Ittermann | Betriebliche Partizipation in Unternehmen der Neuen Medien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 314 Seiten

Reihe: Arbeit - Interessen - Partizipation

Ittermann Betriebliche Partizipation in Unternehmen der Neuen Medien

Innovative Formen der Beteiligung auf dem Prüfstand

E-Book, Deutsch, Band 6, 314 Seiten

Reihe: Arbeit - Interessen - Partizipation

ISBN: 978-3-593-40560-5
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Unternehmen der New Economy galten als Vorreiter bei der Entwicklung innovativer Formen der Partizipation und Interessenregulierung. Peter Ittermann beleuchtet die spezifischen Muster dieser Modelle. Angesichts neuer Marktanforderungen, Insolvenzen und bedrohter Arbeitsplätze stellt sich dabei die Frage: Können sie sich auch in Krisenzeiten und im Zuge wachsender Professionalisierung bewähren?
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Danksagung9

1 Einleitung11
1.1 Fragestellungen und Bezugsrahmen12
1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit15

2 Partizipation und Mitbestimmung in der Wissensgesellschaft21
2.1 Begriffliche Bestimmungen von Partizipation und Mitbestimmung22
2.2 Wandel der betrieblichen Partizipationsstrukturen in der Wissensgesellschaft31
2.3 Die Neue-Medien-Unternehmen im Zentrum der Diskurse um innovative Partizipationsformen44
2.4 Wandel betrieblicher Partizipationsstrukturen in der Theoriebildung der Industrial-Relations-Forschung63

3 Betriebliche Sozialordnungen und Partizipationsstrukturen74
3.1 Der Betrieb als soziale Organisation74
3.2 Das Konzept betrieblicher Sozialordnungen76
3.3 Konzeptionelle Bezugspunkte96

4 Fallstudien in Neue-Medien-Unternehmen117
4.1 Übersicht über das Sample117
4.2 Kontextbedingungen der Neue-Medien-Unternehmen129

5 Betriebliche Sozialordnungen und Partizipationsstrukturen aus Managementperspektive139
5.1 Entwicklungsperspektiven der ›verschworenen Gemeinschaften‹ in den Neue-Medien-Unternehmen140
5.2 Spannungsfelder in der Gestaltung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen147
5.3 Betriebliche Partizipationspraktiken in den Neue-Medien-Unternehmen176
5.4 Zwischenfazit191

6 Betriebliche Sozialordnungen und Partizipationsstrukturen aus Beschäftigtensicht193
6.1 Befragung von Beschäftigten in ›betriebsratslosen‹ Neue-Medien-Unternehmen194
6.2 Handlungsorientierungen der Wissensarbeiter198
6.3 Zwischenfazit225
6.4 Partizipationsangebote in den Unternehmen aus Sicht der Beschäftigten226
6.5 Selbstvertretungspräferenzen der Beschäftigten in den Neue-Medien-Unternehmen235
6.6 Zwischenfazit245

7 Betriebsräte in den Neue-Medien-Unternehmen249
7.1 Hintergründe der Betriebsratsgründungen250
7.2 Strukturelle Merkmale und zentrale Handlungsfelder der Betriebsratsarbeit254
7.3 Interaktionsmuster von Betriebsrat und Management261
7.4 Betriebliche Mitbestimmung und die Interessenlagen der Beschäftigten268
7.5 Zwischenfazit274

8 Fazit und Ausblick276
8.1 Selbstvertretung als strukturprägendes Muster in den Neue-Medien-Unternehmen278
8.2 Spannungsfelder in den betrieblichen Sozialordnungen der Neue-Medien-Unternehmen283
8.3 Schlussfolgerungen und Ausblick286

Tabellenverzeichnis2942
Abbildungsverzeichnis293
Literatur294


5 Betriebliche Sozialordnungen und Partizipationsstrukturen aus Managementperspektive

Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen die Befunde zur Ausgestaltung von betrieblichen Sozialordnungen und Partizipationsstrukturen in den Fallstudienunternehmen. Dabei kann gezeigt werden, wie sich auf der Basis wissensintensiver und projektförmiger Arbeitszusammenhänge in den jüngeren und kleineren Start-up-Unternehmen zunächst gemeinschaftlich und beruflich geprägte Sozialordnungsmuster herausgebildet haben, die dem Leitmodell des "we-are-family" (politik-digital.de 2001) folgten. Diese Muster bildeten die Basis für die Implementierung umfassender Partizipationskulturen, die sich in der gering formalisierten, direkten und weitreichenden Einbeziehung der Beschäftigten an arbeits- und organisationsbezogenen Entscheidungen äußerten und in den Sozialbeziehungen strukturell verankert waren. Die verschärften Marktanforderungen und Organisationserfordernisse sprechen jedoch für veränderte Kontextbedingungen, die Spannungsverhältnisse in den eingespielten Sozialbeziehungen und Partizipationsmuster erzeugen. Dies führt zum einen zu der Frage, inwieweit zentrale sozialintegrative Elemente der Arbeitsbeziehungen angesichts neuer markt- und organisationszentrierter Steuerungsmechanismen aufgegeben werden. Zum anderen richtet sich der Blick auf die möglichen Veränderungen in den Beteiligungskulturen und einer neuen Ausrichtung am "Primat der Wirtschaftlichkeit" (Dörre 2002: 27; vgl. Boes/Marrs 2003; Wolf 2003), bei der Partizipationspraktiken von der Managementseite beeinflusst, eingeschränkt oder instrumentalisiert werden. In diesem Kapitel wird die Sichtweise des Managements in den Neue-Medien-Unternehmen aufgearbeitet, im folgenden Kapitel 6 wird die Beschäftigtenperspektive vorgestellt.

