Praxis und Kritik der Psychotherapie mit LSD, Psilocybin und MDMA
E-Book, Deutsch, 425 Seiten
ISBN: 978-3-456-94606-1
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Zielgruppe
Psychologen, Psychiater, Suchttherapeuten, Beratungsstellen
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Pharmakotherapie, Psychopharmakotherapie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Gesundheitspsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Bewusstseinszustände Hypnose, Psychopharmaka-induzierte Bewusstseinszustände
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Vorwort;8
3;Geleitwort: Nachdenken über Psychotherapien und Psychotherapeuten;10
3.1;Ein Nachdenken stiftendes Buch;10
3.2;Der lehrreiche Stillstand und dessen therapeutisches Durchdringen;11
3.3;Der Stellenwert des Leidens im therapeutischen Ethos;12
3.4;Vielheit des Selbst;14
3.5;Kartographie des Außer-sich-seins;15
3.6;Die Wertbezogenheit von Schicht-, Stufen-, Regressions- und Dissoziationsmodellen;18
3.7;Entpathologisierung des Dissoziativen;19
3.8;Die simplifizierende Vereinnahmung des Transzendentalen;19
4;Die Professionalisierung Substanz-unterstützter Psychotherapie (SPT);22
4.1;Ein Neuanfang;22
4.2;Potenzial und Sicherheit;25
4.3;Paradigmen im Zusammenhang mit bewusstseinsverändernden Substanzen;27
4.4;Terminologie;29
4.5;Die Effekte der Halluzinogene und Entaktogene in der Psychotherapie;29
4.6;Spannungsfeld: Wissenschaftlichkeit und Praxis;32
4.7;Substanz-unterstützte Psychotherapie und der gesellschaftliche Diskurs über „Drogen“;40
4.8;Leitbild der Substanz-unterstützten Psychotherapie;41
5;Regeln und Standards in der Substanzunterstützten Psychotherapie (SPT);42
5.1;1.Entwicklungen und Antagonismen;42
5.2;2. Ziele und Methode der vorliegenden Studie;47
5.3;3. Regelkultur und Einstellungen;48
5.4;4. Die Setting-Gestaltung in der Substanzunterstützten;61
5.5;Psychotherapie;61
5.6;5. Entwicklungsphasen: Reflexion und Selbstkritik;91
5.7;Schlussfolgerung und Ausblick;108
6;Neurobiologie der Halluzinogenerfahrung;112
6.1;Einleitung;112
6.2;Phänomenologie Halluzinogen-induzierter Wachbewusstseinszustände (ASC);112
6.3;Quantifizierung Halluzinogen-induzierter Wachbewusstseinszustände;117
6.4;Neuronale Korrelate der Ich-Selbst-Auflösung;119
6.5;Neuropharmakologie der Halluzinogene;126
6.6;Synopsis und Ausblick;129
6.7;Danksagung;130
7;Indikationen und Kontraindikationen der Substanz-unterstützten Psychotherapie;132
7.1;1. Einleitung;132
7.2;2.1. Psychiatrisch-psychotherapeutische Indikationen für MDMA-unterstützte Psychotherapie;134
7.3;2.2. Allgemeine und „weiche“ Indikationen für den Einsatz von MDMA;139
7.4;2.3. Kontraindikationen und Nebenwirkungen von MDMA-unterstützter Psychotherapie;140
7.5;3.1. Indikationen für Halluzinogen-unterstützte Psychotherapie;141
7.6;3.2. Allgemeine Indikationen für Halluzinogenunterstützte Psychotherapie;143
7.7;3.3. Kontraindikationen und Nebenwirkungen von LSD und Psilocybin;144
7.8;4. Ausbildung von Psychotherapeuten;144
7.9;5. Differenzielle Indikation und Behandlungsmodelle;145
7.10;Ausblick;147
8;Risiken und Nebenwirkungen von LSD, Psilocybin und MDMA in der Psychotherapie;148
8.1;1. Einleitung;148
8.2;2. Halluzinogene;149
8.3;3. Entaktogene;158
8.4;4. Schlussfolgerung und Zukunftsperspektiven;164
9;Heilungsprozesse im veränderten Bewusstsein: Elemente psycholytischer Therapieerfahrung aus der Sicht von Patienten;166
9.1;1. Einleitung;166
9.2;2. Design der Interview-Studie und methodisches Vorgehen;169
9.3;3. Ergebnisse der Interviewstudie;172
9.4;4. Schlussfolgerungen;192
10;MDMA bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS);196
10.1;1. Einführung;196
10.2;2. Wozu eine MDMA-unterstützte Therapie für posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)?;197
10.3;3. Vergleich mit anderen Formen der Psychotherapie;199
10.4;4. Elemente des MDMA-unterstützten therapeutischen Prozesses;203
