E-Book, Deutsch, 206 Seiten
Kurz Allein unter seinesgleichen
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86361-566-6
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 206 Seiten
ISBN: 978-3-86361-566-6
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Nach dem erfolgreichen Sieg der Nazis im großen Krieg wurde die Welt nach ihren Werten geformt. Die Weltsprache ist deutsch, unerwünschte Menschen gibt es nicht mehr und Schwule gelten ebenfalls als ausgerottet. Jedoch existieren sie weiterhin, wenngleich auch nur im Verborgenen. Aufgrund der Nicht-Information hat der junge Wolfgang Volkmer deswegen keine Ahnung, was es bedeutet, dass er sich in seinen Klassenkameraden Nils verliebt hat. Wolfgang weiß nur, dass es nicht richtig sein kann, dass er diese Gefühle für seinen Freund empfindet. Erst als er in einem Buchladen mit der verbotenen Winkel-Literatur in Kontakt kommt, lernt er das Wort „schwul“ kennen. Endlich beginnt er zu begreifen, wer er ist – ein Schwuler und damit ungewollt ein Volksfeind.
Autoren/Hrsg.
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Ludwig Bruckner blickte auf den Mann, der unter ihm lag. Der Sex war ganz ordentlich gewesen, aber nichts sonderlich spektakuläres. Trotzdem hatte Volker ein nettes Gesicht, und auch jetzt, als es leicht schweißbenetzt war, schien es richtig schön. „Hat hoffentlich gefallen“, sagte Ludwig und lächelte schmal. „Da brauchst du nicht fragen.“ Er strich ihm über die Arme. Ludwig ließ sich neben ihn fallen und sah sodann auf die Wanduhr. „Ein paar Minuten habe ich noch Zeit.“ „Kannst du etwa immer noch?“ „Naja, gerade nicht ... aber wann können wir uns denn wiedersehen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wann bist du denn das nächste Mal wieder hier?“ „Wahrscheinlich vorläufig nicht. Sieht so aus, als würde ich einen neuen Auftrag bekommen.“ „Mmh.“ „Du findest bestimmt jemand anderen, der dich in der Zwischenzeit warm hält.“ Volker sah ihn lange an. „Wer sagt, das ich einen anderen haben will?“ Ludwig erwiderte darauf nichts. Er küsste ihn auf die Schulter, dann den Mund und stand auf, um nackt ins Badezimmer zu gehen. „Kannst du die Nachrichten anmachen?“ Er betätigte den kleinen Kasten, der auf dem Nachtschrank stand. Augenblicklich ertönte Musik. „Heinchen – den hat meine Mutter auch immer gerne gehört.“ „Ist ja auch gute Musik“, sagte Ludwig aus dem Badezimmer. „Der hat gewusst, was man singen muss. Darum darf der auch heute noch gespielt werden.“ „Ja. ... Ich habe früher auch immer gerne die beschlagnahmten Lieder gehört, aber ...“ „Sag mir da mal lieber nichts von.“ „Wieso?“ „Naja, du bist zwar mein Betthase, aber das bedeutet nicht, dass ich meine Pflichten vergesse.“ Er kam mit frisch gewaschenen Gesicht wieder zurück und zog seine Unterhose an. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, und das hatten wir gerade.“ Volker zog eine Schnute. „Jawohl und zu Befehl.“ „Ich meine es ernst.“ „Schon klar. Du hältst dich ans Gesetz. Nein, besser – du bist das Gesetz.“ Er fixierte ihn lauernd. „Willst du damit etwas andeuten?“ Volker versuchte dem Blick standzuhalten, aber es gelang ihm nicht. „Nein, natürlich nicht. Ich weiß, dass ... Nein, vergiss es. In Ordnung?“ Er ließ absichtlich einige Sekunden verstreichen. „Ausnahmsweise. Aber ich beschützte dich nicht. Das ist klar, ja?“ „Klar. Habe ich auch nicht erwartet.“ „Dann ist ja alles geklärt.“ Er zog seine Uniform an. „Ich bin kein schlechter Mensch, aber ich muss eben tun, was ich tun muss. Das dürfte klar sein.“ „Verstehe ich.“ „Ich habe nicht gefragt, ob du es verstehst oder nicht. Das ist mir, ehrlich gesagt, auch ziemlich egal.“ Er schnallte seinen Pistolenhalfter um. „Ich stelle nur klar, wie die Verhältnisse hier sind. Du arbeitest als was?“ „... Bäcker.“ „Bäcker. Ein Teigaffe. Schön. Das bedeutet, dass du unter mir stehst, wenn es um Autorität und Glaubwürdigkeit geht. Das ist klar, ja?“ Er nickte schwach. „Ja ...“ Man konnte ihm ansehen, dass er es nun bereute, sich mit Ludwig eingelassen zu haben. Er bemerkte den Blick. „Jetzt sei nicht so. Das zieht bei mir nicht. Das muss dir doch selber von vornherein klar gewesen sein, dass du ...“ Er wollte weitersprechen, als die Musik verstummte und schlagartig die Nachrichten anfingen. Es wurde wie seit Tagen, ja Wochen, hauptsächlich über Neuseeland und Australien berichtet. Die Nachrichtensprecherin schnarrte förmlich: „Der Neuseeländische Premierminister Trugson pocht wie bislang auf die politische Unabhängigkeit seines Landes und will darum von einem Anschluss weiterhin absehen. Auch der australische Premierminister Coulderland weist die Vorstöße zu einem Anschluss seines Landes vorläufig ab.