckhaus, zu ebener Erde, befand sich ums Jahr 1864 eine kleine Kneipe: eine Oase in den Wüsten des Morgenlandes. Der Wirt war ein Deutscher aus San Franzisko, den ein gütiges Schicksal bis hierher verschlagen hatte. Eine seltene Verbindung von amerikanischem Unternehmungsgeist und deutschem Gemütsleben hatte ihm den Gedanken eingegeben, allwöchentlich mit dem Triester Lloydboot ein Fäßchen bayrisches Bier kommen zu lassen, das seit drei Monaten regelmäßig am Freitagnachmittag in Alexandrien ankam und ohne Verzug mit der Bahn nach Kairo weiterbefördert wurde. Es war dies zu jener Zeit das einzige bayrische Bier vom Faß, das die Stadt des Kalifen erreichte. Pünktlich um sieben Uhr Samstag abends wurde angezapft. Schon von vier Uhr an stieg von Zeit zu Zeit ein Reiter von unverkennbar deutschem Gepräge vor dem Kneipchen ab, hob den Moskitovorhang, der die Stelle der Türe vertrat, und blinzelte aus der grellen Straßenhelle in das tiefe Dunkel der Höhle. Dort hinten lag es auf einer Schicht Eis, rund behäbig; ach, nur klein! Doch es war wenigstens da; der Forscher ritt befriedigt weiter. Er wußte, was er um sieben Uhr zu tun hatte.
Es war leider erst halb, doch lag schon ein zwei Meter breiter Schatten vor dem Haus. Meier, der energische Wirt, stellte zwei runde Tischchen auf die Straße, pflanzte vier Gartenstühle ins Volksgedränge und lud mich ein, Platz zu nehmen. Es ist eine der unterhaltendsten Straßenecken Kairos, an der Abend- und Morgenland zusammenstoßen wie ein mächtiger Strom mit der brandenden See. Heutzutage hat wohl die Sturmflut des Abendlandes den Sieg davongetragen. Damals flutete noch das echte, unverfälschte Morgenland in heißen, dampfenden Wogen aus der engen Gasse. Die Muski ist eine der Hauptverkehrsadern, die Königs- und Kalifenstraße der orientalischen Weltstadt. Hohe graubraune Häuser mit spärlichen Fenstern, da und dort noch mit reichgeschnitzten, echt arabischen Harimserkern geschmückt, bildeten einen düsteren Tunnel, durch dessen Decke aus zerrissenen Matten und in Fetzen herabhängenden Teppichen, die von Haus zu Haus gezogen waren, in weiten Zwischenräumen ein gelbflimmernder Lichtstrahl in das schwüle, bläuliche Dunkel herabschoß. Im Erdgeschoß der Gebäude sind Kaufläden, an diesem, dem westlichen Ende der Straße, von Europäern gemietet und schon halb europäisch eingerichtet, doch noch immer kleine staubige, heiße Löcher, ohne Luft und Licht. Ein englischer Schneider, ein österreichischer Sattler, ein italienischer Apotheker, ein griechischer Delikatessenhändler – und welche Delikatessen! – alle in Pantoffeln und Hemdärmeln, gehen halb im Freien ihren Geschäften nach. Die Straße selbst füllt ein wimmelndes Gewirr von Gestalten, farbig trotz des dunstigen Halbdunkels, ein brausender Lärm, obwohl in dem fußtiefen Staube kein Wagenrollen und kein Fußtritt hörbar ist. Aber...




