Buch, Deutsch, Band 5, 279 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 144 mm x 216 mm, Gewicht: 396 g
Reihe: Interaktiva, Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen
Neue Wege öffentlicher Konsultation
Buch, Deutsch, Band 5, 279 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 144 mm x 216 mm, Gewicht: 396 g
Reihe: Interaktiva, Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen
ISBN: 978-3-593-38220-3
Verlag: Campus Verlag GmbH
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Das Ohr der Macht und die Kunst der Konsultation: Zur EinleitungClaus Leggewie7Deliberative Politik -Von der Politik- zur Gesellschaftsberatung?Die argumentative Wende - und was sie für die Politikberatung bedeutetFrank Fischer17Deliberative Politik: Regieren mittels Konsens oder demokratische Beratung?Bettina Lösch34Gesellschaftsberatung als Chinese Whisper - zur Rolle von (medial vermittelter) Öffentlichkeit in PolitikberatungsprozessenRenate Martinsen51Gesellschaftsberatung: Die KontroverseDie Beratung der GesellschaftDirk Baecker73... address unknown? Was heißt "Gesellschaftsberatung" und was folgt daraus für Wissenschaft und Demokratie?Thomas Saretzki95"Gesellschaftsberatung" oder Politik? - Ein ZwischenrufAlfons Bora117Sollen, können, dürfen: Anmerkungen zur Bürgerbeteilung am bioethischen Diskurs und deren BewertungSilke Schicktanz133Politikberatung und Öffentlichkeit in der Mediendemokratie Politik- und Gesellschaftsberatung in der "Mediendemokratie"Stefan Marschall153Neue Konkurrenzen: Wissenschaft, Politikberatung und MedienöffentlichkeitFrank Nullmeier171Gesellschaftsberatung und "Soziale Software": Zur Ausdifferenzierung politischer Kommunikation in der NetzöffentlichkeitErik Meyer und Christoph Bieber181Digitale Medien in der Gesellschaftsberatung Potenziale einer politischen KollaborationskulturRainer Kuhlen199"Gesellschaftliche Selbstberatung": Visualisierung von Risikokonflikten als Chance für GestaltungsöffentlichkeitenStefan Böschen, Cordula Kropp und Jens Soentgen223Weblogs zwischen Deliberation und Meinungspublizistik - Gesellschaftsberatung als Perpetual BetaSteffen Büffel247
Politikberater und Experten sind die Leute, auf die heute viele setzen - und jeder schimpft. In der letzten Zeit häuft sich die in vielen Fällen berechtigte Kritik an Fehlprognosen, Fälschungen und Interessengebundenheit der Politikberatung (Bäumer 2004; Glass 2006; Leif 2006), die gleichzeitig allgegenwärtig und alltäglich geworden ist. Und ganz unabdingbar: Wie sollten Verantwortliche und Verbraucher Gefahren etwa der Vogelgrippe oder des Klimawandels ohne fachlichen Rat von Meteorologen und Virologen einschätzen? Hier sind Leute am "Ohr der Macht", aber das Dilemma ist, dass heute zu jeder Expertise sogleich eine Gegenexpertise fällig wird, die den Laien verzweifeln lässt und politische Entscheidungen per se problematisch macht.Das Verhältnis von Wissenschaft, Politik und Bürgern ist komplizierter geworden. Es gab eine Zeit, in der es leicht zu beschreiben und die Zustimmung der Bürger oder Laien einfacher zu haben war. Der Deal ging ungefähr so: Ihr, die politischen Akteure, habt die Probleme, wir, die wissenschaftlichen Politikberater, verfügen über die passenden Daten und Problemlösungen. Dieser positivistisch-technokratische Ansatz, prominent von Helmut Schelsky unter dem Titel "Sachgesetzlichkeiten" vorgetragen und zuletzt vom tapferen Paul Kirchhof hochgehalten, wurde von politischer Seite immer bestritten. Carl Schmitt sah im neuzeitlichen Vordringen der Kanzler und Fachmenschen einen unerwünschten Souveränitätsverlust der politischen Autorität, Max Weber verteidigte die Autonomie der politischen Gestaltungseliten gegenüber "Fachmenschen" wie "Laien".Vor jeder Dezision forderten Wilhelm Hennis öffentliche Konsultation und Jürgen Habermas ein diskursives Wechselverhältnis von Politik und Experten, was stets den Verdacht von Weltfremdheit nach sich zog. Aber solche normativen Setzungen spiegeln tatsächliche Verschiebungen im Verhältnis von Politik wie Gesellschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert wider. Die Experten- und Elitenlastigkeit stellte sich selbst in Frage, und jenseits des alten Ringens um Dominanz zwischen Expertise und Politik tauchten neue Fragen auf: zum einen der Umgang mit Nicht-Wissen und Unsicherheit, zum anderen Ansprüche ebenso sachkundiger wie selbstbewusster Bürger auf Beteiligung und Mitwirkung.Heutzutage sind, wie es Jerome Ravetz prägnant ausgedrückt hat, "facts uncertain, values in dispute, stakes high and decisions urgent" (Ravetz 1999: 648). Der doppelte Balanceakt der Politikberater besteht folglich darin, Entscheidung durch Expertise zu informieren, ihr gleichzeitig öffentliche Zustimmung zu sichern und dabei auch noch das Problem des allfälligen Mangels an Wissen zu bearbeiten - bei dringendem, durch mediale Aufregung forciertem Entscheidungszwang."Wozu Experten?" wird deshalb jetzt öfter gefragt. Historiker haben rekapituliert, wie sich Expertise von den Fürstenratgebern und Favoriten der frühen Neuzeit bis zu den Küchenkabinetten und Kommissionen der Gegenwart entwickelt hat (Fisch/Rudloff 2004, Brickmann 2006), Sozialwissenschaftler analysieren die Rolle von Experten im Ensemble der Risikogesellschaft (Bogner/Torgersen 2005; Heidelberger Akademie 2006). Einige postulieren eine argumentative Wende in Analyse und Planung politischer Prozesse (Fischer/Forester 1993; Fischer in diesem Band), womit auch die Wissenschaft von der Politik ihr objektivistisches Selbstverständnis aufgeben und ihre Beiträge in die öffentliche Argumentation einspeisen muss. Dadurch würde Politikberatung Demokratiedienstleistung, und zwar in einem viel weiteren Sinne als es ihr Verständnis von Publicity heute nahe legt.Wenig behandelt wurde bisher die Frage, welche Rolle Medien öffentlicher Konsultation für die geforderte Deliberation spielen (Ansätze zuletzt bei Neidhart 2006). Das starre Dreieck zwischen Wissenschaft, Politik und Experten zerfließt, Rollen werden gewechselt, im Fokus stehen nunmehr Interaktionen und Schnittflächen, aus denen sich variable Beratungsöffentlichkeiten ergeben. Experten haben e