5.1 Entwicklungsperspektiven der ›verschworenen Gemeinschaften‹ in den Neue-Medien-Unternehmen

5.1.1 Herausbildung familiär und beruflich strukturierter Sozialordnungen in der Gründungsphase

In der Charakterisierung der spezifischen Arbeits- und Organisationskulturen in Unternehmen der New Economy ist häufig die Metapher der ›Betriebsfamilie‹ (vgl. Trinczek 2004: 194; vgl. politik-digital.de 2001; Boes/ Baukrowitz 2002) verwendet worden. Diese zeichnet sich durch einen hohen gemeinschaftlichen Grundkonsens der Interessen- und Wertorientierungen, vertrauensbasierte Sozialbeziehungen sowie spezifische Symbole, Riten und Rituale (wie Arbeitskultur, Betriebsfeste und gemeinsame Freizeitaktivitäten) aus. Diese Merkmale finden sich auch in den Selbstdarstellungen der Neue-Medien-Unternehmen, wenn die Herausbildung von gemeinschaftlichen Ordnungen in der Gründungsphase skizziert wird:
"Gerade 1997/1998, als ich hier angefangen habe, hatte das Unternehmen eher den Flair einer großen WG. Projekte machte man halt und schaute am Ende, wie viel Geld in der Kasse war. Direktes Controlling gab es damals nicht und es war alles einfach. Eine sehr lockere, familiäre Atmosphäre." (AL-MID3)
"Und es war so, die Firma war ja noch relativ klein, und es war wie eine Familie für die meisten. Man kam vielleicht später, blieb dann aber bis in die Puppen, danach wurden noch Videos geguckt oder man ging in die Kneipe oder so. Also, das Leben ging völlig übergangslos von einem Status in den anderen." (MA3-SIT4)
In den Aussagen zur ›WG‹ oder ›Familie‹ spiegeln sich die familiär geprägten Betriebsgemeinschaften wider, die durch einen engen Zusammenhalt, eine lockere Arbeitsatmosphäre und der Durchdringung von betrieblicher und außerbetrieblicher Lebenswelt gekennzeichnet sind. In der Darstellung der Sozialbeziehungen während der Anfangs- und Boomphase der New Economy zeigen die Neue-Medien-Unternehmen viele Übereinstimmungen auf. In den Folgejahren führten die wachstums- und krisenbedingten Veränderungsprozesse zu einer stärkeren Professionalisierung in der betrieblichen Leistungserstellung, die den veränderten Ansprüchen der betrieblichen Akteure, aber auch den Erwartungen aus dem Umfeld besser gerecht werden sollte. In der Konsequenz wurden die "Turnschuh-Mentalität … immer mehr abgestreift" (TL-MID1) und Anpassungen in den Formalstrukturen vorgenommen. Im Zuge dieser Entwicklungen relativierte sich das ›Familienbild‹ der innerbetrieblichen Sozialbeziehungen, ohne jedoch die gemeinschaftlich geprägte, "spezifische Unternehmenskultur" (TL-MID1) aufzugeben:
"Aus der großen Familie wurde ein großes Unternehmen." (BR-MID3)
"Sagen wir mal so, dieses ›eine Familie‹ war früher noch wesentlich ausgeprägter bei uns. Das ist jetzt inzwischen dadurch, dass wir so groß geworden sind, nicht mehr ganz so. Aber es ist sozusagen schon noch irgendwie so'n Feeling da. Was das unheimlich fördert, sind so Weihnachtsfeste und Sommerfeste. … Wenn man plötzlich alle Leute in einem Saal sieht und sich denkt ›Oh, Mann‹ … Und vor allem, es sind ja wirklich alles völlig besondere Leute." (AL2-SIT2)
Zwar haben die veränderten Kontextbedingungen ohne Zweifel ihre Spuren in den Unternehmen hinterlassen, jedoch zeigen sich insgesamt wenige Anzeichen, die auf eine deutliche Entsolidarisierung und grundlegende Umbrüche in der Unternehmenskultur hindeuten. Gravierende Differenzen zwischen den Unternehmen zeichnen sich auch nicht aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen ab. So weisen eines der nachhaltig wachsenden (SIT2) und eines der wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen (SIT4) in den betrieblichen Sozialordnungen eher deutliche Parallelen als signifikante Unterschiede auf. Die Unternehmen halten trotz - oder aufgrund - der Krisenerfahrungen und gestiegenen Marktanforderungen an vielen Elementen der gewachsenen Sozialordnungen fest. Zur gemeinschaftlichen Grundkultur zählen die Managementvertreter eine ansprechende Arbeitsatmosphäre, weite Freiräume in der Arbeitsgestaltung der Beschäftigten, eine ausgeprägte Informationspolitik, gemeinsame Rituale sowie eine Vielzahl weiterer Aktivitäten.