10.5;5. Die laufende Therapiestudie: Klinische Phase IIStudie zur Überprüfung der Wirksamkeit von MDMA-unterstützter Psychotherapie bei Personen mit chronischer PTBS;211
10.6;6. Wirkmechanismen;222
10.7;7. Die Zukunft von MDMA als therapeutisches Heilmittel;223
11;Psychedelika-unterstützte Suchttherapien;224
11.1;Suchttherapien mit LSD;225
11.2;Tryptamin-unterstützte Suchttherapien;228
11.3;Ibogain-unterstützte Suchttherapien;229
11.4;Hybride und synkretistische Ansätze in der Suchtbehandlung (mit Ayahuasca und Meskalin);230
11.5;Ketamin-unterstützte Suchttherapien;232
11.6;Schlussfolgerung;236
12;Substanz-unterstützte Psychotherapie am Lebensende? Forschung mit Psilocybin bei Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium;238
12.1;Einführung;238
12.2;Frühere Psychedelika-Forschung an Krebspatienten;239
12.3;Psilocybin;240
12.4;Die aktuelle Psilocybinforschung;241
12.5;Psilocybin-Behandlung bei Krebsangst am Harbor-UCLA Medical Center;242
12.6;Fallskizze;244
12.7;Bedeutung für die Psychoonkologie;245
12.8;Schlussfolgerung;247
13;Über verschiedene therapeutische Rollen bei der Arbeit mit psychoaktiven Substanzen;250
13.1;Einleitung;250
13.2;Rolle versus Person des Therapeuten;252
13.3;Die Therapeutenrolle;254
13.4;Die Vorbild-Rolle;256
13.5;Die Rolle des “Wartenden und Begleitenden”;258
13.6;Die Lehrerrolle;259
13.7;Der spirituelle Begleiter;260
13.8;Über die Wertung der Rollen, Potenziale und Risiken;262
14;Bedeutung und Variationen des „Settings“ in der Substanz-unterstützten Psychotherapie;264
14.1;1. Einleitung;264
14.2;2. Definition der Begriffe “Set” und “Setting”;266
14.3;3. Rezeptive und aktive Settingformen;266
14.4;4. Merkmale und Strukturen verschiedener Settings;268
15;Die Beeinflussung substanzinduzierter veränderter Bewusstseinszustände durch Musik und Stille;282
15.1;1. Einleitung;282
15.2;2. Stellungnahmen von Mitgliedern der SÄPT zu Musik und Stille bei der Therapie mit psychoaktiven Substanzen;283
15.3;3. Zusammenfassende Betrachtung der Interviews in Bezug auf Therapiemusik;295
16;Integration und Krisenintervention;300
16.1;1. Einleitung;300
16.2;2. Die transpersonale Dimension des Selbst als geglückte Introspektion;302
16.3; 3. Analytische, psycholytische,und psychidelische Prozesse in der Substanz-unterstützten Psychotherapie;306
16.4;4. Einige “Werkzeuge“ der Integrationsarbeit;309
16.5;5. Komplikationen während und nach den psychedelischen Sitzungen, die besondere Interventionen erforderlich machen;310
17;Der Eigengebrauch psychoaktiver Substanzen durch Ärzte und Psychologen – Bezüge zur Substanzunterstützten Psychotherapie;316
17.1;1. Einleitung;316
17.2;2. Zur Bedeutung des Eigengebrauchs psychoaktiver Substanzen in ärztlich-therapeutischen Kontexten;317
17.3;3. Medizinhistorische Aspekte;318
17.4;4. Sample und Methodik;320
17.5;5. Häufigkeiten des Substanzgebrauchs;321
17.6;6. Kontexte des Substanzgebrauchs;322
17.7;7. Bedeutungen des Substanzgebrauches für die professionelle Identität und den beruflichen Kontext;326
17.8;8. Schlussfolgerungen für die Substanzunterstützte Psychotherapie;336
18;Die psycholytische Therapie in der Schweiz – Eine katamnestische Erhebung zu den Jahren 1988 bis 1993;340
18.1;Einleitung;340
18.2;Methoden der Katamnese;341
18.3;Soziographische Daten;342
18.4;Angaben zur psycholytischen Psychotherapie;342
18.5;Diagnosen;343
18.6;Psychotherapeutische Vor- oder Nachbehandlung;344
18.7;Anlässe für die Aufnahme der Therapie;345
18.8;Subjektive Veränderungen;345
18.9;Einfluss auf verschiedene psychische Bereiche;345
18.10;Erfahrungsinhalte, Gefühlsqualitäten;346
18.11;Lebensgestaltung;347
18.12;Schlussfolgerungen;349
19;Qualitätssicherung, Ausbildung, Supervision, berufspolitische Organisation und Ethik der Substanz-unterstützten Psychotherapie (SPT);352
19.1;Einleitung;352
19.2;Rückblick auf die erste Ausbildungsgruppe der SÄPT;353
19.3;Beschreibung des Status Quo im Jahre 2008;355
