E-Book, Deutsch, Band 2, 184 Seiten
Ereignisse der Jahre 2018 bis 2020
E-Book, Deutsch, Band 2, 184 Seiten
Reihe: Mein kleines Jahrbuch der Sicherheitsbranche
ISBN: 978-3-7526-6601-4
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Wie schaffen wir es, dass wir aus der Nachrichtenflut diejenigen Informationen filtern, die für uns relevant sind. Und wie bringen wir diese in Verbindung mit vergangenen Ereignissen?
Mit der Chronik will ich diesen Fragestellungen begegnen und helfen, Zusammenhänge zu erkennen und Schlüsse daraus zu ziehen - und vor allem: zu lernen!
Autoren/Hrsg.
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4. Das war das Jahr 2019
2018 hatte ich mir zum Jahresabschluss einen objektiven Umgang mit Sicherheitsthemen gewünscht. Ob das in Erfüllung gegangen ist, werden wir sehen. Der Rückblick zum Jahr 2019 ist diesmal nach Monaten, statt nach Themenfeldern aufgebaut. Januar Das Jahr 2019 startet mit der Fortsetzung eines der größten Prozesse des Jahrhunderts gegen Sicherheitsmitarbeiter - so zumindest der Tenor noch Anfang des Jahres zum Burbach-Prozess. Die vorliegenden Beweise sind schwerwiegend. Doch da irgendwie jeder in dieser Einrichtung von den Straftaten wusste, aber keiner etwas tat - so beschwerte sich beispielsweise einer der Betreuer, dass “die Wachleute keine Rücksprache mehr mit ihm halten” und dass das “Problemzimmer eigentlich gar nicht existierte” – war die Beweisführung sehr kompliziert. Einige Sicherheitsmitarbeiter stellten sich im Kontext der Beweise (z.B. die WhatsApp-Chatverläufe) ihrer Verantwortung und gestanden Einzeltaten, wie z.B. die Fesselung eines Flüchtlings an einen Laternenmast.33 Dies führte zu den ersten Verurteilungen: Zunächst hing das Gericht ein Preisschild an Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung im Mai gegen vier Sicherheitsmitarbeiter - Geldstrafen in Höhe von nur 300 bis 6.800 Euro34. Im August dann eine Bewährungsstrafe von 8 Monaten, ein verabredetes Strafmaß aufgrund seiner Aussagen für vier Fälle der gemeinschaftlichen Freiheitsberaubung, einmal davon in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung35. Für die Verantwortlichen als stellv. Heimleitung gab es hingegen einen Freispruch im Oktober36. Alles in allem scheint der Jahrhundertprozess ähnlich wie der Prozess um das tragische Ereignis der Loveparade in Duisburg zu verlaufen: groß angekündigt, wenige Verurteilungen und noch weniger Aufklärung, wie es eigentlich zu diesem Kontrollverlust des Menschseins gekommen war. Da half auch nicht die Schlagzeile im Dezember, dass ein Polizeibeamter eine nicht genehmigte Nebentätigkeit in der Unterkunft gehabt habe und deswegen ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Er soll von den Misshandlungen gewusst und Teil der Chatgruppe gewesen sein37. Am Ende bleibt nur die traurige Gewissheit, dass hier neben den privaten auch die staatlichen Kontrollmechanismen nicht gegriffen haben. Februar Auch der Februar startete nicht mit guten Nachrichten für unsere Branche, dafür mit dem Prozessabschluss aus 2018 gegen die Sicherheitsdienst 24 GmbH in Kassel. Dem Geschäftsführer Tim L. und seiner Ex-Frau wurden Umsatzsteuerhinterziehung in Höhe von 720.000 Euro und Sozialabgabe- sowie Steuerbetrug in Höhe von 3,5 Millionen Euro nachgewiesen. Er erhielt eine Haftstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten, die nach Zahlung einer Kaution in Höhe von 150.000 Euro - woher kam das Geld bloß *zwinker-Smiley* - bis zu einem rechtskräftigen Urteil außer Kraft gesetzt wurde. Sie hingegen 1 Jahr und 6 Monate auf Bewährung38. Dabei steht dieses Unternehmen nicht allein da, vor allem in Hessen ist die Sicherheitsbranche besonders anfällig für Steuerbetrug: 400 aktuelle Fälle im Jahr 2019 und ein Anstieg von 100 Fällen von 2016 auf 201739. Auch im Februar dann diese Schlagzeile “Securityfirma eines Neonazis bewacht KZ-Gedenkstätte40” und keiner wusste zu diesem Zeitpunkt, welche Erkenntnisse uns noch zu Rechten in der Sicherheitsbranche erwarten würden. Wobei: Unerwartet hätte das nicht sein dürfen, hieß es 2018 noch im Verfassungsschutzbericht, dass 13 Firmen mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene existierten. Doch eins nach dem Anderen - was war passiert: Der Hauptauftragnehmer der Bewachungsleistung im KZ Sachsenhausen hatte offenbar ohne Kenntnis des Auftraggebers die Dienstleistung an einen Subunternehmer vergeben. Das Positive daran? Der Hinweis über das dort eingesetzte und beschuldigte Unternehmen “Boxing Security” kam offenbar aus der Branche selbst. Mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sprach