Krämer Tod im Elefantenklo
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8271-9634-7
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Westerwald-Krimi
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Westerwald-Krimi
ISBN: 978-3-8271-9634-7
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Micha Krämer wurde 1970 in Kausen im Westerwald geboren. 1989 zog es ihn nach Betzdorf, wo er es ganze 15 Jahre aushielt, bevor das Heimweh ihn zurück nach Kausen führte. 2009 veröffentlichte der gelernte Elektroniker kurz nacheinander die beiden Kinderbücher Willi und das Grab des Drachentöters und Willi und das verborgene Volk. Der regionale Erfolg der beiden Bücher, die er eigentlich nur für seine eigenen beiden Kinder schrieb, war überwältigend und kam für ihn selbst total überraschend. Einmal Blut geleckt musste im Jahre 2010 nun ein richtiges Buch her. Im Juni erschien sein erster Roman für Erwachsene und zum Ende des Jahres 2010 sein erster Kriminalroman, der die Geschichte der jungen Kommissarin Nina Moretti erzählt. Neben seiner Familie, dem Beruf und dem Schreiben gehört die Musik zu einer seiner großen Leidenschaften. Mehr über Micha Krämer erfahren Sie auf www.micha-kraemer.de
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Kapitel 2
Freitag 8. Februar 2013, 08:44 Uhr
Betzdorf/Bahnhofstraße
Hans Peter Thiel war sauer. Stinksauer! Da bot man den Kollegen seine Hilfe an und bekam dafür noch einen Tritt in den Arsch. Und das ausgerechnet von Nina, seiner letzten Partnerin im Dienst vor dem Ruhestand und Tochter seiner neuen Lebensgefährtin Inge. Auch schon bevor er mit ihrer Mutter zusammen war, seit dem Tag, an dem er sie kennengelernt hatte, war Nina für ihn immer so etwas wie eine Tochter gewesen. Man musste sich das einmal vorstellen: Sie hatte ihm sogar gedroht ihn zu verhaften! Natürlich waren das nur hohle Floskeln gewesen. Aber allein die Drohung war eine Unverschämtheit. Wütend betrat er den Verkaufsraum der Elefantenapotheke. Rechts von ihm hinter der großen Schaufensterscheibe stand Klaus Klein, der Apotheker. „Mojen, Klaus“, knurrte Thiel. „Morgen, Hans Peter“, antwortete der, ohne seinen Blick von dem Geschehen in der Fußgängerzone rund um den Rampenwendel zu lösen. Hans Peter stellte sich neben ihn und sah ebenfalls hinaus. Nina sprach gerade mit einer der Verkäuferinnen an einem Stand für Socken und Unterwäsche. „Schlimme Sache“, sagte der Apotheker tonlos. Thiel nickte nur. „Hast du das Mädchen gekannt?“, fragte Thiel schließlich. Der Apotheker zuckte mit den Schultern. „Was heißt gekannt? Hab sie öfters mal gesehen. Sie wohnte ja da gegenüber, über dem ehemaligen Pelzgeschäft. Immer nett. Immer sehr freundlich.“ Hans Peter sah zu dem großen Haus, in dem sich heute die örtliche Filiale des Bertelsmann-Buchclubs und ein Laden für Lederwaren befanden. „Wohnte sie da allein?“ Der Apotheker schüttelte den Kopf. „Nee, ich glaub, die wohnt da mit einer Freundin oder so. Auch ein sehr hübsches Mädchen. Sahen sich sogar irgendwie ähnlich. Vielleicht Schwestern, oder so.“ Klaus Klein sah zu ihm hinüber und fragte dann verwundert: „Aber sag mal. Was hast du eigentlich hier zu tun? Bist du nicht Rentner?“ Thiel verdrehte die Augen. „Ja, Klaus. Und danke, dass du mich daran erinnerst. Sonst macht‘s ja keiner.“ Er kramte das Medikamentenrezept aus der Manteltasche und reichte es dem Apotheker. „Wollte eigentlich nur Inges Tabletten abholen.“ Klein nahm das Rezept und ging hinter den Tresen. Hans Peter folgte ihm und dachte über die junge Frau nach, die unweit von ihm tot unter dem Gehweg des Rampenwendels saß. Bis zu ihrer Wohnung waren es keine zwanzig Meter gewesen. Ob sie selbst in den Verschlag gegangen war? Oder hatte sie jemand dort abgelegt? Obwohl ihn das alles gar nichts mehr anging, machte er sich Gedanken darüber. Einmal Polizist, immer Polizist. Da war schon was dran. Er fuhr herum, als sich die Automatiktür der Apotheke öffnete. Nina betrat den Raum und sah ihn erstaunt an. Hans Peter drehte sich wieder um und beobachtete, wie der Apotheker die Packung mit Inges Tabletten an der Kasse scannte. Er merkte, wie sie neben ihn trat und ihm zu?üsterte: „Sorry, Hans Peter, war nicht so gemeint.“ Hans Peter schnaufte nur. Ihn erst blöd anmachen und sich dann wieder einschleimen wollen. Nee. Nicht mit ihm. Er zahlte die fünf Euro Rezeptgebühr, steckte die kostenlose Apothekenzeitung, die Klein ihm reichte, in seine Manteltasche, brummelte etwas wie, „auf Wiedersehen“, und verließ den Laden.