19.4;Ein Blick voraus: Qualitätssicherungsprojekte;356
20;Fortschritte und Hindernisse bei der Legalisierung Substanz-unterstützter Psychotherapie aus der Perspektive von MAPS;364
20.1;Einführung;364
20.2;Beispiel Marihuana-Forschung;364
20.3;Die erste Stufe einer Renaissance;365
20.4;Die Entwicklung von Entaktogenen und Psychedelika;367
20.5;zu verschreibungsfähigen Substanzen;367
20.6;Warum MDMA?;370
20.7;Der größere Rahmen der Veränderung;373
21;Psychedelische Therapie und Forschung: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft;378
21.1;1. Psychedelika in historischer und transkultureller Perspektive;378
21.2;2. Die Anfänge der wissenschaftlichen Forschung über Psychedelika;380
21.3;3. Kulturelles und fachliches Ressentiment gegen ungewöhnliche Bewusstseinszustände;383
21.4;4. Risiko und Potenzial der Psychedelika in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft;385
22;Literatur;389
23;Stichwortverzeichnis;411
24;Verzeichnis der Tabellen und;418
25;Abbildungen;418
26;Autoren;421
Konkret treffen wir diese Kategorienvermengung z.B. in der „Verwechslung“, Gleichsetzung von „göttlichem Eros“ als divinem(!) Synthesewirker des Kosmos im Sinne von Sokrates mit der „irdischen“ Liebe in ihrem positiven, wertschätzenden, achtenden, verehrenden, ihren wachstumsfördernden und pflegenden (Mutterliebe, therapeutische Liebe, Tierliebe, Naturliebe) und ihren zur leidenschaftlichen Verbindung drängenden (in diesem Sinne erotischen, nach Freud sexuellen) Austragungsweisen. Ähnliches geschieht in der religiös-erotischen Mystik: Jesus wird zum auch zoenaesthetisch erlebten Liebespartner. Voran geht die Hereinnahme der Gottheit in die irdische Welt durch ihre Inkarnation als Mensch (Krishna, Jesus). Das ist nicht Immanenz der Transzendenz, sondern „Materialisierung“ der Gottheit. Manche „Therapeuten“ und Meditationslehrer wandelten sich zum grenzüberschreitenden Liebesbeglücker, die als destruktive Triebagenten ihre sexuelle Performanz als Liebesgabe an ihre Klienten beschönigen – und dabei das helfende, unterstützende, wachstumsund wandlungsfördernde Dienen als Therapeut versäumen. Mutter Theresa, die allen Bedürftigen half, erscheint mir als Beispiel, wie das kleine Ego (so tüchtig und damit auch „eigensinnig“ es sein mochte) der Helferin in der Nachfolge des Christus sotér (der Heiland als Retter) und des Christus crucifixus (der leidende Christus) in jedem Menschen Christi Antlitz „sah“ und ihr ichhaftes Handeln diesem Größeren einordnete: es braucht nicht die hyperbolische Rede vom Ich-Tod, sondern es braucht die bescheidene Selbstrelativierung des Ich. Die lebte sie vor und die ist auch für Therapeuten vorbildlich. Die schon lange vor Freud gängige Einsicht, dass das Bewusste nur eine kleine Insel in einem Meer des Unbewussten sei, geriet mit der Psychoanalyse Freuds in den Hintergrund. Seither ist das Unbewusste zu einer Instanz ontologisiert worden und (grob gesagt) zur Müllkippe verkommen: da wird hineingeworfen, was dem Bewusstsein unbequem oder verpönt ist und was der Interpret dort hinein projiziert. Unter dem Einfluss eines Zensors (die animistische Figur des Wächters passt zu solcher Psychomythologie) wird im Traum und im Wachen verboten, verlegt, abgeschoben, umgeformt, unterdrückt, abgespalten. Das kostbare Potenzial des Unbewussten als Medium des Menschengemeinsamen, des Kreativen, der Inspiration, des ich-überschreitenden Denkens geriet wie an den Rand. In der Gegenbewegung (wie immer motiviert) hatte Jung im Rückgriff auf vorfreudianische Konzepte des Unbewussten (Carus, Schopenhauer, Nietzsche, Hartmann) eine Aufwertung des Unbewussten angestrebt. Da ging Jung so weit, dass schließlich „sein“ Unbewusstes zu einem divinen Numen wurde, das aber gleichwohl in seiner Psychologie als „empirisch“ beforschbar galt und zum Universalschlüssel der Psyche in gesunden und kranken Zeiten, in niedrigen und hohen Manifestationen wurde.
