Jr. | Sternengraben | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 360 Seiten

Reihe: Sämtliche Erzählungen

Jr. Sternengraben

Sämtliche Erzählungen, Band 6
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-903061-32-3
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Sämtliche Erzählungen, Band 6

E-Book, Deutsch, Band 6, 360 Seiten

Reihe: Sämtliche Erzählungen

ISBN: 978-3-903061-32-3
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Außerirdische Studierende recherchieren in einer Universitätsbibliothek der fernen Zukunft für ein Projekt zur Historie der Menschheit die Geschichten rund um den Sternengraben. Zum Beispiel über eine eigensinnige Ausreißerin im Teenageralter, die Erstkontakt mit einem seltsamen außerirdischen Volk herstellt, oder die Crew eines Forschungsschiffs, die für die Menschheit eintreten muss, um einen interstellaren Krieg zu verhindern. Und über einen ehemaligen Soldaten, der als Abschleppunternehmer im Weltall tätig ist. Eines Tages rettet er eine Yacht vor Sklavenhändlern. An Bord ist seine Jugendliebe, aber während er durch den Kälteschlaf bei seinen vielen Unterlichtflügen körperlich dreißig Jahre alt geblieben ist, hat sie schon hundert gelebte Jahre hinter sich und ist eine alte Frau. Bei der Verfolgung der Sklavenhändler entdeckt er einen exakten Klon seiner Jugendliebe. Welcher dieser Frauen gehört seine Liebe? Der alten, mit der er wichtige Erinnerungen teilt? Oder der jungen, deren Körper ihn noch immer so anzieht wie früher?

James Tiptree Jr. (1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden. Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein. Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Die erste Geschichte

Das einzig Vernünftige

Helden des Weltalls! Erkunder der Sternfelder!

Leser, hier kommt Ihr Problem:

Angenommen, wir haben einen Teenager, blond, Stupsnase, Sommersprossen, grüne Augen mit gelassenem Blick, reiche Eltern, weiblich, fünfzehn. Und seit die Kleine alt genug war, einen Holoknopf zu drücken, träumt sie nur noch von den Helden des Erstkontakts, den Erforschern der fernen Sterne, den großen Namen des aufkeimenden Sternzeitalters der Menschheit. Sie kann Ihnen die Namen der Crew jeder Forschungsmission nennen; sie kann Ihnen eine ziemlich genaue Karte des Gebiets der Föderation zeichnen und die Grenzstützpunkte aufzählen; sie kann Ihnen sagen, wer jeder einzelne der rund fünfzig bekannten Zivilisationen zum ersten Mal begegnet ist, und sie weiß die letzten Worte von Han Lu Han auswendig, als er, ebenfalls kaum sechzehn, auf Lyrae 91-Beta durch Flammenstrahlen der Außerirdischen gerannt ist, um seinen Captain und Piloten in Sicherheit zu zerren. Mathe kann sie auch gut; es fällt ihr leicht. Sie treibt sich oft im Raumhafen herum, wo sie sich mit jedem, der sich auf ein Gespräch einlässt, anfreundet und mal mitfliegen möchte, und sie ist mit den Steuerelementen von vierzehn Schiffstypen vertraut. Sie ist eine Spätentwicklerin, was bedeutet, dass sie mit ihren winzig kleinen Brüsten leicht als Junge durchgehen könnte; und Liebe, große Liebe, ist für sie trotz Sexualkundeunterricht bloß Erwachsenenkram. Dafür schafft sie es in glatten siebzig Sekunden in ihren Kinder-Raumanzug, inklusive Sicherungshaken.

Nun nehmen wir dieses Mädchen, diese Coati Cass - ihr vollständiger Name lautet Coatillia Canada Cass, aber alle sagen Coati zu ihr -

Und wir schenken ihr zum sechzehnten Geburtstag einen robusten kleinen Weltraumflitzer.

Jetzt das Problem:

Düst sie damit im sternenübersäten Heimatsektor herum und besucht ihre Klassenkameraden und Freunde der Familie, wovon ihre Mutter ausgeht? Kurvt sie dabei ab und zu angeberisch an ein, zwei Vortex-Leuchtfeuern vorbei, wie ihr Vater befürchtet?

Tut sie das? Ernsthaft?