“ Ludwig lächelte schräg. „Vorläufig. Wirst schon sehen, auch die schließen sich noch an.“ „Und wenn nicht?“ wollte Volker wissen. „Na was wohl?“ Er ließ seine Hand zweimal auf seine Waffe klapsen. „Gewinnen können sie nicht. Da ist ein friedlicher Anschluss einem gewaltsamen schon vorzuziehen.“ Er kam auf Volker zu und beugte sich nur minimal runter, weswegen seine Bekanntschaft sich ein wenig aufrecken musste. „Immer friedlich bleiben. Sonst kommt man nicht weit.“ Er gab ihm einen Kuss. „Ich sage dir – in spätestens einem Jahr gehören Neuseeland und Australien dazu. Und irgendwann dann der ganze Rest.“ „Der ganze Rest.“ Er sagte es mit einer Mischung aus Unglauben und Unwillen. „Bist du sicher?“ „Wir arbeiten dran.“ „... eigentlich wollte ich auch noch was von der Welt sehen ...“ „Und das kannst du ja dann auch. Dann ist es sicher.“ Ludwig küsste ihn nochmal. „Weißt du ... eigentlich gefällst du mir schon. Wir können uns schon treffen, wenn ich das nächste Mal hier bin. In welcher Bäckerei arbeitest du denn?“ Er schien zu überlegen, ob er es ihm wirklich sagen sollte. „Naja ... wenn du nicht weißt, wann du wiederkommst, dann hat es eigentlich keinen Sinn, wenn ich es dir jetzt sage ... Ich werde demnächst wahrscheinlich als Springer eingesetzt ...“ Er stutzte. „So wenig Angestellte?“ sagte er und zog den Rest seiner Uniform an. „Der Chef spart eben gerne.“ „Verstehe.“ Volker zögerte. „Ich mag dich auch, also ...“ „Nein, nein, ist schon gut.“ Er überprüfte, ob seine Uniform richtig saß. „Ist schon gut. Ich sehe eigentlich nie einen zweimal.“ „Nein?“ Sein Herz schien für einen Moment auszusetzen. „Nein. ... Nicht wegen dem, was du jetzt denkst. Ich bin einfach immer wieder unterwegs. Da geht das nicht anders. Und überhaupt müssen Leute wie wir, also wie du und ich ... wir müssen da ja gehörig aufpassen.“ „Ja.“ „Da kann ich nicht dauernd dieselben Leute sehen. Das würde auffallen.“ „Verstehe ich.“ „Gut.“ Ludwig betrachtete ihn erneut. Eigentlich wollte er dableiben und nochmal rangehen, aber die Zeit drängte. „Ich muss dann. Ich muss noch über 80 Kilometer fahren.“ Er ging zur Tür. „Bis dann. Hat Spaß gemacht.“ „Mit dir auch.“ Volker lächelte und behielt es solange, bis Ludwig aus der Wohnung verschwunden war. Erst dann blickte er mit einer Mischung aus Scham und Irritation um sich. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich so einen anzulachen? Verdammt, jetzt konnte er sich doch nie wieder sicher fühlen. Es war ja nicht auszuschließen, dass dieser Offizier ihm jetzt eine Falle stellen wollte. Der nächste Hübsche, den Volker erblickte, könnte ein Spitzel sein, um ihn dranzubekommen. Verdammt. Alles für einen Fick riskiert. Verdammt. Wolfgang Volkmer und sein Freund Nils Breuer saßen auf den Treppen vor der Schule, während die anderen Schulabgänger lautstark feierten. „Endlich vorbei“, sagte Nils, öffnete eine Bierdose und trank einen Schluck. „Kannst du laut sagen“, meinte Wolfgang und lächelte ihn an. „Aber das bedeutet auch, dass wir uns in nächster Zeit nicht mehr sehen können.“ „Klar. So ist das eben. Aber ...“ „Schon klar.“ Er wollte ihm tausend andere Dinge sagen, die jedoch allesamt nebensächlich wurden, als Nils ihm die Dose reichte. Ohne sie abzuwischen, trank er einen Schluck. „Und du willst wirklich da hin?“ „Klar. Warum nicht? Da ist man abgesichert. Ich meine, klar, die Ausbildung wird wohl hart werden, aber dafür ist man abgesichert. Und man kommt rum. Ich meine, ich will ja auch was von der Welt sehen.“ Er nahm die Dose wieder an sich. „Du kannst doch auch versuchen, da mitzumachen.“ „Ach“, er schüttelte den Kopf, „dafür sind meine Noten nicht gut genug. Ich muss ja froh sein, dass meine Eltern mir die Arbeit bei diesem Buchladen besorgen konnten. Ansonsten hätte man mich ja zum Straßenbau eingeteilt, und dann wäre ich wer weiß wo gelandet.“ „Tja, aber so hättest du auch was von der Welt gesehen.“ „Ja, Asphalt und Beton.“ „Als ob ein Buchladen soviel besser wäre.“ Wolfgang lächelte erneut. Für einen Moment sah er seinen Freund an, und wieder war da dieses komische Gefühl, das er nicht beschreiben oder sonst wie in Worte fassen konnte. Er wusste einfach nicht, was es zu bedeuten hatte. Ihm fielen die Augen seines Freundes auf, das Lächeln, ja absolut alles, und es schien alles irgendwie zu leuchten. So musste sich wohl Liebe anfühlen, aber es konnte keine sein. Das wusste er. Immerhin hatte man ihnen in der Schule beigebracht, dass Liebe nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen konnte, und...




