Krauss | 'Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen' | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 345 Seiten

Krauss 'Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen'

Das Leben der Lola Montez

E-Book, Deutsch, 345 Seiten

ISBN: 978-3-406-75525-5
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



1848: Der bayerische König Ludwig I. tritt zurück – wegen einer Tänzerin! Ein Skandal! So wie das ganze Leben der Lola Montez (1821 – 1861) für die bessere Gesellschaft ihrer Zeit ein einziger Skandal war. Der Weg dieser Femme fatale, die in Wirklichkeit Tochter eines britischen Offiziers war und Eliza Gilbert hieß, hätte in ganz bürgerlichen Bahnen verlaufen sollen. Doch sie brach von Jugend an mit allen Konventionen und feierte bald als 'spanische Tänzerin' Triumphe in den Metropolen Europas wie nach 1851 in Amerika und Australien. Sie war eine markante Persönlichkeit, ausgestattet mit Stolz und Mut, und brachte unverblümt zum Ausdruck, was sie von ihren männlichen Zeitgenossen hielt: 'Wenn Gott die Männer mißt, legt er das Maßband nicht um den Kopf.' Für die Biografie zum 200. Geburtstag dieser unzeitgemäßen Frau standen der Historikerin Marita Krauss erstmals die Tagebücher Ludwigs I. zur Verfügung, die einen ganz neuen Blick auf die Beziehung zwischen König und Tänzerin eröffnen.

Lola Montez hatte viele Gesichter und viele Namen. Die Tochter eines britischen Offiziers, die eigentlich Eliza Gilbert hieß, widersetzte sich bereits früh moralischen Konventionen. Was Männer betraf, so hatte sie ihre eigene, kühne und auf jeden Fall unzeitgemäße Agenda: Mit 16 brannte sie durch, heiratete ihren Liebhaber und zog mit ihm nach Indien, mit 22 tingelte sie als 'spanische Tänzerin' durch die Hauptstädte Europas, und mit 25 begann sie ihre Affaire mit König Ludwig I. Als man sie deswegen aus München vertrieb, vermarktete Lola Montez ihre Geschichte am Broadway in New York und in den Outbacks Australiens. Das Schicksal der selbstbewussten Tänzerin, die als Geliebte des Königs zur Gräfin Landsfeld erhoben wurde und sich nie von der Männerwelt einschüchtern ließ, inspirierte Filmemacher und Theaterregisseure. Die Historikerin Marita Krauss hat nun – gestützt auf zahlreiche Quellen, darunter auch bislang unzugängliche Tagebuchaufzeichnungen König Ludwigs I. – den Weg der Lola Montez in all seinen Höhen und Tiefen beschrieben. Entstanden ist eine ebenso seriöse wie unterhaltsame Biografie, die zugleich ein facettenreiches Bild der Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert bietet.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1.
LOLA MONTEZ – EINE KUNSTFIGUR?

Als Maria de los Dolores Porrys y Montez, spanische Adelige aus Sevilla, im Juni 1843 erstmals in London auftrat, war Elizabeth Rosanna Gilbert, geschiedene James, bereits 22 Jahre alt. Die Kunstfigur Lola Montez übernahm seitdem die Deutung über das frühere und zukünftige Leben von Eliza Gilbert, sie konstruierte Abstammung und Geburtstage, Geburtsorte und Lebensstationen. Erst nach ihrem Tod 1861 ließ Lola Montez los; auf dem Grabstein stand: «Mrs Eliza Gilbert».
An sich stellte die Erfindung der Lola Montez eine Verzweiflungstat dar: Eliza stammte aus einer guten englischen Familie; wie eine Figur eines Jane-Austen-Romans brannte sie aus dem Internat in Bath durch. Nach einer unglücklichen Ehe wurde sie schuldig geschieden. Im hochmoralischen viktorianischen England gab es für sie danach fast keine Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In ihren Memoiren von 1851 schrieb Lola: «Nur eine einzige Ausflucht schien mir das Schicksal zu lassen. Es war das abenteuerliche Leben einer Künstlerin.»[1]
Für den Erfolg als Künstlerin reichte es aber nicht, die bildschöne, wenn auch moralisch bedenkliche Eliza James zu sein. Spanien war damals in Mode und als spanische Tänzerin Lola Montez erfand sich Eliza neu. Nach dem Identitätswechsel reiste sie ohne gültige Ausweispapiere durch das Europa des Vormärz. Sie galt dort als unerwünschte Ausländerin unbekannter Herkunft und lief jederzeit Gefahr, von der Polizei eingesperrt oder ausgewiesen zu werden. Doch Lola Montez erhob sich bald über ihre Situation, sie tanzte vor dem preußischen König und dem russischen Zaren. Ihr Aufstieg zur Favoritin des bayerischen Königs Ludwig I. sowie die Tumulte in München um ihre Person, die fast unmittelbar in die Revolution von 1848 und in die Thronentsagung Ludwigs I. mündeten, waren es dann vor allem, die sie weltweit bekannt machten: Die Zeitungen berichteten ausführlich; sie selbst brachte die Geschichte seit 1852 als eine Art dokumentarische Revue mit dem Titel «Lola Montez in Bavaria» auf die Bühne und ging damit höchst erfolgreich in den USA und Australien auf Tournee. Lola Montez wurde ein weltberühmter Star, sie füllte spielend die größten Theater ihrer Zeit und verdiente als selbstbestimmte Theaterunternehmerin reichlich Geld, das sie gerne großzügig ausgab. Letztlich wurde sie mit ihren «Lectures» auch noch zur gefeierten Vortragsreisenden. Sie war nicht Opfer, sondern Herrin ihres Schicksals.

