E-Book, Deutsch, 409 Seiten
Marryat Der Flottenoffizier
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3131-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 409 Seiten
ISBN: 978-3-8496-3131-4
Verlag: Jazzybee Verlag
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Frank Mildmay ist ein verschlagener aber cleverer Seemann, der sich rasend schnell durch die Dienstgrade der Royal Navy des frühen 19. Jahrhunderts kämpft - koste es was es wolle ...
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Es rauschet Englands Macht herauf,
Den Kampfplatz zu erreichen;
Doch schneller noch in ihrem Lauf
Sieht man der Vorhut Zeichen.
"Auf. Bravo!" ruft der Hauptmann. Die Kanonen
Entsenden aus dem ehrnen Mund
Des Todes Schatten um die Schiffe rund,
Dem Orkan gleich, der aus der Tiefen Grund
Sein Dunkel breitet bis hinauf zur Sonnen.
Campbell.
In Betracht meiner Jugend und Unerfahrenheit, so wie der geringfügigen Nachlässigkeit, deren ich beschuldigt wurde, wird es wohl selbst unter den strengsten Eiferern der Disciplin wenige geben, welche es nicht gestehen, daß ich vom ersten Lieutenant ungerecht und rücksichtslos behandelt wurde, indem er sich (allen Respekt sonst vor ihm!) auf die Seite meiner Feinde stellte. Der zweite Lieutenant und Murphy verhehlten bei dieser Gelegenheit ihre Gefühle durchaus nicht, sondern frohlockten über meine Ungnade.
Plötzlich wurde unser Schiff nach Portsmouth beordert, wo der Kapitän, der in Urlaub war, zu uns kommen sollte. Dieß geschah auch bald nach unserer Ankunft, und der erste Lieutenant machte seinen Rapport über die gute und schlechte Aufführung der Leute während seiner Abwesenheit. Ich hatte meinen Dienst ungefähr zehn Tage im Vortop versehen, und Mr. Handstone beabsichtigte – auch der Kapitän schien dieser Maßregel durchaus nicht abgeneigt – mich wegen der zwei verlorenen Matrosen an der Kanone durchpeitschen zu lassen. Diese Exekution unterblieb jedoch. Ich fuhr fort, die Midshipmensmenage zu beziehen, durfte aber nicht in's Speisezimmer kommen: man schickte mir die Mahlzeiten, die ich allein auf meinem Kasten verzehrte. Die Jüngeren sprachen mit mir, jedoch nur verstohlen, weil sie die Aelteren fürchteten, die den strengsten Verruf gegen mich verordnet hatten.
Mein Dienst im Vortop bestand im Grunde nur dem Namen nach. Beim Verlesen, oder wenn ich die Wache hatte, stieg ich hinauf und unterhielt mich mit einem Buche, bis wir wieder herabkamen, soferne ich nicht irgend einen kleinen Dienst zu thun hatte, der meine Kräfte nicht zu übersteigen schien. Die Matrosen liebten mich als einen Märtyrer ihrer Sache, und machten sich ein Vergnügen daraus, mich in der Kunst des Knotenschlingens und Einflechtens, im Takeln, Reefen, Aufrollen u. dgl. m. zu unterrichten; ich gestehe daher redlich, daß ich meine glücklichsten Stunden auf diesem Schiffe während meiner Verweisung unter die Topmannschaft verlebte. Ob meine Feinde dies entdeckten oder nicht, kann ich nicht sagen; aber bald nach unserer Ankunft ließ mich der Kapitän nach seiner Kajüte bescheiden, wo mir wegen meiner üblen Aufführung, das heißt, wegen meinem angeblich reizbaren und händelsüchtigen Charakter, wie auch wegen Verlustes zweier Matrosen aus meinem Boote, tüchtig der Text gelesen wurde.