Oder - fliegt sie direkt zur nächsten Schiffswerkstatt und verballert fast ihr gesamtes Sparguthaben für zusätzliche Treibstofftanks und Sensoren mit hoher Reichweite, tankt ihren Flitzer randvoll und verduftet dann - bevor der Finanzberater der Familie irgendwie nachhaken kann - zum nächsten Grenzgebiet der Föderation, also zum Großen Nordgraben gleich hinter FedBase 900, von wo aus man sich mal richtige unbekannte Weiten und Sterne anschauen kann?

Das war kein besonders schwieriges Problem, oder?

Exec - der Leiter von FedBase 900 - sieht zu, wie der Blondschopf den großen Aussichtsgang hinunterhüpft.

»Wir sollten ihre Eltern per kostenpflichtigem c-Sprung-Telegramm verständigen«, brummelt er. »Die können sich das bestimmt leisten.«

»Auf welcher Grundlage?«, fragt sein Deputy - sein Stellvertreter.

Sie sehen beide zu, wie die kleine straffe Gestalt davonmarschiert. Ein hochgewachsener Captain der Patrouille kommt im Gedränge an ihr vorbei; sie sehen, wie die Kleine herumwirbelt und ihm nachschaut, nicht mit fraulicher Wertschätzung, sondern mit der großäugigen, ungehemmten Bewunderung eines Kindes. Dann dreht sie sich wieder zu der prächtig funkelnden Aussicht jenseits des Hafens um. Das Ende des Grabens lässt sich von dieser Seite des Asteroiden, in den der Stützpunkt hineingetrieben worden ist, gerade noch erkennen.

»Auf der Grundlage meiner leisen Ahnung, dass diese Minderjährige in Schwierigkeiten geraten wird und bloß noch den geeigneten Ort dafür sucht«, sagt Exec betrübt. »Aufgrund der Tatsache, dass ich ihr ihre Geschichte nicht recht abnehme. Also die Papiere werden schon in Ordnung sein; das Schiff gehört ihr zweifelsohne, und sie kann auch damit umgehen und kennt die Vorschriften; und es steht ihr auch rechtmäßig zu, eine Freigabe für ihren Zielort zu bekommen - in ein paar Tagen. Aber ich kann nicht glauben, dass ihre Eltern damit einverstanden gewesen sind, dass sie hier rausgezischt kommt, bloß um mal einen Blick auf unbekannte Sterne zu werfen … Auf der Grundlage dessen, dass diese Leute, falls doch, unzurechnungsfähige Schwachköpfe sind. Wenn das meine Tochter wäre …«

Er verstummt. Er weiß, dass er übertrieben emotional reagiert; es gibt keinen hinreichenden Grund, ihre Familie zu verständigen.

»Die sind bestimmt einverstanden gewesen«, sagt sein Deputy besänftigend. »Schauen Sie sich diese zusätzlichen Treibstofftanks und Fernraumsensoren an, die sie ihr geschenkt haben.«

(Wirklich gelogen hat Coati nicht. Sondern nur erklärt, dass ihre Eltern keinerlei Einwände dagegen erhoben hätten, dass sie hier herkommt - was stimmt, weil die beiden nicht im Traum auf diese Idee gekommen wären -, und dann hat sie unschuldig hinzugefügt: »Sehen Sie die zusätzlichen Treibstofftanks, damit ich problemlos von langen Ausflügen wieder nach Hause komme? Ach so, Sir, ich hab ihr den Namen CC-One gegeben; oder klingt das vielleicht zu offiziell?«

Exec beendet das Thema mit einem pessimistischen Grunzen, und sie kehren wieder in sein Büro zurück, wo der Captain der Patrouille wartet. Das beste Depotversorgungsteam von FedBase 900 ist lange überfällig, und es wird Zeit, die Leute offiziell für vermisst zu erklären und eine Suche einzuleiten.

Coati Cass durchquert derweil die Oberflächenabschnitte der Basis Richtung Tankhafen. Sie musste hier landen, um sich eine Freigabe sowie die Holokarten des Grenzgebiets zu besorgen, und sie kann ihre Tanks nachfüllen lassen. Wären die Karten nicht gewesen, hätte sie es vielleicht riskiert, einfach gleich ganz hinauszufliegen, aus lauter Angst, dass man sie aufhalten würde. Aber nun hat sie ihre Freigabe und genießt ihren ersten flüchtigen Blick auf eine der schicken Fernbasen der Föderation - Hauptsache, es verzögert nicht den Abflug zu ihrem Ziel, ihrem eigentlichen Ziel, von dem sie schon so lange träumt: der freie, unerforschte Raum und unbekannte, namenlose Sterne.