Die Einkaufszone rund um das Elefantenklo war bis auf eine Handvoll Polizisten leer. Klar. Es war ja abgesperrt. Deshalb war auch außer ihm kein Kunde in der Apotheke gewesen. Thiel erkannte Doktor Wagner, den Gerichtsmediziner, der am Zugang zum Rampenwendel verschwand. Hans Peter blickte kurz zurück zur Apotheke. Durch die Glastür sah er, wie Nina mit Klein sprach. Kurz entschlossen ging er schnurgerade hinüber zu dem Mediziner. „Morgen, Sebastian“, begrüßte er Wagner, der sich gerade zu der Leiche hinunterbeugte. Der Gerichtsmediziner fuhr herum. „Ach, Morgen, Hans Peter. Dass es dich noch gibt?“ „Tja. Unkraut vergeht nicht“, antwortete er knapp und sah noch einmal um die Ecke, zurück zur Apotheke, bevor er weitersprach. „Was meinst du? Woran ist sie gestorben?“ Wagner schüttelte den Kopf und seufzte. „Hans Peter! Ich bin seit zwei Sekunden hier. Ich kann nicht hellsehen. Frag mich in zehn Minuten noch mal. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, weiß ich dann mehr.“ Thiel wandte sich ab und ging zu dem Hauseingang neben der Bertelsmann-Filiale. Rechts neben der Tür gab es drei Klingeln. Doch nur eine war beschriftet. Natascha und Svenja Watzlaw, stand da, mit Kugelschreiber geschrieben. Er griff in die Innentasche seines Mantels, wo sich fast vierzig Jahre lang sein Notizbuch befunden hatte, und stellte fest, dass sich auch dies geändert hatte. Er brauchte es ja nicht mehr. Eigentlich! Wieder blickte er kurz zur Apotheke und kramte dann die Gummihandschuhe, die Thomas ihm vorhin gegeben hatte, aus der rechten Tasche. Er zog sie über, betätigte die Klingel und wartete ab. Es tat sich, wie erwartet, nichts. Vorsichtig drückte er gegen die Tür. Sie gab nach. Es war nicht abgeschlossen. Er zögerte einen Moment und betrat dann das Treppenhaus. Das Haus war alt, die Stufen der hölzernen Treppe mit dem gedrechselten Geländer ausgetreten. Die Wände weiß gekalkt. Während er langsam hinaufging, sah er sich um. Alles war sauber und ordentlich. In der Luft hing der Duft eines Putzmittels. Er kannte die Marke, kam aber gerade nicht auf den Namen. Er wusste nur, dass Inge die gleiche benutzte. Kalt war es. Im ersten Stock blieb er vor der Wohnungstür stehen. Die Tür stand einen Spalt offen. Ohne zu zögern trat er ein. Die Wohnung besaß die für einen Altbau typischen hohen Decken. Alles wirkte penibel sauber und war modern eingerichtet. Thiel ging vorsichtig weiter und schaute in den ersten Raum. Ein Mädchenzimmer. Ein großes Bett. An den Wänden zahlreiche Poster von Musikern. Vor dem Fenster ein Schreibtisch mit einem Laptop. Auf den Regalen unzählige, meist wissenschaftliche Bücher. Das Bett war ordentlich gemacht. Auf dem Kopfkissen ein alter, abgegriffener Teddybär. Im nächsten Raum ein ähnliches Bild, auch hier Unmengen von Büchern, ein Laptop und kistenweise beschriebenes Papier. Vor dem Spiegel im Bad standen zwei Zahnputzbecher mit je einer Zahnbürste. Die Küche war einfach eingerichtet. In der Ecke vor dem Fenster ein Tisch mit zwei Stühlen und einer Eckbank. Sämtliche Möbel im „Barock“ der achtziger Jahre. Eine ordentliche, aber ansonsten ganz normale Studentenbude. Thiel ging zurück in den Korridor und öffnete die letzte Tür am Ende