"Wenn Sie sich nicht sonst im Allgemeinen gut betragen hätten," fügte er bei, "so wäre Ihnen eine weit schärfere Strafe zu Theil geworden; ich zweifle jedoch nicht, daß diese kleine Strenge zur rechten Zeit Sie veranlassen wird, sich in Zukunft passender zu benehmen. Der schimpfliche Dienst, zu dem Sie verurtheilt wurden, soll Ihnen fortan erlassen sein, und ich erlaube Ihnen, zu Ihren Verrichtungen auf dem Halbdeck zurückzukehren."
Thränen, wie sie mir keine Rohheit oder Mißhandlung hätten erpressen können, strömten reichlich über meine Wangen, und es stand einige Minuten an, bis ich mich hinreichend erholt hatte, um ihm für seine Güte zu danken und den Grund meiner Ungnade namhaft zu machen. Ich theilte ihm mit, daß ich, freilich ohne sein Vorwissen, seit meiner Anwesenheit auf dem Schiff, wie ein Hund behandelt worden sei, und daß er allein mit Menschlichkeit sich gegen mich benommen habe. Ich erzählte ihm sodann meine ganze Leidensgeschichte, von dem verhängnißvollen Glas Wein an bis zu dem gegenwärtigen Augenblicke, ohne ihm zu verhehlen, daß ich Murphy's Hängematte durchschnitten und ihm den Leuchter an den Kopf geworfen hatte, versicherte ihm aber zugleich, daß ich nie der erste Angreifer gewesen sei, sondern nur Genugthuung genommen habe, wenn ich zuerst schimpflich behandelt wurde. Ferner erklärte ich, daß ich mir nie einen Schlag oder einen ungebührlichen Namen gefallen lassen würde, ohne nach Kräften Rache zu nehmen; dies liege einmal in meiner Natur, und ich könne nicht anders, selbst wenn ich dafür todtgeschlagen werden sollte.
"Seit ich am Schiff bin," fügte ich bei, "und auch schon früher, sind viele Matrosen desertirt, ohne daß die Offiziere, deren Obhut sie anvertraut waren, mehr als einen Verweis erhalten hätten, während ich, der ich kaum erst zur See gekommen bin, die größte und beschimpfendste Strenge erfahren mußte."
Der Kapitän hörte meine Verteidigung aufmerksam an, und es kam mir vor, als ob sie einen nicht unbedeutenden Eindruck auf ihn geübt hätte. Ich erfuhr nachher, daß Mr. Handstone wegen seines harten Benehmens gegen mich einen Verweis erhalten und er darauf bemerkt habe, wenn ich mich mit der Zeit nicht auszeichne, so solle ich zum Teufel fahren.
Ich sah nun ziemlich klar, daß ich mir doch einige mächtige Freunde, darunter namentlich den Kapitän, erworben hatte, wie sehr auch der Stolz meiner älteren Tischgenossen durch meinen Widerstand gegen ihre Willkür gereizt und zur Rachsucht angespornt worden sein mochte. Viele von den Offizieren bewunderten den störrischen, durch nichts zu bewältigenden Geist, mit dem ich mir ohne Unterlaß Genugthuung zu verschaffen wußte, und sahen sich zu der Anerkennung genöthigt, daß das Recht auf meiner Seite sei. Wie sehr sich die Stimmung zu meinen Gunsten änderte, ersah ich aus den häufigen Einladungen zur Mahlzeit in der Kajüte und in der Konstabelkammer. Die jüngeren Midshipmen rechneten sich zur Ehre, mich wieder offen als einen der Ihrigen anerkennen zu dürfen, während die älteren mich eben so eifersüchtig und argwöhnisch bewachten, wie etwa eine unpopuläre Regierung einen beliebten, radikalen Parlamentsredner.