Bei der Begleitung von todkranken Menschen in den Sterbeprozess, besonders der Vorbereitung des progredienten Loslassens von allem, woran der Mensch im Leben gehangen hat, kann die erweiterte Perspektive psycholytischer Erfahrung das Sich-darein-geben in das unaufhaltsame Geschehen in Friede, Ruhe, Gelassenheit helfen. In dieser Thanatopompos-Funktion (Sterbebegleiter) treffen sich Psychotherapeut und Seelsorger. Sie sehen: dieses Buch ist fruchtbar, es gibt eine breite Übersicht über den Status praesens in Therapie und Forschung und regt viele weitere Fragen an. Was kann der Leser mehr als den Autoren dafür danken – und weiter denken? Nachsinnen über „Seelenheilkunde“ heißt, über das intraund interpersonelle Geschehen der Therapie, über Patienten, über Therapeuten, eben über den Menschen überhaupt denken. Und: Denken ist schön, Fragen schöner als Antworten weil jene öffnen, diese schließen.
Christian Scharfetter Zürich, Januar 2008
Die Professionalisierung Substanz-unterstützter Psychotherapie (SPT)
Henrik Jungaberle, Peter Gasser, Jan Weinhold, Rolf Verres
Ein Neuanfang
Eine verantwortliche Therapie mit LSD, Psilocybin oder MDMA (sowie ähnlichen psychoaktiven Substanzen) ist möglich und gut begründbar. Dieses „Territorium“ sollte therapeutisch, wissenschaftlich und kulturell neu und es sollte kritisch besetzt werden. Eine solche Psychotherapie hat großes komplementärmedizinisches Potenzial. Die Substanz-unterstützte Psychotherapie (SPT) hat gute Voraussetzungen für einen solchen Neuanfang. Sie bietet originelle, therapeutisch vielversprechende, kulturell und philosophisch interessante Behandlungsansätze. Sie hat Protagonisten vorzuweisen, die sich mit den Standards der modernen Psychotherapieund Arzneimittelforschung auseinandersetzen. Mehrere hundert seriöse Publikationen aus den vergangenen fünf Jahrzehnten aus so unterschiedlichen Bereichen wie der Psychotherapieforschung, Neurobiologie, Religionswissenschaft und Suchtmedizin legen ein Fundament für zukünftige, methodisch erneuerte Studien über ihre Wirksamkeit und die praktisch bedeutsamen Prozessmerkmale. Substanz-unterstützte Psychotherapie ist bei Beachtung der in diesem Band beschriebenen Regeln hinreichend sicher. Und sie ist – nebenbei ein interessantes Thema für Fachleute in der Drogenregulation und eine breitere Öffentlichkeit.
Der im Rahmen von Psychotherapie mögliche integrative und verantwortliche Gebrauch psychoaktiver Substanzen wie LSD oder MDMA ist auch politisch lehrreich, denn er zeigt deutlich den Einfluss einer verantwortungsvollen sozialen Umgebung – und dies kann kontrastiert werden mit dem nicht-supervidierten, experimentellen und hedonistischen Gebrauch solcher Substanzen. Diese Möglichkeit eines verantwortlichen Gebrauchs demonstriert damit auch, wie stark sich die drogenpolitische Diskussion der vergangenen Jahre auf suchtmedizinische und neurobiologische Aspekte reduziert hat, anstatt nach neuen und effektiveren sozialen Regulationsmöglichkeiten Ausschau zu halten.