E-Book, Deutsch, Band 29, 454 Seiten
Reihe: Liebe, Gerüchte und Skandale - Die unvergesslichen Regency Liebesromane von Georgette
Heyer Ehevertrag
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7325-8918-0
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 29, 454 Seiten
Reihe: Liebe, Gerüchte und Skandale - Die unvergesslichen Regency Liebesromane von Georgette
ISBN: 978-3-7325-8918-0
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
England, 1814: Der frisch gebackene Viscount Lynton ist schon lange in die wunderschöne Julia Oversley verliebt. Doch als er vom napoleonischen Krieg aus Spanien zurückkehrt, stellt er fest, dass seine Familie am Rand des finanziellen Ruins steht. Um den Familienbesitz zu retten, erklärt der junge Lord sich bereit, ein großes Opfer zu erbringen. Er sagt sich von seiner großen Liebe los und geht stattdessen eine Vernunftehe mit der schlichten Kaufmannstochter Jenny ein. Doch schon bald schon muss er erkennen, dass die Liebe manchmal seltsame Wege geht ...
'Ehevertrag' (im Original: 'A Civil Contract') ist ein wunderschöner Regency-Liebesroman aus der Feder der legendären Georgette Heyer. Jetzt als eBook bei beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Kapitel 1
Die Bibliothek der Priorei Fontley lag, gleich den meisten Haupträumen des weitläufigen Gebäudes, gegen Südosten und gab den Blick auf einen naturbelassenen Garten und eine Reihe von Pappeln frei, die als Windschutz dienten und dem Auge die Eintönigkeit des dahinter liegenden Moores verbargen. An diesem Märznachmittag gelang es der Sonne nicht, durch die Spitzbogenfenster zu dringen, und der Raum wirkte düster. Der Teppich, die Draperien und die metallbeschlagenen Lederfolianten auf den geschnitzten Bücherregalen sahen nicht minder verwittert aus als die Uniform des Mannes, der reglos am Schreibtisch saß, die Hände über einem Stoß von Papieren gefaltet hatte und auf eine Gruppe gelber Narzissen starrte, die in dem Winde nickten, der um die Ecken des Gebäudes seufzte und wie ein Schatten über den ungemähten Rasen strich.
Die Uniform zeigte die senfgelben Aufschläge und die Silbertressen des 52. Regiments. Sie war so fadenscheinig wie der Teppich, aber trotz ihrer Schäbigkeit wirkte sie in diesem friedlichen Raum genauso fehl am Platz, wie sich ihr Träger in seiner ungewohnten Umgebung fühlte.
Dazu hatte er allerdings keine Veranlassung. Die Priorei war sein Geburtshaus und sein Eigentum. Seit er erwachsen war, hatte er jedoch viele Jahre lang in Gegenden gelebt, die sich krass von den verträumten Mooren und dem Heideland Lincolnshires unterschieden, und die plötzliche Versetzung aus der großartigen Szenerie der Pyrenäen hatte sich zu unerwartet vollzogen und war von zu vielen Hiobsbotschaften begleitet gewesen, um ihm anders als ein böser Traum zu erscheinen, aus dem ihn im nächsten Augenblick ein Trompetensignal wecken musste, oder ein durchgehendes Packtier, das sich in einem Halteseil seines Zeltes verfangen hatte, oder auch nur die allgemeine Geschäftigkeit eines Feldlagers in der Morgendämmerung.
Die Briefe aus England hatten ihn am letzten Tag des Januar erreicht. Als Erstes hatte er das Schreiben seiner Mutter gelesen, das sie ihm, noch ganz unter dem Eindruck ihres Verlustes stehend, geschickt hatte, um ihm mit kaum zu entziffernden und oftmals durchgestrichenen Zeilen den Tod seines Vaters mitzuteilen. Die Nachricht löste in ihm eher Bestürzung als Kummer aus, da er den verstorbenen Vicomte nur sehr oberflächlich gekannt hatte, denn obwohl Lord Lynton jedem seiner Sprösslinge mit rauer Herzlichkeit begegnet war, hatten doch die häuslichen Tugenden nicht eben zu seinen stärksten Seiten gezählt. Als enger Freund des Prinzregenten fand er die Gesellschaft des Prinzen umso vieles anregender als jene seiner eigenen Familie, dass er nur geringe Zeit zu Hause verbrachte und keinen Gedanken an die möglichen Vorlieben und Eigenschaften seines einzigen überlebenden Sohnes und seiner beiden Töchter verschwendet hatte.
