E-Book, Deutsch, 424 Seiten
Kerner Gedichte
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-2922-9
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 424 Seiten
ISBN: 978-3-8496-2922-9
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieser Sammelband beinhaltet die wichtigsten lyrischen Schöpfungen des schwäbischen Schriftstellers und Arztes. Die Stadt Weinsberg stiftete anlässlich des 200. Geburtstages Justinus Kerners 1986 den Justinus-Kerner-Preis. Er wird seit 1990 alle drei Jahre an Personen verliehen, die in Verbindung mit dem Lebenswerk Kerners oder in seinem Sinne im literarischen, medizinischen oder heimat- und denkmalpflegerischen Bereich Herausragendes geleistet haben.
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Lob der Spindel
Die Faust des Mannes zieret
Ein blank geschliffen Schwert,
Das er in Treue führet,
Wo es das Recht begehrt.
Sank er auf blut'ger Heide,
Den Ring, den Edelstein,
Dies seiner Hand Geschmeide
Grab' man mit ihm hinein.
Des Eisens Wucht zu heben
Sind Frauen nicht gewandt,
Sie leben stilles Leben,
Die Spindel in der Hand.
Die zarte Hand der Schönen
Ziert die mit rechter Weis';
Sie tanzt mit süßen Tönen,
Und singt der Frauen Fleiß.
In alter Wälder Dunkel
Auf moosigem Gestein
Sitzt an kristallner Kunkel
Nachtfrau im Mondenschein.
Mondhelle Fäden bringet
Ihr Finger zart hervor;
Seltsam die Spindel singet,
Es lauscht des Wandrers Ohr.
In Schloß und Burgeshallen
Die Spindel emsig sang;
Den deutschen Frauen allen
War sie ein lieber Klang.
Gar spärlich Samt und Seide
Umfing den holden Leib.
Im selbstgesponn'nen Kleide
Ging da manch edles Weib.
Kaum daß in armer Kammer,
In Nächten lang und bang,
Bei Tränen und bei Jammer
Noch tönt der Spindel Sang.
Sing nur! Du singst den Sorgen
Der Armut endlich Tod.
Steig auf, du lichter Morgen!
Bring' das ersungne Brot.
Jetzt im Gemach der Schönen
Hört man wohl Lautenklang,
Wohl welsche Triller tönen,
Gar leis der Spindel Sang.
Die Spindel hält verschoben
Jetzt manche Schöne stolz
Und denkt: wie kann man loben
So ein gemeines Holz!
Nein! liebe deutsche Frauen,
Erkennt der Spindel Wert!
Wollt treulich auf sie bauen,
Treu, wie der Mann aufs Schwert!
Indes der sieghaft stehet
In Blut und Kampfes-Schweiß,
Sitzt fromm daheim und drehet
Die Spindel recht mit Fleiß!
So war's in alten Tagen
Sittsamer Frauen Art.
Manch Bild und schlichte Sagen
Die haben uns bewahrt:
Wie in der Frauen Kreise
Die Spindel nie geruht. –
Spinnt fort nach alter Weise
Zart – aber stark und gut!
Stille Tränen
Du bist vom Schlaf erstanden
Und wandelst durch die Au,
Da liegt ob allen Landen
Der Himmel wunderblau.
Solang du ohne Sorgen
Geschlummert schmerzenlos,
Der Himmel bis zum Morgen
Viel Tränen niedergoß.
In stillen Nächten weinet
Oft mancher aus den Schmerz,
Und morgens dann ihr meinet,
Stets fröhlich sei sein Herz.
Das Ruhekissen
Im Mai auf Gras und Kraut,
Wenn durch die Wolke halbzerrissen
Ein blauer Himmel schaut,
Wird manchem müden Haupt ein Kissen.
Ein Kissen auch voll Lust,
Drauf zu verträumen Erdenschmerzen,
Ist treuer Liebe Brust
Beim Doppelschlage zweier Herzen.
Noch gibt's der Kissen viel,
Auf die der Wanderer hienieden,
Ist müd er vor dem Ziel,
Sein Haupt kurz ruhend legt in Frieden.
Doch, müdes Haupt! nur du
Und du nur, Herz! so tief zerrissen,
Du findest nur zur Ruh'
Im Sarge noch das Leichenkissen.
Metall und Glas
Es ist ein Mann von Eisen
Ein anderer von Glas,
Die wollen sich befleißen,
Einander zu unterweisen,
Probieren dies und das.
Aus seiner Ledertasche
Zieht der metallne Mann
Wohl eine Leidner Flasche,
Behend lädt sie der Rasche
Und spricht zum gläsern' dann:
»Fühl'! wenn man dies berühret,
So wahr der helle Tag!
Man einen Schlag verspüret;
Das heißt elektrisieret.« –
»Glaub', wer dies glauben mag!«
Spricht der von Glas – »Ich fühle,
Pack' ich's in jedem Fall,
Gar nichts als etwas Kühle;
Das Zimmer drücket Schwüle,
Und kälter ist Metall.«
Von Eisen der dawider
Zu dem von Glase spricht:
»Es zuckt durch alle Glieder,
Es wirft mich ja danieder,
Glaskopf! das fühlst du nicht?«
Hoch der von Glas und höher
Schreit: »Es sei Gott mein Zeug'!
Du superfeiner Späher,
Phantast'scher Geisterseher,
Nichts fühl' ich, nichts, schweig, schweig!«
Jetzt die von Glas und Eisen
Anfeinden sich nicht schlecht,
Vom Schmähen kommt's zum Beißen,
Wer kann sie überweisen?
Sie haben beide recht.
Der schwere Traum
Mir träumt', ich flög' gar bange
Weit in die Welt hinaus,
Zu Straßburg durch alle Gassen
Bis vor Feinsliebchens Haus.
Feinsliebchen ist betrübet,
Als ich so flieg', und weint:
»Wer dich so fliegen lehret,
Das ist der böse Feind.«
Feinsliebchen! was hilft lügen,
Da du doch alles weißt!
Wer mich so fliegen lehrte,
Das ist der böse Geist.
Feinsliebchen weint und schreiet,
Daß ich am Schrei erwacht,
Da lieg' ich, ach! in Augsburg
Gefangen auf der Wacht.
Und morgen muß ich hangen,
Feinslieb mich nicht mehr ruft,
Wohl morgen als ein Vogel
Schweb' ich in freier Luft.
Der reichste Fürst
Preisend mit viel schönen Reden
Ihrer Länder Wert und Zahl,
Saßen viele deutsche Fürsten
Einst zu Worms im Kaisersaal.
»Herrlich«, sprach der Fürst von Sachsen,
»Ist mein Land und seine Macht,
Silber hegen seine Berge
Wohl in manchem tiefen Schacht.« –
»Seht mein Land in üpp'ger Fülle,«
Sprach der Kurfürst von dem Rhein,
»Goldne Saaten in den Tälern,
Auf den Bergen edlen Wein!« –
»Große Städte, reiche Klöster!«
Ludwig, Herr zu Bayern, sprach,
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