E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten
Reihe: Hunting Souls
Köpke Hunting Souls (Bd. 2)
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-649-65109-3
Verlag: Coppenrath
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Unsere verfluchten Herzen
E-Book, Deutsch, Band 2, 432 Seiten
Reihe: Hunting Souls
ISBN: 978-3-649-65109-3
Verlag: Coppenrath
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tina Köpke lebt zusammen mit ihrem Mann und ihrem Hund in Berlin. Ihre Leidenschaft für obskure und teils makabre Urban Fantasy mit düsterer Romantik wurde bereits in ihrer Kindheit durch die 'Gänsehaut'-Bücher und Heldinnen wie in 'Buffy - die Vampirjägerin' geprägt. Als großer Fan von Tim Burton lässt sie sich von den schrägen, alltäglichen Dingen inspirieren und baut daraus ihre einzigartigen Charaktere und Welten.
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»Wie geht es ihm?«
Mum legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich sitze in einem Sessel unweit von Tates Krankenhausbett. Zahlreiche Schläuche und Kabel führen aus seinem Körper zu Maschinen, die seine Werte überwachen. Das Piepen, das sie dabei von sich geben, hat sich mir bereits ins Hirn gebrannt. Es verfolgt mich, egal wohin ich gehe, aber weit komme ich sowieso nicht. Obwohl Tate in ein künstliches Koma versetzt wurde, verbindet uns weiterhin dieses unsichtbare, magische Band, das der Kardia-Zauber zwischen uns geknüpft hat. Nach wie vor lässt es kaum mehr als ein paar mickrige Meter Abstand zu.
»Sie geben ihr Bestes.« Ich lehne den Kopf an Mums Schulter und atme den Duft nach Veilchen und Blut ein, der sie umgibt, seit ich denken kann. Ich entspanne mich etwas, auch wenn ihre Nähe nicht so tröstlich ist wie sonst.
»Das wird schon«, redet sie mir gut zu. »Sobald er aufwacht, können wir ihm helfen, und dann geht alles ganz schnell, du wirst sehen.«
Ich dachte immer, Magie könnte jedes Problem lösen.
Man kann sich vermutlich vorstellen, wie bitterlich enttäuscht ich war, als Mum und meine Tante Apollonia mir mitteilten, dass sie in Tates schlimmster Stunde nichts für ihn tun können, weil er dem Tod näher ist als dem Leben. Egal wie sehr ich sie angefleht habe, ihm zu helfen – solange Tate nicht aufwacht, sind ihnen die Hände gebunden.
Als ich vor anderthalb Jahren unter die Räder eines LKWs gekommen bin, konnte meine Familie nichts davon abhalten, mich mittels eines verbotenen Nekromantiezaubers zurückzuholen – als Untote. Das brachte vor allem meiner Tante, einer äußerst mächtigen Hexe, nachträglich eine ganze Menge Ärger ein, den sie für mich jedoch gerne in Kauf nahm.
Aber für Tate?
Meine Eltern mögen ihn. Wirklich. Mehr sogar als andere Menschen. Ohne dass ich es je erwähnt hätte, wissen sie, was er mir inzwischen bedeutet. Noch dazu ist meine Existenz momentan an seine gekoppelt – stirbt er, sterbe auch ich. Trotzdem dürfen sie nicht eingreifen, solange er um sein Leben ringt, denn Magie, die das Gleichgewicht von Leben und Tod ins Wanken bringt, ist strengstens untersagt. Daher würde meine Familie vermutlich nur im allerschlimmsten Notfall erneut eingreifen, um uns – besonders aber eher mich – zu retten.
Diese gegenseitige Abhängigkeit ist übrigens nur eine der lästigen Nebenwirkungen des Kardia-Zaubers. Seitdem die unheimlichen Freunde meiner Schwester Lyn Tate diesen Streich gespielt und damit unbeabsichtigt auch mich erwischt haben, kann ich keine Minute ohne ihn unterwegs sein.