Fernbasen sind schick; die Föderation hat auf die harte Tour gelernt, dass solche Stationen angenehm und der geistigen Gesundheit förderlich sein müssen. Je weiter draußen ein Stützpunkt also liegt, und je längere Dienstzeiten angesetzt sind, desto mehr Geld wird in Einrichtung und Unterhalt gesteckt. FedBase 900 erstreckt sich zum Großteil innerhalb eines großen, atmosphärelosen Felsens mit langer Umlaufbahn; dennoch verfügt sie über Gärten und Pools, die den Neid eines der reichsten Bürger der Welt hervorrufen könnten. Coati sieht Werbeplakate für das kleine Kino, auf denen Erstaufführungen und Konzerte angekündigt werden, die für das Stationspersonal komplett kostenlos sind; und sie kommt an einem halben Dutzend verschiedener exotischer kleiner Restaurants vorbei. Im Felsinneren weist die Karte Sportplätze und Orchesterpavillons aus, großzügige Wohnanlagen und kilometerweite gewundene Gänge, die alle hübsch bepflanzt und gestaltet sind, weil man herausgefunden hat, dass sich der Stress erheblich reduzieren lässt, wenn den Leuten für ihre Arbeitswege genügend alternative, wenig überlaufene Strecken zur Verfügung stehen.

Die Errichtung eines Fernstützpunkts ist komplett Sache der Föderation. Aber damit wird die eine unersetzliche Ressource der Föderation bewahrt - ihr Volk. Hier auf FedBase 900 sind vor allem Menschen vertreten, da sich die anderen vier raumfahrenden Zivilisationen auf den Süden und Osten der Föderation konzentrieren. So weit im Norden hat Coati nur einmal ein außerirdisches Pärchen gesehen, beides Swain; ihre grünliche Rüstung ist ihr von zu Hause vom Weltraumhafen her vertraut. Richtig fremdartige Aliens wird sie hier nicht finden.

Aber was - und wer - lebt dort draußen am Rand des Grabens, oder sogar noch weiter draußen, an seinen unbekannten Ufern? Coati bleibt für einen letzten Blick stehen, dann biegt sie in den Hafen für Kraftstoffe und Proviant ab. Von hier aus kann sie den Graben wirklich sehen; wie eine seltsame, unregelmäßige schwarze Wolke zieht er sich über den nördlichen Zenit.

Der Graben ist natürlich nicht völlig dunkel. Es handelt sich nur um ein Gebiet, das verhältnismäßig wenige Sterne enthält. Für die Wissenschaftler stellt das kein großes Rätsel dar; eine stehende Welle oder Turbulenz in der Verteilungsstruktur, eine verirrte Anballung derselben Gefälle, die auch die Spiralarme der Galaxis mit den Lücken dazwischen erschaffen haben. In den unbewohnten Gebieten des Sternfelds sieht man viele solcher Gräben. Dieser hier taugt nur zufällig zugleich als Nordgrenze für die unregelmäßige Kugel des föderalen Raums.

Hier und da sind Forschungsschiffe in ihn vorgedrungen - weit genug, um zu wissen, dass drüben auf der anderen Seite wieder die übliche Verteilung von Sternsystemen einsetzt. Man hat einige Sterne erspäht, die wahrscheinlich Planeten aufweisen, und ein- oder zweimal etwas hereinbekommen, das Funksignale von weit entfernten Zivilisationen gewesen sein könnten. Aber nichts und niemand ist je von der anderen Seite herübergekommen, und inzwischen hat die Föderation der Fünfzig Völker genug mit ihrer sukzessiven Süd- und Osterweiterung zu tun, als dass sie noch neue Kontakte auftun müsste. Also hat man den Graben praktisch unberührt gelassen. Und dank seiner Nähe konnte Coati rasch von ihrem zentral gelegenen Heimatplaneten Cayman’s Port in echtes Grenzgebiet gelangen.

Sie schenkt dem Graben einen letzten schmachtenden Blick und verschwindet im Umkleidegang, wo ihr kleiner Anzug zwischen denen der richtigen Raumfahrer hängt. Von hier tritt sie auf ein Deck an der...


James Tiptree Jr. (1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden.
Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein.
Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.



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