Huber / Ortner / Deligianni | Virtual Reality in der Tourismusbranche. Verkaufsförderung durch Risikosenkung und Flucht in die mediale Wirklichkeit | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 7, 112 Seiten

Reihe: JGU Reihe Marketing

Huber / Ortner / Deligianni Virtual Reality in der Tourismusbranche. Verkaufsförderung durch Risikosenkung und Flucht in die mediale Wirklichkeit

E-Book, Deutsch, Band 7, 112 Seiten

Reihe: JGU Reihe Marketing

ISBN: 978-3-96146-290-2
Verlag: Diplomica Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Kein



Durch den digitalen Wandel verschärft sich der Wettbewerb in der Tourismusbranche zunehmend. Zusätzlich steigen die Erwartungen der Konsumenten, bereits während des Buchungsprozesses so viel wie möglich über die geplante Reise zu erfahren. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, setzen immer mehr Tourismusunternehmen Virtual Reality (VR) als Instrument ein. Die Technologie bietet ein immersives Erlebnis in einer virtuellen 3D-Welt. Dadurch können Konsumenten bereits vor ihrer Reise einen nahezu realen Einblick in ihr zukünftiges Reiseziel erhalten. Aufgrund der Neuartigkeit von VR gibt es bisher kaum Studien zu diesem Thema. Um erste Erkenntnisse zu gewinnen, untersucht dieses Buch anhand eines empirischen Experiments, inwiefern der Bewegungsradius und ein Voice Assistant bei VR-Anwendungen die Eskapismus-Erfahrung und das wahrgenommene Risiko beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass der Bewegungsradius das Risikoempfinden reduziert. Die Studie liefert erste Einblicke zur Ausgestaltung einer VR-Anwendung. Gleichzeitigt profitieren Unternehmen von den praktischen Implikationen und Empfehlungen, die auf Basis der Forschungsergebnisse abgeleitet werden.
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Textprobe:

Kapitel 3.1.3, Moderationseffekt der wahrgenommenen Kontrolle:

Nicht nur im Kaufprozess spielt die wahrgenommene Kontrolle aus Sicht des Konsumenten eine wichtige Rolle, sondern auch in verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens (Clee & Wicklund, 1980, S. 389 f.). Konsumenten sind häufig bemüht, die Kontrolle über die Ergebnisse bzw. die Folgen ihrer Handlungen sowie die ihres Umfeldes zu behalten (Wortman & Brehm, 1975, S. 278). Eine Einschränkung der Handlungsfreiheit und der damit einhergehende Kontrollverlust kann das Konsumentenverhalten beeinflussen (Wortman & Brehm, 1975, S. 283). Eine hohe wahrgenommene Kontrolle kann sich positiv auf das physische und psychische Wohlbefinden des Konsumenten auswirken (Hui & Bateson, 1991, S. 175). Eine niedrig wahrgenommene Kontrolle kann hingegen ein Stressgefühl bei den Konsumenten auslösen und somit zu einer negativen Reaktion gegenüber dem Anbieter führen (Namasivayam & Hinkin, 2003, S. 27; Wortman & Brehm, 1975, S. 282). Wenn ein Ereignis als kontrollierbar wahrgenommen wird, führt dies dazu, dass Konsumenten glauben, sie könnten durch ihre Handlungsfreiheit ein wünschenswertes Ergebnis herleiten (Weinstein, 1980, S. 808).
Die wahrgenommene Kontrolle wird als Kernelement der Interaktivität gesehen. Eingeschränkte Handlungs- bzw. Interaktionsmöglichkeiten wirken sich demnach auf die wahrgenommene Kontrolle aus (Liu, 2003, S. 2 f.). Viele VR-Anwendungen liefern zwar eine realistische Simulation der Wirklichkeit, bieten den Nutzern aber häufig nur begrenzte Interaktionsmöglichkeiten an (Van Kerrebroeck et al., 2017, S. 178). Im Rahmen dieser Studie ist durch die Einschränkung des Bewegungsradius und durch das Wegfallen weiterer Interaktionen die Beeinflussung der wahrgenommenen Kontrolle anzunehmen. Die wahrgenommene Kontrolle wiederum hängt mit dem wahrgenommenen Risiko zusammen. Je höher das Risiko in einer bestimmten Situation ist, desto höher sollte die wahrgenommene Kontrolle aus Sicht des Konsumenten ausfallen (Namasivayam & Hinkin, 2003, S. 27). Infolgedessen wäre zu vermuten, dass die wahrgenommene Kontrolle den Effekt des Bewegungsradius auf das wahrgenommene Risiko beeinflusst.
3.1.4, Interaktionseffekte auf die Escapism Experience und das wahrgenommene Risiko:

