Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Sprache
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-608-10746-3
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
- Dass die Tante einmal Base und der Onkel Vetter gerufen wurden?
- Dass fertig und führen von fahren abgeleitet sind?
- Dass Zwieback und Biskuit mehr miteinander gemein haben, als Gebäck zu sein, und Kekse aus dem Englischen stammen?
- Dass Deutsch mit Hindi verwandt ist?
- Dass Teich und Deich einmal ein Wort waren?
- Dass der Pariser Modeschöpfer Louis Réard auf die Bezeichnung Bikini verfiel, weil er das Kleidungsstück als 'anatomische Bombe' sah: Er wählte das Wort, weil er sich eine explosive Wirkung davon erhoffte. Das war nicht unberechtigt, tatsächlich wurde der Bikini zu Beginn als skandalös und unsittlich wahrgenommen und gleich an vielen Stränden verboten.
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Was Sie schon immer über die deutsche Sprache wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten …
Die deutsche Sprache ist gar nicht so alt, wie man denken möchte – und gleichzeitig viel älter! Woher kommt dieser Widerspruch? Es gab schon vor langer Zeit eine Sprachform, die aus wissenschaftlicher Sicht hinreichende Ähnlichkeiten aufweist, um als Vorstufe unserer Sprache gelten zu dürfen – das Deutsche ist demnach gut 1500 Jahre alt. Wenn wir aber fragen, seit wann Deutsch so klingt, wie wir es kennen, schrumpft die Zeitspanne schnell auf einen Bruchteil davon zusammen. Unser heutiges Deutsch (das sogenannte NEUHOCHDEUTSCH) gibt es erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts. Seither bildet es eine mehr oder weniger einheitliche Standardsprache. Das war nicht immer so. Lange Zeit gab es große dialektale Unterschiede, die sich allerdings schon zur Zeit des sogenannten FRÜHNEUHOCHDEUTSCHEN (1350 – 1650) in Drucken und Briefen etwas angeglichen hatten – sonst wäre damals eine Verständigung über größere Distanzen hinweg schwierig gewesen. Von Angesicht zu Angesicht wurde dagegen weiterhin Dialekt benutzt. In diese Epoche fallen die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern (ca. 1450), die »Entdeckung« Amerikas durch Christoph Kolumbus (1492), die Reformation (ab 1517) samt der Bibelübersetzung Martin Luthers (1534) und der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648), jener historische Einschnitt, mit dem eine nicht nur sprachgeschichtlich umwälzende Zeit endet. Abb. 1: Sprachstufen des Deutschen.2* Noch im Boot? Die erste Schleife haben wir jetzt hinter uns. Flusstechnisch gesprochen »oberhalb« des Frühneuhochdeutschen gelangen wir ins Hoch- und Spätmittelalter, eine Epoche, in der unsere Vorfahren3* MITTELHOCHDEUTSCH (1050 – 1350) sprachen – und dichteten: Under der linden / an der heide, / dâ unser zweier bette was … (›Unter der Linde auf der Heide, wo wir unser Bett hatten‹) beginnt eines der bekanntesten Gedichte aus dieser Zeit.1 Es stammt von Walther von der Vogelweide und ist Ihnen vielleicht noch aus dem Deutschunterricht vertraut. Auch das Nibelungenlied entspringt dieser Epoche. Und was war sonst los? Man begab sich auf Kreuzzüge (ab 1096) – aus heutiger Sicht recht unchristlich – und widmete sich bei Hofe dem schwärmerischen Minnesang. Politisch waren Kaiser wie Heinrich IV. an der Macht (*1050 – †1106), der in Canossa etwas mit dem Papst zu klären hatte, und Friedrich I. Barbarossa (*1122 – †1190), den man jahrhundertelang schlafend im Kyffhäuser vermutete und im 19. Jahrhundert zum Nationalmythos ausbaute. Nicht nur politisch und gesellschaftlich war es ein spannungsreiches Zeitalter, auch in unserer Sprache hat sich Dramatisches ereignet. Die wohl folgenreichste mittelhochdeutsche Neuerung, die bis heute Wellen im Sprachsystem schlägt, war die »Nebensilbenabschwächung«. Sie wird uns im weiteren Verlauf immer wieder begegnen. Die Vokale, die zentralen, selbstlautenden Klangelemente, wurden in allen unbetonten Silben vereinheitlicht und damit vereinfacht. Mundfaul, wie man war, sprach man nun Wörter wie giboran oder apful viel relaxter aus: geboren und apfel. Das war keinem kaiserlichen Erlass geschuldet, sondern eine kaum merkliche Entwicklung, die ganz unbeachtet vor sich ging und den Sprecherinnen selbst wohl überhaupt nicht bewusst war. Damit haben wir eine weitere Schleife hinter uns: Ein kurzer Blick auf die Karte verrät, dass wir uns mittlerweile im ALTHOCHDEUTSCHEN (500 – 1050) befinden. Wir haben die älteste deutsche Sprachperiode erreicht, in die unter anderem die Regierungszeit Karls des Großen (800 – 814 als Kaiser) fällt. Aus dieser Ära, dem Frühmittelalter, sind nur wenige schriftliche Quellen überliefert. Damals war Latein die vorherrschende Schriftsprache. Zuerst zaghaft, dann immer mutiger begann man, auch deutsche Dialekte aufzuschreiben. Hierzu griff man, da es keine ernstzunehmende Alternative gab, auf das lateinische Alphabet zurück. Besonders gut eignete es sich allerdings nicht: Auf der einen Seite besaß es Buchstaben, die man im Deutschen gar nicht brauchte (zum Beispiel und