Ich entwarf bald mit den jungen Leuten von meinem Alter einen Plan zum Widerstand, oder vielmehr zur Selbstvertheidigung, der in unserem künftigen Kriege große Bedeutsamkeit gewann. Ein paar hatten Kraft genug, ihn in Ausführung zu bringen, während die übrigen schöne Versprechungen machten, aber in der Stunde der Prüfung abfielen. Mein Codex enthielt nur zwei Verpflichtungen: die erste lautete, schnell eine Flasche, einen Krug, einen Leuchter, ein Messer oder eine Gabel Jedem an den Kopf zu werfen, der es wagen sollte, einen von uns zu schlagen, es müßte denn sein, daß der Angreifer an Kräften nicht so weit überlegen war, um eine ehrliche Boxerei mit ihm zulässig zu machen. Der zweite Artikel bestimmte, daß wir uns nie unbilligerweise um unsere Rechte verkürzen lassen sollten; was wir wie Andere bezahlten, wollten wir auch ebenso haben, und brauche man gegen uns Gewalt, so müßten wir uns durch List helfen.
Ich setzte meinen Genossen auseinander, daß wir uns durch Befolgung des ersten Grundsatzes wenigstens Höflichkeit sichern würden, denn da Tyrannen in der Regel Feiglinge seien, so würden sich unsere Quäler wohl in Acht nehmen, Jemand zu einem Zorne zu reizen, der in einem unglücklichen Augenblicke verhängnißvoll für sie werden und ihnen wohl gar an's Leben gehen könnte. Durch Handhabung unseres zweiten Artikels wahrten sie sich einen gleichen Antheil an jenen Lebensannehmlichkeiten, welche die Mehrzahl der älteren für sich in Anspruch nahmen. In letzterer Hinsicht bestand auch größere Einmüthigkeit, als in Artikel Nummer Eins, da man dabei weniger persönliche Gefahr zu besorgen hatte. In Betreff der Beischaffung von Lebensmitteln entwarf ich sämmtliche Pläne, die auch in der Regel zu ihrem Ziele führten.
Endlich segelten wir ab, um uns der unter Nelson's stehenden Flotte vor Cadix anzuschließen. Ich will es nicht versuchen, die Fahrt durch den Kanal und über die Bay von Biscaya zu schildern, denn ich war so seekrank, wie eine Dame in einem Dower-Packetboot, bis ich, durch die unbarmherzige Verwendung zum Dienst sowohl im Mast oben, als bei Ablösung der Deckwachen, an die Bewegung des Schiffes gewöhnt wurde.
Wir erreichten unsere Station und schlossen uns dem unsterblichen Nelson nur wenige Stunden vor der Schlacht an, in welcher dieser Held sein Leben verlor und das Vaterland rettete. Die Geschichte jenes denkwürdigen Tages ist so oft und so umständlich geschildert worden, daß ich dem bereits Veröffentlichten nicht viel weiter beizufügen weiß; überhaupt kann ich mich auch nicht genug wundern, wie in Anbetracht der Verwirrung und des ewigen Wechsels während einer Seeschlacht nur so viel bekannt werden konnte. Eine Bemerkung fiel mir jedoch damals auf, an die ich seit jener Zeit mit immer größerer Ueberzeugung oft gedacht habe – daß nämlich der Admiral nach Beginn der Schlacht aufhören mußte, als Admiral thätig zu sein, denn er konnte weder selbst sehen, noch gesehen werden, und war daher eben so sehr außer Stande, von der schwachen Seite des Feindes Vortheil zu ziehen, als seine eigene zu vertheidigen; sein Schiff, die Victoria, eines unserer schönsten Dreidecker, war so zu sagen gefesselt an die Seite eines französischen achtzig Kanonen-Schiffes.
Da ich dieselben Wahrnehmungen auch in irgend einem nautischen Werke gelesen habe, so findet diese meine Angabe auch noch weitere tatsächliche Bekräftigung. So jung ich auch war, konnte ich mich doch, als ich die edlen Führer unserer zwei Reihen dem vereinigten...