Aufbauend auf den Herleitungen der direkten Effekte in Kapitel 3.1.2 kann von einer verstärkenden Wirkung beider Effekte auf die Escapism Experience ausgegangen werden. Der Begriff Eskapismus taucht häufig im Computerspielebereich auf. Computerspiele werden als eskapistisch angesehen, weil sie es den Nutzern einfach machen, sich in eine Fantasiewelt zu projizieren, in neue Rollen zu schlüpfen und damit die realen Sorgen des alltäglichen Lebens auszublenden (Calleja, 2010, S. 344; Triantafillidou & Siomkos, 2014, S. 527). Nutzer werden in Computerspielen animiert, alle Details des Spiels und damit vollständig die virtuell geschaffene Welt im Spiel entdecken zu wollen. Analog kann dies auf den Bewegungsradius übertragen werden. Im Vergleich zu einer reinen 360°-Drehung sollte die Möglichkeit in Form eines hohen Bewegungsradius die Teilnehmer dazu verleiten, sich vollständig in der virtuellen Umgebung umzusehen. Wie auch in Computerspielen könnte sich dies auf deren Aufmerksamkeit auswirken, sodass das Ausblenden des eigenen Alltags gefördert wird (Calleja, 2010, S. 344; Yee, 2006, S. 29).
In virtuellen Welten sind auch soziale Interaktionen mit Anderen von Relevanz, sodass auch hier durch eine soziale Präsenz eine Beeinflussung des Nutzerverhaltens erfolgt (Messerly, 2004, S. 31). Ein bekanntes Beispiel ist die Onlinespieleplattform Second Life, die es Nutzern ermöglicht, in eine selbst kreierte virtuelle Welt einzutauchen und mit anderen realen Spielern in Form von Avataren zu kommunizieren (Domina et al., 2012, S. 613). Soziale Interaktionen, die durch eine Technologie geschaffen werden, können bei den Nutzern zu einem Gemeinschaftsgefühl und starken Bindungen zu anderen Teilnehmern führen (Triantafillidou & Siomkos, 2014, S. 527).
Ein positiver Zusammenhang zwischen der sozialen Präsenz und das Hervorrufen einer Escapism Experience konnte zudem bereits in anderen Studien bewiesen werden (Jung et al., 2016, Kang & Gretzel 2012). Im Tourismusbereich ist das Phänomen der Escapism Experience ebenfalls nicht unbekannt. Neben Entspannung und Unterhaltung ist für viele Urlauber das Entkommen aus dem Alltag während ihrer Urlaubsreise von Bedeutung (Freyer, 2011, S. 4 f.; Syrek et al., 2017, S. 54).
Bei der Herleitung der nachfolgenden Hypothese wird ebenfalls eine Verstärkung beider direkter Effekte auf das wahrgenommene Risiko vermutet. Aufbauend auf der Theorie des wahrgenommenen Risikos und der Social Presence Theory erfolgt nun die Herleitung des zweiten Interaktionseffektes.
Das häufig vom Nachfrager wahrgenommene Risiko bei Kauf einer touristischen Leistung ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei touristischen Gütern um Erfahrungsgüter handelt, die vor dem Kauf nicht getestet werden können (Aichner et al., 2019, S. 2). Die Qualitätsbeurteilung vor dem Kauf erweist sich dadurch als schwierig und stellt die Kernursache für Unsicherheiten dar (Mitchell, 1999, S. 164). Das Risiko nicht die gewünschte Leistung zu erhalten und der mit einer Fehlentscheidung verbundene hohe Geldverlust beeinflussen daher den Konsumenten in seiner Risikowahrnehmung (Jacoby & Kaplan, 1972, S. 2; Jung & Cho, 2015, S. 1). Zwar existieren nach der Theorie des wahrgenommenen Risikos einige Methoden, die zur Risikosenkung beitragen können, diese lassen sich bei touristischen Gütern jedoch nur eingeschränkt anwenden (Cox & Rich, 1964, S. 34). Qualitätsdefizite eines Sachgutes können beispielsweise durch Umtausch oder Nachbesserung beseitigt werden, was wiederum zu einem sinkenden wahrgenommenen Risiko führt. Ein angetretener Urlaub kann jedoch nicht ohne Weiteres umgetauscht werden (Bruhn & Hadwich, 2004, S. 8 f.). Eine weitere Methode der Risikosenkung ist die Bereitstellung zusätzlicher Informationen, sodass sich Konsumenten ein besseres Bild vom Produkt machen können und damit einhergehend eine bessere Qualitätsbeurteilung möglich ist (Mitchell, 1999, S. 164; Taylor, 1974, S. 54). Darauf aufbauend wird wie bereits bei der Herleitung des direkten Effektes angenommen, dass ein hoher Bewegungsradius durch eine detaillierte und genauere Betrachtung des touristischen Gutes zu einer höheren Informationsgewinnung und -verarbeitung führt.
Darüber hinaus wird angenommen, dass der zusätzliche Einsatz des Voice Assistant zu einer Verstärkung des Effektes führt. Dieser Zusammenhang lässt sich mit Hilfe der Social Presence Theory erklären. Durch die Einbettung verschiedener sozialer Hinweise in einer Technologie kann aufbauend auf der Social Presence Theory das Gefühl menschlichen Kontakts und menschlicher Nähe vermittelt werden und sich somit auf das Vertrauen auswirken (Gefen & Straub, 2004, S. 412; Hassanein & Head, 2005, S. 32). Das Vertrauen wiederum führt zu einer Risikosenkung (Kim et al., 2008, S. 554). Um den Nachfrager soziale Hinweise zu liefern, dienen unter anderem in Form von Chats, intelligenten Agenten oder z.B. durch den Einsatz von Audio- und Videodateien in die Technologie (Biocca & Burgoon, 2003, S. 1). Auch hier wird angenommen, dass der Einsatz eines Voice Assistant zu einer Risikosenkung aufgrund der zusätzlichen Informationsbereitstellung sowie durch die Vermittlung sozialer Hinweise führt. Diese Vermutung deckt sich mit den Ergebnissen von Studien, die einen signifikanten Einfluss der sozialen Präsenz auf das wahrgenommene Risiko nachweisen (Dash & Saji, 2007, S. 44).