Es ist erst ein paar Tage her, dass uns der andere Wagen in die Seite gekracht ist. Die Walkers haben es sich zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, wer am Steuer saß – denn vom Fahrer fehlte bei der Ankunft der Ersthelfer jede Spur. Meine Eltern hingegen lenken sich damit ab, dieses Einzelzimmer im New Arcadia Hospital in eine Art zweiten Wohnsitz für Tate und mich zu verwandeln.
Bereits am ersten Tag ließen sie mir einen bequemen Ohrensessel und einen Fußhocker bringen, dazu einen schwarzen Minikühlschrank, in dem ich meine Mahlzeiten lagere. Das sorgte für reichlich Widerstand beim Krankenhauspersonal, die nicht ganz verstehen, wieso ich Tag und Nacht in Tates Nähe bleiben muss. Was Magie jedoch nicht regelt, übernimmt Geld, gerade in der Welt der Sterblichen. Dad ließ eine mehr als großzügige Spende springen, dank der die Verwaltung ziemlich schnell Ruhe gab. Sie sind jetzt damit beschäftigt, den neuen Smythe-Krankenhausflügel zu planen.
Inzwischen haben sich in dem Zimmer reichlich frische Blumensträuße sowie Bücher angesammelt, mit denen ich mir die Zeit vertreiben kann, und wir haben blickdichte Vorhänge angebracht, damit meine Vampir-Eltern uns auch tagsüber problemlos besuchen können. Lyn bringt mir nachmittags die Hausaufgaben vorbei, die ich halbherzig erledige, während sie mir den neuesten Klatsch und Tratsch erzählt, dem ich genauso leidenschaftslos lausche.
Und dazwischen das immergleiche Piepen der Maschinen. Ich werde bald wahnsinnig, wenn das nicht aufhört.
»Was meinst du, wie lange es noch dauert, bis sie ihn aufwecken?«, fragt Lyn mich am späten Abend. Sie steht an Tates Bett, den Blick besorgt auf ihn gerichtet. Auch meine sechzehnjährige Schwester hat ihr Herz an ihn verloren, wenngleich auf andere Weise. Er ist der erste Sterbliche, der annähernd so was wie ein echter Freund für sie ist.
Ich zucke die Schultern und ziehe die kuschelige Decke über meine nackten Beine. Nicht, dass mir kalt wäre. Ich friere nicht, ich schwitze nicht. Was ich aber definitiv seit dem Unfall genieße, ist jede Form von umhüllendem Komfort. Auch so eine Sache, die mir vor Tate egal war und jetzt … jetzt habe ich den Salat.
»Schwer zu sagen. Es könnte morgen passieren und genauso gut erst in ein paar Tagen.«
»Ob er mitbekommt, worüber wir reden?«
Ich erinnere mich daran, wie es damals für mich war, im Sterben zu liegen. Als meine Seele meinen Körper verließ, um dem Tod die Hand zu reichen, damit er mich rüber auf die andere Seite ins Jenseits bringt. Damals fühlte es sich an, als wären nur Sekunden vergangen, und ich bekam nichts davon mit, was in der Welt geschah. Für meine Familie waren diese Sekunden jedoch Stunden.
»Ich denke, nicht.« Ich mustere Tate von der Seite. Eine Atemmaske verdeckt die untere Hälfte seines Gesichts und seine Haut ist fahl und von zahlreichen kleinen Schnitten übersät. »Falls doch, dann ignoriert er meine Drohungen sehr entschlossen.«
Lyn wirft mir ein schmales Lächeln zu. »Mit was drohst du ihm denn?«
Wieder hebe ich die Schultern. »Was mir so einfällt. Dass ich ihm eine Glatze rasiere, wenn er nicht aufwacht. Oder dass ich ihm ein furchtbar peinliches Tattoo mitten ins Gesicht steche. Dass ich das blöde Krankenhaus mit allen, die darin sind, anzünde, wenn er nicht endlich zurückkommt.« Zurück zu mir, aber das behalte ich für mich, solange Lyn da ist. Tate habe ich das schon oft gesagt, weil er auf so gefühlsduseliges Zeug steht und weil ich es manchmal einfach laut aussprechen muss.