"Es äußert sich in bestimmten Angeboten, die das Unternehmen seinen Mitarbeitern macht. Das sind periodische Informationsveranstaltungen, die andere vielleicht Betriebsversammlungen nennen, die das Management anbietet, um über die aktuelle Lage des Betriebes zu unterrichten. Es äußert sich in Ritualen, die gepflegt werden. Es äußert sich in der Ausstattung mit Sachmitteln, in den Arbeitsbedingungen … Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, von denen man ableiten kann, dass es der Betriebsleitung wichtig ist, dass die Mitarbeiter sich wohlfühlen und dafür wird auch Geld investiert." (GF-MID3)
Die hohe Bedeutung der gemeinschaftlichen Sozialbeziehungen zeigt sich darin, dass die Geschäftsführungen das Ziel verfolgen, "ein angenehmes Klima und eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen" (AL1-SIT2). Dadurch sollen den Beschäftigten Gestaltungsräume und Entfaltungsmöglichkeiten in der eigenen Arbeit eröffnet werden, um ihnen eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die "man selten woanders findet" (AL2-SIT2) und die durch ansprechende Aufgaben und eine hohe Wertschätzung der beruflichen Orientierung geprägt ist. Hierbei kommt ein weiteres Element der Sozialordnungen zum Tragen, die neben der gemeinschaftlichen Beziehung von den spezifischen Arbeitsinhalten und der beruflichen ›Passion‹ der Wissensarbeiter geprägt sind:
"Sie müssen sehen, dass wir bei unseren Mitarbeitern einen hohen Anteil Grafikdesigner haben. Ich glaube, dass dieser Teil der Belegschaft bei uns einen Ort findet, in dem er seine Profession - oder seine Passion, würde ich sagen - einbringen kann. Und auch noch davon leben kann. Sie haben ein intrinsisches Motiv, das natürlich von Projekt zu Projekt variiert, aber es ist grundsätzlich das Thema Corporate Design und sich darin zu betätigen. Sie tun es hier einfach gerne. Ich glaube, das Thema würden sie auch bei anderen Agenturen finden …, aber möglicherweise nicht die Wertschätzung dieses Themas." (GF-MID3)
In der beruflichen Orientierung besteht ein zentrales Merkmal der Übereinkunft der betrieblichen Akteure. So wird eine berufsorientierte Kultur gepflegt, "wo man verstanden wird, wo die Leute ähnlich denken, fühlen, was auch immer, wie man selbst" (GF-SIT1). In den Unternehmen wird großer Wert auf Kooperation, gegenseitige Unterstützung und Ansprechbarkeit der Mitarbeiter bei Problemstellungen gelegt. Dabei wird eine Voraussetzung der Aufrechterhaltung der gemeinschaftlichen Sozialordnung in der Bereitschaft gesehen, "Wissen zu teilen" (TL1-SIT1). Die Anhäufung von ›Herrschaftswissen‹ einzelner Beschäftigter soll vermieden und die Bereitschaft zum Informationsaustausch gefördert werden: "Es existiert eine ungemein offene Atmosphäre auf einer fachlichen Ebene." (PA-SIT1) Die Integrationsfähigkeit der Beschäftigten spielt auch bei der Personalrekrutierung eine entscheidende Rolle:
"All diese typischen arbeitsplatzerhaltenden Maßnahmen, Herrschaftswissen usw. anzuhäufen, die erkenne ich hier nicht. Das mag daran liegen, dass wir uns sehr genau anschauen, welche Mitarbeiter wir einstellen. Also dieser ›Mind-Set‹ ist dann sicherlich durch die Personalauswahl auch schon vorhanden, aber die Leute, die hier reinkommen, kommen einfach nicht umhin, sich der Kultur anzuschließen. Das ist einfach das Gesetz der Masse. Wenn Sie einer gegen 71 sind, und 71 sind hilfsbereit und einer ist es nicht, dann hat der früher oder später ein Problem." (GF-SIT5)


Peter Ittermann, Dr. rer. soc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Technischen Universität Dortmund.


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