E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Krämer Keltenring
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8271-8441-2
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-8271-8441-2
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Angaben zur Person: 'Mit Micha Krämer hat ein neues Talent die Szene betreten. Ich mag seine Schreibe. Er kann etwas, das langsam aus der Mode kommt: eine Geschichte erzählen und uns fesseln', schrieb Bestsellerautor Klaus-Peter Wolf einst über Micha Krämer. Dieses Talent demonstriert der Kultautor und Musiker aus dem Westerwald nicht nur in seinen zahlreichen Romanen und Jugendbüchern, sondern auch bei seinen Lesungen, die mittlerweile ganze Hallen füllen. Wer einmal mit dem Mythos Nina Moretti angefixt ist, den lassen die Geschichten rund um die junge Kommissarin nicht mehr los.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2
11. Mai 2007, 14:34 Uhr
Erfurt / Deutschland
Mit einem leichten Holpern setzte die zweistrahlige Cessna der ‚BAI‘ auf der Betonpiste des Flughafens Erfurt auf. BAI, ‚Berger Archäologie International‘ war eine der vielen Firmen von Toms Großvater. Die Firma beschäftigte weltweit etwa 100 Mitarbeiter, die sich mit Ausgrabungen und archäologischen Studien rund um den Globus beschäftigten.
Bei den Unternehmungen stand im Gegensatz zu anderen Firmen der Branche aber nicht nur der Kommerz im Vordergrund. BAI unterhielt Kontakte zu vielen Universitäten und Museen in aller Welt. Die Förderung der Wissenschaft war dem alten Berger äußerst wichtig.
Als die Cessna vor einem der Privathangars am Ende des Rollfeldes zum Stillstand kam, löste Tom den Sicherheitsgurt und schwang sich aus seinem Pilotensitz. Er griff die Reisetasche, die er vor Flugbeginn auf einen der leeren Passagiersitze im Heck des Flugzeugs geworfen hatte, und verließ über die heruntergelassene Treppe die Maschine.
Eigentlich hätten Olaf und Jan ihn begleiten sollen. Aber Olaf hatte darauf bestanden, die nächste Maschine in Richtung Karibik zu besteigen und Jan war seinem Bruder wie so oft gefolgt. Tom hatte deshalb beschlossen, die Kristalle allein zu seinem Großvater zu bringen. Auf den Kurzurlaub bei den Großeltern freute er sich schon seit Tagen. Er würde den beiden anschließend immer noch in die Karibik folgen können.
Schnellen Schrittes ging er durch das geöffnete Hangartor. In der hellen, großen Halle schraubten zwei Mechaniker an einem von Großvaters Spielzeugen, einer amerikanischen P 51 Mustang. Einem original Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Fliegerei war, wie die Archäologie, ein weiteres kostspieliges Hobby des älteren Herrn.
Neben der P 51 standen eine Messerschmitt Bf 108 und eine Submarine Spitfire, bei denen es sich ebenfalls um ‚Originalrelikte‘ aus dem Krieg handelte. Allesamt flugfähig und im Topzustand. Die Messerschmitt war die Maschine gewesen, mit der Tom vor Jahren an der Seite seines Großvaters das Fliegen gelernt und die ihn mit dem ‚Virus Flugzeug‘ infiziert hatte. Genau wie bei seinem Großvater war die Fliegerei auch seine zweite große Leidenschaft nach dem Schatztauchen.
Er ging an den abgestellten Flugzeugen entlang zur Rückseite des Hangars. Dort zog er mit einem Ruck die Plane von seinem Porsche 911 Cabriolet, öffnete die Tür, warf seine Tasche auf den Beifahrersitz und glitt elegant in die schwarzen Ledersitze. Wie gewöhnlich steckte der Schlüssel. Tom drehte ihn und sofort heulte der Boxermotor im Heck auf. Ohne Verzögerung betätigte er die Kupplung, legte den ersten Gang ein und trat das Gaspedal voll durch. Der Porsche beschleunigte und raste durch das offene Tor nach draußen.