ich über das Unternehmen, die Vorwürfe und wie solche Ereignisse zu Stande kommen können. Ebenso war Thema, was in der neuen Ausschreibung stehen müsste und welche Pflichten auch der Auftraggeber hat, vor allem bei solch sensiblen Objekten und wie man vielleicht frühzeitig (z.B. durch Interesse am eigenen Dienstleister) diesen Skandal hätte verhindern können.41 Im Juli nahm der neue Sicherheitsdienst in den KZ-Gedenkstätten seine Arbeit auf, man rühmte sich damit, dass neue Kontrollmechanismen implementiert wurden (z.B. die Überprüfung der Personale durch den Verfassungsschutz). Ich bezweifelte sehr stark den Erfolg dieser Maßnahme, wenn man zuvor schon nicht wusste, wer sich als Dienstleister in den eigenen Anlagen bewegte42 und man somit auch im Kern organisatorisch versagt hatte. März Dass der Sicherheitsdienst auch mal der Angeschmierte sein kann, belegte ein Fall im März aus Berlin: Ein Streifenwagen auf Einsatzfahrt rammte den Dienstwagen - das Ergebnis: 10.000 Euro Sachschaden, verletzter Mitarbeiter und Arbeitsausfälle. Die Aufarbeitung nicht möglich, denn die Akte war “zufälligerweise” verschwunden43. Am Flughafen Köln/Bonn kommt es zu einem Raubüberfall auf einen Geldtransporter, wobei ein Sicherheitsmitarbeiter durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt wurde. Der erbeutete Geldbetrag ist nur gering44. Ein ähnlicher Vorfall wird sich wenige Monate später in Frankfurt am Main bei IKEA wiederholen. Auch hier verletzte der Täter einen Sicherheitsmitarbeiter lebensgefährlich - die Polizei sieht einen Zusammenhang45. Noch 2020 wird man nach den Täter fahnden. April Im April erstarrte dann Paris mal wieder in Schockstarre, doch diesmal nicht ausgelöst durch einen tragischen Terroranschlag, sondern durch den Brand des berühmten Wahrzeichens “Notre Dame”. Im Juli dann die tragische Überraschung, der Brand konnte sich 30 Minuten lang ungestört ausbreiten, da mit der Begründung “Die Kathedrale steht seit 800 Jahren, sie wird nicht einfach so abbrennen” an der Sicherheit eingespart wurde. Zudem existierten erhebliche Mängel bei der Einweisung, der Mitarbeiter an diesem Tag war an seinem vierten Arbeitstag bereits allein und wohl maßlos überfordert - verständlicherweise46. Aber auch in Hamburg gab es im selben Monat tragische Nachrichten: Ein Kameruner stirbt nach einem Security-Einsatz im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Offenbar war der Patient in der psychiatrischen Abteilung nach der Verweigerung der Medikamenteneinnahme durch das Sicherheitspersonal fixiert worden, worauf es zu einem nicht näher definierten medizinischen Notfall gekommen sei47. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des LKA Hamburgs liefen noch, da wurde das Ereignis zum Politikum. Nach Anfragen der Linken in der Hamburger Bürgerschaft kam heraus, dass es im UKE im laufenden Jahr bereits zu hunderten Interventionseinsätzen des Sicherheitsdienstes gekommen sei, das (Klinik-)Personal wäre überlastet und eine Videoüberwachung existiere ebenfalls nicht48. Zudem hätte es in der “jüngeren Vergangenheit” - was auch immer das konkret bedeute - vier Ermittlungsverfahren gegen Sicherheitsmitarbeiter, darunter drei wegen Verstößen gegen die körperliche Unversehrtheit gegeben. Eine vollständige Übersicht konnte man jedoch nicht liefern49. Es begann ein wildes Hin und Her der Vorwürfe, der Sicherheitsdienst verwies auf ein existierendes Schulungskonzept mit dem Schwerpunkt Deeskalation50, dem gegenüber stand ein 17-seitiges Protokoll aus dem Jahr 2017, in dem über ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft des Sicherheitsteams gesprochen wurde51. Am Ende sprach keiner mehr über das Opfer, genauso wenig wie die Staatsanwaltschaft im Dezember: es läge kein rassistisches Motiv vor und die Fixierung am Boden sei höchstwahrscheinlich nicht die Todesursache52. Mai Man hätte meinen können, dass aus dem Vorfall im Bode-Museum über notwendige Sicherheitsmaßnahmen bei der öffentlichen Ausstellung von Kunstwerken gelernt worden wäre. Dass dies nicht so ist, zeigte der Diebstahl des “Goldenen Nests”, einem Kunstwerk aus 74 Zweigen zu je 814 Gramm Feingold und einem Gesamtwert von 30.000 Euro aus der Fuchsberg-Grundschule in Berlin-Marzahn. Seit November hatte es mehrere Einbruchversuche und Alarmauslösungen gegeben, sodass durch den verantwortlichen Chef des Sicherheitsdienstes entschieden wurde und, um Kosten zu sparen, eine Intervention trotz Mehrfachauslösung nicht durch die Polizei durchzuführen sei. Als der Sicherheitsmitarbeiter vor Ort eintraf, konnte nur noch...