des Flurs. Der Raum war verdunkelt. Er betätigte den Lichtschalter und staunte nicht schlecht. Schwaches rötliches Licht erhellte ein großes französisches Bett, das frei mitten im Zimmer stand. Dieses Bett war nicht gemacht. Kissen und Decken waren zerwühlt. Die Wände waren schwarz-rot tapeziert. Dicke, schwere bordeauxfarbene Vorhänge verhüllten das Fenster. Neben dem Bett befand sich ein kleiner flacher Tisch, auf dem neben einem Paar Handschellen diverse Sexspielzeuge und Kondome lagen. Er schluckte. Damit hatte er nicht gerechnet. „Hallo, ist da jemand?“, hörte er die vertraute Stimme von Nina hinter sich. Er ging zurück. Die Kollegin stand im Korridor und sah ihn entgeistert an. „Sag mal, spinnst du jetzt total? Was fällt dir ein, hier einzudringen?“ „Reg dich ab“, brummelte er. „Ich hab nichts angefasst. Außerdem war eh offen.“ „Ach, und nur, weil eh offen steht, ist das für dich eine Einladung, hier rumzuschnüffeln?“, erwiderte sie gereizt. Hans Peter verdrehte die Augen und deutete hinter sich. „Ich weiß. Ich weiß. Es geht mich alles nichts mehr an. Und bevor du weiterschimpfst, sieh dir lieber mal den letzten Raum rechts an“, versuchte er das Thema zu wechseln. Es funktionierte. Wie immer. Nur zu gut wusste er, wie neugierig Nina war. Sie ließ ihn stehen und ging schnurgerade an ihm vorbei in die Richtung seiner ausgestreckten Hand. Hans Peter folgte ihr. Er vernahm ein erstauntes „Puh“ von der jungen Polizistin, die nun mitten in dem Zimmer vor dem großen Bett stand und sich umsah. „Wenn du mich fragst, haben die Mädels hier angeschafft“, erklärte er. Nina nickte. „Aber wie eine Prostituierte sah die Kleine gar nicht aus.“ Hans Peter verzog das Gesicht. „Wie, um Gottes willen, soll denn eine Nutte aussehen? Meinst du, man sieht das den Mädchen an, welchem Gewerbe sie nachgehen? Sie tätowieren es sich ja schließlich nicht auf die Stirn.“ Er beobachtete, wie sie um das Bett herumging, den Fußboden untersuchte, und sich dann bückte. „Was gefunden?“, fragte er interessiert und sah ihr über die Schultern. Nina deutete auf ein gebrauchtes Kondom, das zusammengeklebt auf dem Teppich lag. „Scheint, als hätte irgendwer etwas vergessen. Vielleicht ist es ja von unserem Täter? Wär ja mal ein Glückstreffer.“ Hans Peter trat einen Schritt zurück. „Wieso Täter? Du weißt ja noch nicht mal, ob es überhaupt ein Verbrechen gibt.“ Nina drehte sich um und sah ihn ungläubig an. Erst jetzt bemerkte er ihre geröteten Augen. Wie es schien, hatte die Gute es gestern Abend wieder einmal etwas übertrieben. „Weibliche Intuition, Herr Oberkommissar a.D.“, bemerkte sie schnippisch. „Hier ist etwas oberfaul. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die junge Frau sich freiwillig draußen am Elefantenklo zum Sterben niedergelassen hat. Du sagst, die Türen waren nicht verschlossen?“ Hans Peter nickte. Nina ging an ihm vorbei in den Flur. Er folgte ihr zur Wohnungstür, wo sie begann, das Schloss zu untersuchen. „Die Tür wurde, wie es aussieht, nicht aufgebrochen. Wenn offen war, hätte sie ja reingehen können. Ausgesperrt scheint sie sich demnach ja nicht zu haben.“ „Vielleicht war nach dem Tod des Mädchens noch jemand anderes in der Wohnung“, gab Thiel zu...