Er war bereits seit einigen Minuten auf der Autobahn Richtung Süden unterwegs, als er erstmals im Rückspiegel die schwarze Mercedes S Klasse bemerkte. Der Wagen fuhr im Abstand von etwa 100 Metern konstant hinter ihm. Zog Tom seinen Porsche zum Überholen nach links, folgte der Mercedes ebenfalls. Tom beschleunigte den Porsche auf 240 Stundenkilometer, worauf er im Rückspiegel beobachten konnte, wie der Mercedes zurückfiel und zwischen zwei Autos einfädelte. „Mann, Tom, du siehst auch schon Gespenster“, sagte er laut zu sich selbst und musste bei dem Gedanken an den bei seiner Abreise noch immer verstört wirkenden Olaf grinsen. Der Gute nahm sich vieles einfach zu sehr zu Herzen.
Nach nicht einmal zwei Minuten war von dem Mercedes im Rückspiegel nichts mehr zu sehen. Dafür meldete sich jetzt sein Magen. Die letzte Mahlzeit war vor fast zehn Stunden das Frühstück in Bergen gewesen. Rechts vor ihm tauchte in einiger Entfernung das große, gelbe M eines amerikanischen Fast-Food-Restaurants auf.
Er setzte den Blinker nach rechts, bog von der Autobahn und folgte den Hinweisschildern. Nach anfänglichen Überlegungen, den Drive-In-Schalter zu nehmen, entschied er sich jedoch, bei der Gelegenheit die sanitären Anlagen des Restaurants zu benutzen.
Im Anschluss bestellte er zwei Burger und eine Coke zum Mitnehmen. Die junge hübsche Bedienung packte die Burger in eine Tüte und lächelte ihn freundlich an. Er bezahlte und verließ mit einem gut gelaunten „Auf Wiedersehen“ das Restaurant.
Die gute Stimmung sollte nicht von langer Dauer sein. Kurz vor seinem Porsche hielt er inne, da ihm im hinteren Teil des Parkplatzes ein parkender Wagen auffiel. Der schwarze Mercedes. Das konnte auch Zufall sein. Oder?
Er stieg in seinen Porsche, startete den Motor und fuhr langsam über den Parkplatz. Als er auf gleicher Höhe mit dem Daimler war, schwenkte sein Blick langsam zur Seite. Auf den vorderen Sitzen des Wagens saßen zwei kahlköpfige Typen und starrten ihn an. Der eine sackte leicht in seinen Sitz, als wollte er darin verschwinden. Also doch! Das Verhalten der beiden erinnerte ihn an das eines Kindes, das von seiner Mutter beim heimlichen Griff in die Keksdose ertappt wurde. Tom grüßte die beiden mit einem Kopfnicken. Schlagartig verdüsterten sich die Gesichter der beiden. Dann trat er das Gas durch. Der Porsche schleuderte mit qualmenden Reifen aus der Parkplatzauffahrt und schoss Richtung Autobahn.
Beim Blick in den Rückspiegel sah er den Mercedes, der gerade auf die Fahrbahn schlingerte. Keine Ahnung, was die Glatzen von ihm wollten, aber gegen seinen 911er würden sie noch blasser aussehen, als sie es bisher bereits taten. Er war noch nie verfolgt worden und fand diese neue Erfahrung fast ein wenig belustigend.
Kurz vor der Autobahnauffahrt erschien es ihm mit einem Mal ratsamer, den Rest der Strecke bis zum Jonastal doch über die Landstraße zu fahren. In den engen Kurven würde er den Verfolgern in der schweren Limousine haushoch überlegen sein.
Er beschleunigte den Porsche weiter, doch der andere hing wie eine Klette an ihm. Nach einem Kilometer wurde die Straße dann endlich enger und kurviger. In leichten Serpentinen ging es einen bewaldeten Berg hinauf. Hier konnte Tom alle Vorteile des wendigen Sportwagens ausspielen. Er driftete durch die Kehren und beschleunigte den Wagen bereits aus den Kurven heraus.