Der Tod hatte ihn auf der Jagd ereilt. Gleich beim Aufbruch überschlug sich sein Pferd, als es einen Graben nehmen sollte. Für einen unerschrockenen und oftmals tollkühnen Reiter war das wohl kein überraschendes Ende. Bedeutend mehr überraschte es seinen Sohn, dass Lord Lynton entgegen dem Rat und den Vorstellungen seiner Freunde ein bockiges junges Pferd ohne Jagderfahrung geritten hatte. Lord Lynton war ein leichtsinniger Reiter, aber er war kein Narr. Sein Stammhalter, der mit dem lärmenden Beginn eines jeden Jagdausfluges wohl vertraut war, schloss, dass sein Vater gewettet hatte, diesen jungen Hengst meistern zu können, und er folgte dem mütterlichen Befehl, seine Offizierslaufbahn augenblicklich an den Nagel zu hängen und nach England zurückzukehren, wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war.
Der neue Lord Lynton (aber es sollte viele Wochen dauern, ehe er auf eine andere Anrede als Hauptmann Deveril reagierte) vermochte dem Brief seiner Mutter keinerlei Hinweis zu entnehmen, warum er einen Kurs einschlagen sollte, der ihm so aus tiefstem Herzen zuwider war. Der Brief von Lord Lyntons Anwalt war weniger bombastisch, dafür aber deutlicher gewesen.
Er hatte ihn zweimal gelesen, ehe er imstande war, das Ausmaß seines Unglücks zu begreifen, und er las ihn noch oft durch, bevor er ihn seinem Oberst vorlegte.
Niemand hätte ihm mit größerem Verständnis begegnen können, und es wäre Adam Deveril auch unmöglich gewesen, jemand anderem diesen Brief zu zeigen. Oberst Colborne hatte ihn gelesen, ohne die Miene zu verziehen, und hatte ihm nicht sein Mitgefühl aufgedrängt. »Sie müssen fahren«, hatte er gesagt. »Ich gewähre Ihnen zur Regelung Ihrer Familienangelegenheiten sofort Urlaub, aber Sie werden natürlich die Offizierslaufbahn aufgeben.« Dann, als ahnte er die Gedanken, die sich hinter Adams strammer Haltung verbargen, fügte er hinzu: »Vor einem Jahr noch wäre es schwierig gewesen zu entscheiden, ob Sie Ihre Pflicht hier oder bei Ihrer Familie zu erfüllen haben, heute aber ist die Antwort klar. Wir werden Soult bald endgültig in die Flucht geschlagen haben. Ich will nicht behaupten, dass man Sie hier nicht vermissen wird. Sie werden uns fehlen — verdammt fehlen! —, aber Ihre Abwesenheit wird das Geschick Ihres Regimentes nicht beeinflussen. Die Antwort lautet eindeutig: Sie müssen heim nach England fahren.«
Er hatte es natürlich gewusst und weder seinem Oberst noch seinem eigenen Gewissen widersprochen. Er war mit dem ersten auslaufenden Schiff abgereist, hatte in London kurz unterbrochen und seinen Anwalt beauftragt, den Umfang seiner Verschuldung festzustellen, und seinen Schneider, ihn so rasch wie möglich mit Garderobe auszustatten, die einem Zivilisten in tiefer Trauer angemessen war, und hatte sich dann eiligst nach Lincolnshire begeben.