Prof. Dr. Stephanie Huber ist seit September 2013 Professorin im Fachbereich Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Technik Stuttgart. Zuvor arbeitete Frau Prof. Huber als Consultant und später als Senior Consultant bei der Strategie- und Managementberatung 2hm & Associates GmbH (heute 2HMforum) in Mainz. Das Interesse von Frau Prof. Huber liegt einerseits auf quantitativen Marktforschungsstudien zu den Themen Customer Experience, Usability und Markenkommunikation, andererseits forscht die Autorin zusätzlich über die Themen Stadt der Zukunft, nachhaltige Mobilität und den Einsatz neuer Technologien (z. B. Virtual Reality). Frau Prof. Huber hat mittlerweile zahlreiche Artikel in internationalen und nationalen Zeitschriften veröffentlicht und hält regelmäßig Vorträge auf nationalen und internationalen Konferenzen.

Mara F. Ortner, M. Sc. Ist seit Oktober 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Marketing I der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Das Interesse von Frau Ortner liegt auf quantitativen Marktforschungsstudien zum Einfluss neuer Technologien, insbesondere Virtual Reality, auf das Verhalten von Konsumenten. Hierzu hat Frau Ortner in den letzten Jahren mehrere Vorträge auf internationalen und nationalen Marketingkonferenzen gehalten.

Chrysoula Deligianni, M. Sc ist ehemalige Masterkandidatin am Lehrstuhl für Marketing I und Masterabsolventin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Frau Deligianni hat während ihres Studiums bereits als Werkstudentin im Bereich Digitalisierung gearbeitet.


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