Als er wieder in den Spiegel blickte, konnte er gerade noch sehen, wie der Mercedes in der Schleife hinter ihm mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit die Leitplanken durchbrach und in der Tiefe verschwand.
Ohne zu zögern trat er auf die Bremse, wendete den Porsche und fuhr langsam zu der Unfallstelle zurück. Dort stieg er aus dem Wagen, ging zu der steil abfallenden Böschung und schaute hinunter.
Der Mercedes, oder das, was davon übrig war, lag etwa achtzig Meter unter ihm total zerstört in einem Bachbett. Der schwere Wagen hatte eine Schneise der Verwüstung in den Wald geschlagen. Die Bäume waren wie Streichhölzer zerbrochen, einige sogar entwurzelt.
Nach kurzer Überlegung lief er los und rutschte, auf seine rechte Hand gestützt, die Böschung hinunter. Mitgefühl und Panik stiegen in ihm auf. Das hatte er nicht gewollt. Als er die Hälfte der Böschung hinter sich hatte, erblickte er vor sich einen reglosen Körper.
Der Mann hing in etwa drei Metern Höhe in einer Astgabel. Der kahl geschorene Kopf war unnatürlich nach hinten geknickt. Der Körper blutüberströmt. Die leeren Augen spiegelten noch immer die Angst, die der Mann in seinen letzten Sekunden gehabt haben musste, bevor er aus dem Wagen geschleudert wurde.
Tom rutschte weiter die Böschung hinab, bis er schließlich in der Talsenke angekommen war. Er lief durch das knietiefe Wasser zum Wrack des Wagens. Benzindunst schlug ihm entgegen. Auf dem Wasser trieben bläuliche Ölschlieren.
Er blickte durch die zerborstenen Seitenscheiben und erstarrte. Aus dem Lenkrad hing der erschlaffte Airbag heraus. Der Fahrer des Wagens saß immer noch hinter dem Steuer. In seinem Kopf steckte ein etwa armdicker abgebrochener Ast. Auch dieser Mann musste sofort tot gewesen sein.
Tom begann zu würgen. Sein Hals schnürte sich zu. Sein Puls raste. Er stolperte zurück und landete auf dem Hosenboden. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte.
Was hatten die beiden bloß von ihm gewollt? Eines stand fest: Niemand hatte ein solches Ende verdient. Vielleicht hatten sie ihn ausrauben wollen? Unsinn, Räuber kamen nicht mit einem so teuren Wagen.
Sein Blick fiel auf den Oberarm des Toten. Unter dem zerrissenen T-Shirt schaute eine Tätowierung hervor. Vorsichtig ging er erneut zu dem Wagen. Es kostete ihn eine Menge Überwindung, den Ärmel weiter hochzuschieben, um die Zeichen besser erkennen zu können. Auf der blutverschmierten Haut konnte er nun deutlich einen Totenkopf mit SS-Runen erkennen. Die Steine! schoss es ihm durch den Kopf. Die wollten die Steine aus dem U-Boot!
Er rannte los. Er hatte die Kristalle in seine Reisetasche gesteckt und die lag jetzt für jeden sichtbar in seinem offenen Porsche.
Auf allen Vieren kroch er den Hang hinauf. Seine Hände schmerzten. Immer wieder rutschte er aus.
Als er fast oben angekommen war, erkannte er mehrere Personen an der zerborstenen Leitplanke. Ein Polizist streckte ihm die Hand entgegen und zog ihn die letzten Meter zur Straße hinauf.
„Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“, fragte der Beamte mit ruhiger, fester Stimme.
Tom nickte, taumelte zu seinem Wagen und ließ sich völlig außer Atem auf den Kotflügel des Porsches sinken. Sein Blick wanderte dabei über den Beifahrersitz. Als er die geschlossene Reisetasche erblickte, beruhigte er sich ein wenig.
„Sie sind beide tot“, stammelte er und...




