Medina | Das weiße Krokodil | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Medina Das weiße Krokodil

Thriller

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

ISBN: 978-3-641-16009-8
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Als ihr Exmann Luke bei einem Einsatz in einem kambodschanischen Minenfeld stirbt, glaubt die Engländerin Tess Hardy nicht an einen Unfall und macht sich selbst auf nach Battambang. Doch dort stößt sie auf eine Mauer des Schweigens, denn die Menschen haben Angst: Angst vor dem Weißen Krokodil, einem mythischen Todesboten, der in der Dämmerung durch die Reisfelder streift. Dann wird die fürchterlich zugerichtete Leiche einer jungen Frau gefunden, dort, wo auch Luke ums Leben kam: an einem Ort tausendfachen Todes - einem der Killing Fields der Roten Khmer. Und etwas an diesem Ort verbindet die schreckliche Geschichte Kambodschas mit Tess' eigener Vergangenheit ...

Während ihres Psychologiestudiums trat K. T. Medina als Reservistin in die britische Armee ein. Später war sie für einen großen militärwissenschaftlichen Verlag tätig und reiste mehrfach in den Nahen Osten und nach Kambodscha, wo sie eng mit gemeinnützigen Organisationen zusammenarbeitete. Heute lebt K. T. Medina mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in London.
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2 Das Schild war viereckig, bemaltes Holz, an einen Pfosten am Rand des Minenfeldes genagelt, und es war schief, als sei es hastig aufgestellt worden. Die Strichzeichnung eines Reptils auf schwarzem Hintergrund. Nadelspitze Zähne, ein Klecks als Auge. Tess merkte, dass ihre Hände rhythmisch auf den Knien trommelten. Sie ballte die Fäuste und bohrte sie in die Taschen. Unter der Zeichnung stand etwas in Khmer-Schrift geschrieben. Sie konnte es nicht lesen. Aber sie wusste, was das Schild bedeutete: »Minenfeld ›Weißes Krokodil‹«. Ein Khmer in der Arbeitskleidung des Minenräumkommandos stand da und beobachtete sie. Sein flaches braunes Gesicht war ausdruckslos. »Sie haben gehört vom Weißen Krokodil?« Tess schüttelte den Kopf und dachte an einen englischen Frühlingsmorgen vor sechs Monaten, als sie mit der Hand über die glatten Konturen eines Sargs gestrichen hatte. Es war der Sarg eines jungen Mannes gewesen. »Nein.« Sie hörte überrascht, wie fest ihre Stimme klang. »Was ist das Weiße Krokodil?« Der Khmer schob sich ein Stück Betelnuss in den Mund, und sein Speichel färbte sich rot, als er kaute. »Es kommt nach Kambodscha in der Zeit der wichtigen Veränderung. War dabei, als Kambodscha geboren. Als Rote Khmer das Land genommen, hat Weiße Krokodil gesehen. Dieses Minenfeld.« Er deutete auf das rot-weiße Absperrband. »Als dieses Minenfeld gefunden, Weiße Krokodil hier.« Er blickte an ihr vorbei über das geschändete Feld. »Hier gesehen.« »Dann stellt es das Schicksal dar? Ist es das, was die Leute in Kambodscha glauben?« Der Minenräumer sah sie an. Er verstand sie nicht. »Schicksal«, wiederholte sie. »Etwas, das geschehen soll. Etwas, das du nicht ändern kannst, ganz egal, was du tust.« »Bhat.« Seine dunklen Augen leuchteten auf. »Schicksal. Das Weiße Krokodil ist Schicksal.