Die Bildikone. Porträt der Lola Montez von Joseph Karl Stieler, 1847

Die Frage nach Wahrheit oder Lüge führt mit Blick auf die bereits von Lola selbst in jeder Lebensphase neu justierte Biografie in die Irre. Obwohl ihre Behauptung, Lola Montez zu sein, immer wieder ins Wanken geriet, so war diese Figur doch die Form, in die sie sich weiterhin fasste. Als sie im August 1847 von König Ludwig I. von Bayern zu Marie Gräfin von Landsfeld erhoben wurde, trug diese Kunstfigur sogar einen legalen Adelstitel. Selbst bei ihrer zweiten Heirat mit dem viele Jahre jüngeren, steinreichen George Trafford Heald behielt sie den Titel bei und nannte sich Marie de Landsfeld-Heald; in einem Bigamieprozess wurde die Ehe annulliert, da Lolas vorhergehende Scheidung nach englischem Recht keine zweite Heirat erlaubte. Später nutzte sie den Namen Mrs Heald, wenn sie inkognito reisen wollte. Doch als Lola Montez war sie berühmt geworden, dieser Name zog das Publikum ins Theater und war ihre Geldquelle. Wie gut sich Lola Montez verkaufen ließ, zeigen auch zeitgenössische Satiren und Parodien, die Theater von London bis San Francisco füllten. Den Anfang machte der 1848 in London aufgeführte Einakter von J. Sterling Coyne, «Lola Montes, or a Countess for an Hour», der wohl nach der Intervention des bayerischen Botschafters vom Spielplan verschwand, jedoch mit geändertem Namen als «Pas de Fascination, or, Catching a Governor» wiederauferstand und in der englischsprachigen Welt viel gespielt wurde, oft gleichzeitig mit Lolas Auftritten in den entsprechenden Städten. Nach ihrem Tod wurde sie in New York auch noch von einer evangelikalen Gruppe vereinnahmt, die aus ihr eine reuige Sünderin machen wollte; die Broschüre mit ihren angeblichen religiösen Tagebuchaufzeichnungen erlebte sieben Auflagen. Lolas Marktwert war und ist hoch.[2]
Zur Legendenbildung um Lola Montez trug nicht nur sie selbst aktiv bei. Sie war ein Star und bereits zu ihren Lebzeiten wie nach ihrem Tod fügten weltweit hunderte Journalisten, Romanciers, Filmemacher und Historiker neue Details und Facetten zur Lebensgeschichte dieser Frau hinzu, übernahmen alte Berichte und schmückten sie aus, versuchten die «Wahrheit» herauszufinden und empörten sich über die fast undurchdringlichen Gespinste aus Erfindungen und Halbwahrheiten, die sie nicht zuletzt in Lola Montez’ autobiografischen Texten wie ihren Memoiren von 1851 und auch noch in der «Autobiography» von 1858 vorfanden.[3] Viele kapitulierten und glaubten, die Geschichte der Lola Montez nur als Roman erzählen zu können. In mancher Hinsicht sagen diese Produktionen jedoch mehr über Frauenbilder und Moralvorstellungen der jeweiligen Entstehungszeit aus als über Lola Montez.