Seine Garderobe war noch nicht eingelangt, wohl aber hatte die Nachricht Fontley erreicht, dass sich sein Regiment bei der Schlacht von Orthes ausgezeichnet hatte. Diese Meldung hatte gleichzeitig Jubel und Sehnsucht bei ihm ausgelöst. Am Vortage war Mr. Wimmering auf Fontley erschienen. Er hatte die Nacht in der Priorei verbracht, aber die jüngere Miss Deveril glaubte kaum, dass er mehr als zwei oder drei Stunden geschlafen haben konnte, da er sich mit ihrem Bruder bis zum Morgengrauen eingeschlossen hatte. Er benahm sich den Damen gegenüber äußerst wohlerzogen, also war es recht herzlos von ihr, ihn einen Unglücksraben zu nennen. Auch dem neuen Vicomte brachte er die größte Höflichkeit und Geduld entgegen und beantwortete alle Fragen, ohne sich anmerken zu lassen, dass er den Erben Fontleys beklagenswert unkundig fand.
Adam sagte mit einem Lächeln in seinen müden grauen Augen: »Er muss mich für einen Dummkopf halten, weil ich so viele törichte Fragen stelle. Mir sind jedoch all diese Begriffe völlig neu, muss Er wissen. Um Geschäfte hatte ich mich nie gekümmert, daher verstehe ich auch nichts davon und muss mir die nötigen Kenntnisse erst allmählich aneignen.«
Mr. Wimmering wehrte sich entsetzt gegen den Verdacht, Seine Lordschaft als Dummkopf zu betrachten, aber er bedauerte es zutiefst, dass der verblichene Vicomte es nicht der Mühe wert gefunden hatte, seinen Sohn in sein Vertrauen zu ziehen. Der Verstorbene hatte es aber sogar für überflüssig erachtet, seinen Hausjuristen restlos in seine Vorhaben einzuweihen, und so waren an der Börse von Mittelsmännern, die Wimmering bedauerlicherweise nicht kannte, verschiedene Transaktionen durchgeführt worden. Er sagte bekümmert: »Ich hätte Seiner Lordschaft manche Investitionen nicht empfehlen können, die er vornahm. Aber Seine Lordschaft war mit einem unbeschwerten Naturell gesegnet — und ich muss zugeben, dass er einige gewagte Spekulationen, vor denen ich als Geschäftsmann ihn nur hätte warnen müssen, zu einem glücklichen Ende gebracht hat.« Er nahm eine Prise Schnupftabak aus seiner verbeulten Silberdose, auf die er mit einer nikotingebräunten Fingerspitze getrommelt hatte, und setzte hinzu: »Ich kannte Euren hochverehrten Herrn Vater gut, Mylord, und es ist meine lang gehegte Überzeugung, dass es seine größte Hoffnung war, das ihm zugefallene Erbe, das, wie er wusste, einmal auf Euch übergehen würde, wieder zur früheren Blüte zu bringen. Die waghalsige und — Gott sei’s geklagt! — unselige Spekulation, in die er sich kurz vor seinem unerwarteten Hinscheiden einließ —« Er brach ab und ließ seinen Blick von Adams Gesicht zur Allee der schwankenden Baumkronen jenseits des Gartens wandern. Dann fuhr er fort, als richtete er den Rest seiner Worte an sie: »Man darf niemals vergessen, dass der Verstorbene ein, wie ich bereits bemerkte, beneidenswert unbeschwertes Naturell besaß. Du lieber Himmel, ja! Wenn ich für jedes Mal, da Seine Lordschaft einen Rückschlag an der Börse erlitt, ohne sich seinen Optimismus dadurch auch nur im Geringsten dämpfen zu lassen, hundert Pfund hätte, wäre ich heute ein reicher Mann. Das darf ich wohl behaupten.«
Darauf erübrigte sich jede Antwort. Statt weitere Versicherungen abzuwarten, sagte Adam nüchtern: »Sag Er mir in ungeschminkten Worten, wie es um meine Angelegenheiten steht, Wimmering.«
Ungeschminkte Worte in einer Situation von äußerster Delikatesse anzuwenden, war Wimmering zutiefst verhasst. Die Autorität dieser gemessenen Stimme veranlasste ihn jedoch, mit ungewohnter Offenheit zu sagen:...