« Der Anruf war frühmorgens gekommen. Sie war am Abend vorher lange auf gewesen, weil Freitag war, ein kostbarer Abend vor einem Wochenende ohne Training, ohne Übungen, das Ende einer zermürbenden Woche, in der ihr Trupp vier Tage im Feld übernachtet hatte. Das Telefon weckte sie um kurz vor fünf. Draußen war es noch fast dunkel, und die weißen Vorhänge färbten sich erst langsam grau-rosa. Sie tastete nach dem Telefon, aus einem Traum gerissen, der schon im Augenblick des Erwachens aus ihrem Gedächtnis verschwand und nur einen Rest von Wärme und Behaglichkeit zurückließ. Sie wollte Luke fragen, ob ihm verdammt noch mal klar sei, wie spät es war – und überhaupt, wieso rufe er sie eigentlich an? –, aber als sie den Hörer ans Ohr hielt, hörte sie kein statisches Rauschen, kein Knistern, während sie auf die Worte wartete, die über dreizehntausend Meilen hinweg durch die Leitung drangen. Die Erinnerung an das, was als Nächstes kam, war so klar, als hätte sie den gleichen Anruf seitdem jeden Morgen erhalten. »Hör nicht hin«, sagte eine Stimme, eine selbstbewusste englische Stimme, und ein muskulöser Arm legte sich um ihre Schultern. Johnny lehnte sich herüber, und sein Atem war warm auf ihrer Wange. »Das ist alles nur Bauerngeschwätz.« Tess wand sich aus seiner Umarmung und hob eine Hand, um die Augen vor der Sonne zu beschirmen. Sie sah ihn an, und er lächelte. Jonathan Douglas Hugh Perrier – der Landjunker der Truppe, hatte Bob MacSween, der Chef des Mine Clearance Trust, gestern gesagt, als er sie an den Fotos der Mannschaft entlangführte, die an der Wand hingen. Die Eltern haben tausend Hektar Land in Shropshire. Meine haben einen Garten so groß wie ein Handtuch, am Arsch von Glasgow. Er ist manchmal ein Clown – ich nehme an, das gehört für einen Jungen aus den feinen Kreisen dazu. Hat das Leben ja nie ernst nehmen müssen. Johnny behauptet, er spannt zu Hause überall Stolperdrähte und wechselt alle paar Tage die Position, um fit zu bleiben. MacSween hatte gelacht, als er das sagte, aber Tess hatte sein leises Unbehagen gespürt. Witze und Minen, das war eine gefährliche Kombination. Sie ließ die Hand auf ihre Wange sinken und wischte Johnnys Atem weg. Seine Berührung war ihr zu privat vorgekommen; sie kannte ihn ja kaum. »Was ist Geschwätz? Das Krokodil?« »Ein kambodschanischer Mythos. Ein dummer, fünfhundert Jahre alter Mythos, der komplett außer Kontrolle geraten ist.« Er verdrehte die Augen. »Denen schwirren die Krokodile im Kopf herum. Von den Betelnüssen, die sie alle kauen, bekommt man Halluzinationen.« »Geht es darum bei diesem Schild?« Sie deutete mit dem Kopf darauf. »Keine Ahnung, wer das da aufgestellt hat. Ich wollte schon mit einer Dose Farbe herkommen, ihm ein Bein wegnehmen und eine Krücke verpassen, aber MacSween würde mir einen Tritt in den Arsch geben, wenn er es erfahren sollte. Er hat eine Schwäche für die Einheimischen und ihre Eigenarten.« Lächelnd zog er ein Päckchen Tabak aus der Tasche, drehte sich eine Zigarette und zündete sie an. »Bob ist übrigens stinkwütend, dass er das verdammte Krok als Logo genommen hat, als er die Organisation vor fünf Jahren gründete.« Er zeigte auf einen der Land Cruiser, auf dessen Haube sich das schlanke weiße Reptil um die marineblauen Lettern MCT ringelte. Die Dorfbewohner deuten es jetzt als Unheilsboten. Nicht ganz das Image, das er sich gedacht hatte. Mir persönlich ist es egal, was die Dorfbewohner denken, solange meine kambodschanischen Räumer nicht auch anfangen, an diesen Scheiß zu glauben, und nervös werden.« Er sah ihren Blick, und plötzlich spürte er ihre Beklommenheit. »Du bist ein bisschen angespannt, was? Beunruhigt dich etwas?« »Nein, alles in Ordnung. Es ist nur der Zeitunterschied.« Sie hob die Hand und befingerte ihr Ohr. Lächelnd schaute sie zu ihm auf, und sie hoffte, dass das Lächeln bis zu ihren Augen reichte. »Ich sollte langsam ins Bett gehen.« Johnny nickte angesichts dieser Lüge und taxierte sie mit gleichmütigem Blick. »Keine Sorge«, sagte er schließlich. »Du hast mich nur eine Woche am Hals, bis du dich an die Eigenheiten der kambodschanischen Felder gewöhnt hast. Dann kriegst du deinen eigenen Trupp.