Sie selbst gab dazu in ihrer «Autobiography» von 1858 die Richtung vor: «Also wenn ich Lola Montez wäre, würde ich zu zweifeln beginnen, ob ich jemals einen Vater hatte und ob ich überhaupt geboren wurde, ausgenommen vielleicht auf die Art, in der Minerva dem Haupt Jupiters entsprungen sein soll: Lola Montez kam und kommt sogar noch komplizierter auf die Welt, da sie wieder und wieder im Kopf jedes Menschen geboren werden muss, der den Versuch unternimmt, ihre Geschichte zu schreiben.»[4] Das stimmt: Die Erkenntnis über die Subjektivität und Zeitbezogenheit des eigenen Blicks muss jede Lola-Montez-Biografie wie überhaupt jede biografische Arbeit begleiten. Von Lola Montez’ Zeitgenossen bis heute gab es faszinierte, moralinsaure, sensationslüsterne, leichtgläubige, aber auch gründliche Autoren und Autorinnen, die sich aus sehr unterschiedlichen Perspektiven dem Leben dieser außergewöhnlichen Frau näherten. Es ist daher nötig, viele Schichten von Projektionen abzutragen, bevor man Lola Montez wieder neu erfinden kann. Auch hier ist zu berücksichtigen, was Barbara Stollberg-Rilinger in ihrer Biografie über Kaiserin Maria Theresia schrieb: Es gilt, jede falsche Komplizenschaft zu vermeiden und die Andersartigkeit der historischen Situation, ihrer Regeln, Konventionen, sozialen Unterscheidungen und Selbstverständlichkeiten in den Blick zu nehmen, denn nur vor diesem Hintergrund ist das Handeln der betrachteten Personen zu deuten.[5] Für Lola Montez bedeutet dies: Erst vor diesem Hintergrund ist das Ausmaß ihrer Regelverletzungen und Konventionsbrüche zu erkennen.
Zieht man nur die seriösen Biografien der letzten dreißig Jahre heran,[6] so fällt auf: Die Biografen waren meist Männer und nicht primär Historiker. Die in ihrer Gründlichkeit alle anderen überragende Publikation stammt von Bruce Seymour: Dieser kalifornische Rechtsanwalt befasste sich nach dem Gewinn eines Preisausschreibens sechs Jahre lang mit Lola Montez, er war der Erste, der Licht in das Dunkel um etliche ihrer Lebensstationen brachte, auf seine akribische Vorarbeit stützen sich alle, die sich nach ihm des Themas annahmen und annehmen. Zusammen mit dem ersten deutschen Lola-Montez-Biografen Reinhold Rauh edierte Seymour auch erstmals Teile des in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrten Briefwechsels zwischen König Ludwig I. und Lola Montez; dieser wurde größtenteils in Spanisch geführt, das beide Briefpartner nicht gut beherrschten.[7] Seymour stellte seine Arbeitsmaterialien der Forschung zur Verfügung, teilweise frei zugänglich im Internet mit dem ausdrücklichen Auftrag, dort weiterzuarbeiten, wo er aufgehört hatte. Dazu gehören eine Art Lola-Montez-Personenlexikon, in dem alle, die ihr begegneten, biografisch erfasst und eingeordnet werden, sowie eine kommentierte Bibliografie mit erfrischend deutlichen Bewertungen.[8] Seymours Arbeit ist eine zentrale Grundlage für jede Lola-Montez-Biografie.
Gibt es also 200 Jahre nach ihrer Geburt noch etwas zu entdecken, das über neue Perspektiven und Interpretationen hinausgeht? Ja, es gibt Quellen, die bisher nicht zugänglich waren: die Tagebücher König Ludwigs I. in der Bayerischen Staatsbibliothek. Bisher konnten sie nur Heinz Gollwitzer für seine Biografie Ludwigs I. und Hubert Glaser für die Edition des Briefwechsels zwischen Ludwig I. und Leo von Klenze...


Marita Krauss lehrt als Professorin für Europäische Regionalgeschichte sowie Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte an der Universität Augsburg.


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