»Dann hört er dich wohl wirklich nicht«, schlussfolgert Lyn und streicht sich ein paar kinnlange blonde Locken aus dem Gesicht. »Sein Heldenkomplex würde sofort anschlagen, wenn du damit drohst, andere Menschen in Gefahr zu bringen.« Sie sieht von ihm zu mir. »Wie geht es dir eigentlich, Schwesterherz?«
»Wie dir bestimmt schon aufgefallen ist, sehe ich immer noch aus, als wäre ich durch den Mixer gejagt worden.«
Das ist eine weitere dieser verzwickten Komplikationen, wie Mum sie nennt. Weil Tate und ich durch den schiefgelaufenen Seelenzauber aneinandergebunden sind, ist nicht nur dieses ziemlich unflexible, unsichtbare Band zwischen unseren Herzen, sondern auch eine ungesunde Co-Abhängigkeit entstanden. Die Verletzungen, die der eine sich zuzieht, bekommt der andere ebenfalls ab, weswegen mein Körper mit kleinen Kratzern und blauen Flecken übersät ist, die Tates Wunden spiegeln.
Ich überdramatisiere also nicht, wenn ich behaupte, dass ich sterbe, wenn Tate den Löffel abgibt. Das geschieht wirklich. Wäre ich keine Untote, müsste ich genauso im Koma liegen wie er, aber weil ich sowieso schon formal betrachtet tot bin, hat mich der Unfall nur äußerlich in Mitleidenschaft gezogen.
Nun könnte meine Hexentante ja wenigstens dafür sorgen, dass ich wieder aussehe, als wäre mir nichts passiert, aber weil Tate und ich aneinandergekoppelt sind, befürchten sie und Mum, dass sie damit gegen unsere Geheimhaltungsgesetze verstoßen würden. Heilen sie meine Wunden, heilen sie auch seine, was bei den behandelnden Ärzten Fragen aufwerfen dürfte.
»Ich meine nicht körperlich«, holt mich Lyn zurück in unser Gespräch. »Wie geht es dir emotional?«
»Blendend«, erwidere ich trocken. Sie bohrt ihren Blick so lange in meinen, bis ich nachgebe. »Okay, ich fühle mich beschissen. Bist du jetzt glücklich?«
Lyn lächelt, als hätte sie ihr kleines Spiel gewonnen. Doch dann verschwindet der fröhliche Ausdruck von ihrem Gesicht, als ihr offenbar wieder einfällt, worum es hier eigentlich geht.
»Er erholt sich bestimmt schnell. Sobald er aufwacht …«
»… könnt ihr ihm helfen«, beende ich das Versprechen, mit dem meine Familie mich seit Tagen aufzumuntern versucht. Je öfter sie es sagen, desto weniger glaube ich daran, dass es bald passieren wird.
»Was läuft da eigentlich zwischen euch?«
Ich zucke leicht zusammen. »Nichts. Wir haben uns angefreundet.«
»Du bist eine schreckliche Lügnerin.«
Das ist mir auch schon aufgefallen. Wenn ich mir schon selbst nicht glaube, wie sollen es dann die, die mich am besten kennen?
»Es spielt keine Rolle.« Ich sehe wieder zu Tate. Sonst ist er so stark, aber jetzt wirkt er schrecklich zerbrechlich. Wie eine dieser alten Vasen, die bei uns im Haus rumstehen und schon mehrere Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Ein Schubs und sie fallen zu Boden und zerbrechen in Hunderte Einzelteile. »Momentan habe ich einfach nicht die Ruhe, mir Gedanken darüber zu machen, wie ein Mensch und eine Untote so was jemals hinkriegen sollen. Du siehst ja, was mit seiner Art passieren kann.«
»Ach, Kat.« Lyn seufzt so tief, als hätten wir diese Unterhaltung schon unzählige Male geführt. Vielleicht haben wir das...