« Er nahm einen letzten Zug aus seiner Selbstgedrehten, warf den Stummel zu Boden und zertrat ihn unter dem Absatz. »Wir wollen versuchen, es interessant für dich zu machen. Mal sehen, was wir finden.« Er schaute an ihr vorbei. Sie folgte seinem Blick, und jetzt betrachtete sie das Feld wie eine Minenräumexpertin, wie ein Profi, und sie bemühte sich, das schwarze Schild mit der plumpen Zeichnung nicht zu sehen. Sie blickten auf ein riesiges vermintes Gelände hinunter, überschwemmte Terrassen, wo einmal Reis gewachsen war, Maniok-, Mais- und Sojabohnenfelder, Weideland für Rinder, unbefestigte Straßen, Feldwege und zwei verlassene Schulen, verwahrloste Gebäude mit leeren Fenstern. Das Gelände reichte fünf Kilometer weit nach Süden und drei von Osten nach Westen, und es verband ein Netz von zwölf kleinen Dörfern, allesamt vom Verhungern bedroht, verwüstet vom Mangel an sicherem Ackerland. Es würde Jahre dauern, es vollständig zu räumen. Jeder Quadratzentimeter – Dschungel, überflutete Reisfelder, Wege, schenkelhohes Elefantengras – musste von ausgebildeten Minenräumspezialisten abgesucht werden, die ihre Detektoren auf einer Breite von einem Meter hin- und herschwenkten. Bei jedem Alarm mussten sie die Stelle inspizieren und den Boden mit einer Stahlrute sondieren und feststellen, ob sie Kontakt mit Metall bekam. Wenn das passierte, hob der Minensucher die Hand, sämtliche Teams zogen sich in sichere Entfernung zurück, der Minenräumer legte sich auf den Bauch und grub die mutmaßliche Mine behutsam mit Fingern und Schaufel frei. Wenn es tatsächlich eine Mine war, wurde sie mit einem roten Kegel markiert und die Räumstrecke für diesen Tag gesperrt. Der Minensucher setzte seine Arbeit in einem anderen Bereich des Feldes fort. Am Ende des Tages wurden alle entdeckten Minen an Ort und Stelle mit Sprengstoff zur Explosion gebracht. Aber es war noch früh. Dunst lag in den Mulden. Johnnys kambodschanische Minensucher, schmächtige Gestalten in hellblauer MCT-Arbeitskleidung, waren bereits auf ihren Bahnen unterwegs. Sie trugen Schutzwesten und Helme mit heruntergeklapptem Visier und hielten den Blick unverwandt und in voller Konzentration auf den Boden gerichtet. Bis auf das allgegenwärtige Summen der Insekten war es totenstill. »Tess.« Sie fühlte Johnnys Hand auf ihrem Arm. Er hatte seine Splitterschutzweste geschlossen. »Ich werde mir draußen auf dem Feld etwas ansehen. Einer meiner Leute hat auf der Bahn neben seiner etwas gesehen, das er mir zeigen möchte. Huan, der Mann, der auf dieser Bahn arbeitet, ist heute nicht hier.« »Was hat er gesehen?« »Wahrscheinlich nichts weiter. Bei den Leuten auf diesem Feld ist es meistens nichts. Ist es dir recht, hier zu warten und mein restliches Team im Auge zu behalten?« »Ja, natürlich. Aber was ist es denn? Was hat er gesehen?« Johnny war in die Hocke gegangen und kontrollierte seinen Detektor. Er strich die Erde von der Metallschlinge, und seine Finger wanderten am Schaft empor zum Testknopf und drückten darauf. Ein warnender Pfiff zerriss die Stille. Sie nahm an, er habe sie nicht gehört. »Johnny, was …?« »Er meinte, es sei ein Schädel«, sagte er und richtete sich wieder auf. Ein leises, gepresstes Lachen drang aus ihrer Kehle. »Ein Schädel? Ein menschlicher Schädel?« »Ja. Ein menschlicher Schädel.« Johnny...


Medina, K. T.
Während ihres Psychologiestudiums trat K. T. Medina als Reservistin in die britische Armee ein. Später war sie für einen großen militärwissenschaftlichen Verlag tätig und reiste mehrfach in den Nahen Osten und nach Kambodscha, wo sie eng mit gemeinnützigen Organisationen zusammenarbeitete. Heute lebt K. T. Medina mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in London.


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