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Nielsen / Bernauer | Die Kunst des Andersseins | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 350 Seiten

Nielsen / Bernauer Die Kunst des Andersseins

Eine Reise zu exzentrischen Geistern und zu sich selbst
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-6951-6701-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Reise zu exzentrischen Geistern und zu sich selbst

E-Book, Deutsch, 350 Seiten

ISBN: 978-3-6951-6701-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was haben ein Bettelmönch mit Größenwahn, ein aus Baumarktprospekten rezitierender Hausbesetzer und eine fast vergessene Bühnenrevolutionärin aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsam? Sie alle sind Teil eines ungewöhnlichen Dialogs zwischen zwei Autoren, zwischen zwei Welten, zwischen Nord und Süd, zwischen Innen- und Außenansicht. In Die Kunst des Andersseins nehmen die bayrische Autorin Kerstin Brigitte Bernauer und der schleswig-holsteinische Autor Jens Nielsen ihre Leser mit auf eine ebenso persönliche wie literarisch raffinierte Reise. In zum Teil fiktiv-biografischen Porträts exzentrischer Künstler und Künstlerinnen verschiedenster Epochen erzählen sie nicht nur von außergewöhnlichen Leben, sondern verweben diese mit ihren eigenen Gedanken, Prägungen und Gegensätzen. Ihr Wechselspiel aus Perspektiven, geprägt von kultureller Herkunft, Temperament und ganz individueller Weltsicht, eröffnet faszinierende neue Blickwinkel auf Kunst, Kultur, Gesellschaft und auf das eigene Leben. Ein Buch wie kein anderes: inspirierend, provokant, berührend. Ein poetisches Experiment zwischen Biografie, Essay und Selbstreflexion, für alle, die glauben, dass Exzentrik kein Makel, sondern eine verborgene Kraft ist.

Vergangene Zeiten sind seine Leidenschaft: Jens Nielsen wurde 1969 in der alten Herzogstadt Schleswig geboren und lebt heute in Kiel. Bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, war er viele Jahre als Museumspädagoge unterwegs, bevorzugt in historischen Gewändern, mit Schwert, alten Gewürzen oder Hexenprozessakten unter dem Arm. Ob im Schloss Gottorf, im Freilichtmuseum oder bei einer mittelalterlichen Stadtführung: Nielsen machte Geschichte nicht nur sichtbar, sondern auch erlebbar. Mit seiner Agentour Zeitensprung ließ er Städte wie Lübeck, Kiel und Schleswig in lebendigen Führungen aufblühen, mal als Mönch und mal als Nachtwächter. Als Experte für norddeutsche Zeitgeschichte und für die Hexenprozesse in Schleswig-Holstein und als Liebhaber von alten Kirchen und Klöstern ist er zudem überall vor Ort unterwegs und gräbt hier die Geschichten aus, die unter der Oberfläche brodeln. 2020, im pandemiebedingten Stillstand, wechselte Nielsen endgültig vom Erzählformat Führung zum Format Buch. Seitdem schreibt er investigative zeitgeschichtliche Sachbücher, Biografien, kunsthistorische Kirchenführer und historische Romane mit klarer Handschrift: detailverliebt, atmosphärisch, norddeutsch und gern mit einem dunkleren Unterton. Seine Bücher dokumentieren Vergangenes nicht nur, sondern sie machen die Vergangenheit mitreißend lebendig. Ob es um sogenannte Hexen, Familiengeheimnisse, versunkene Burgen oder mystische Quellen geht: Jens Nielsen erzählt mit Neugier, Herzblut und einem feinen Gespür für das Menschliche im Historischen. Sein Debütroman Nichts als Asche erzählt von der Hexenverfolgung in Schleswig und verbindet archivalische Genauigkeit mit literarischer Dichte. Es folgten weitere Werke, darunter Die Ramckes, eine deutsche Familie, Wer einmal lügt und das Sachbuch Großmutter Erde, das sich auf die Spur archäologischer Mythen und heiliger Quellen begibt. Jens Nielsen gelingt es, historische Stoffe so zu erzählen, dass sie nachhallen. Seine Figuren sind oft zerrissen zwischen Schuld, Herkunft und der Suche nach Wahrheit und bewegen sich irgendwo zwischen Archivstaub und Lebensdrama. Und obwohl er heute nicht mehr im Museum tätig ist, hält er nach wie vor die Balance zwischen Fakten und dem feinem Gespür für das Menschliche im Geschichtlichen. Jens Nielsen bringt Geschichten ans Licht, die nie in Vergessenheit geraten sollten.
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Blixa Bargeld

(J.N.)


„Wer sich am kommerziellen Musikgeschmack orientiert, dient der Reaktion“

Es muss so 1989 gewesen sein, als ich auf dem Fußboden des Zimmers eines Bekannten, den ich nur lose kannte, zwischen Zigarettenkippen, halbgeleerten Weinflaschen, zerknüllten Papierkügelchen und dunklen Flecken auf dem Teppich ein wohl noch neues, weil kaum verknicktes Plattencover liegen sah. Noch mit anderen „jungen bunten Hunden“ war ich vor dem eigentlich an jedem Wochenende freitags und samstags anstehenden Discobesuch mit zu dem Bekannten nach Hause gegangen, der damals noch bei seinen erfreulich progressiven Eltern lebte. Hier wurde getrunken, gekifft und sich auf den Abend eingestimmt. Doch auch wenn ich nichts davon anrührte, das Cover auf dem Fußboden zog mich damals schon auf dem ersten Blick genauso an, wie es mich abstieß, so viel weiß ich noch.

„Bunte Hunde“ nannte ich die mir näherstehenden jungen Männer und Frauen um mich herum später aus gutem Grund, weil wir damals in unserer Kleinstadt nur sehr wenige langhaarige, bunt oder aber konsequent schwarz angezogene junge Leute waren, die aus dem Rahmen fielen und überall in der Stadt schief angesehen wurden. Doch das ist eine andere Geschichte. Zunächst zurück zum Cover, was da vor mir auf dem Boden lag und sich von dem Weinfleck daneben und der Zigarettenkippe darauf deutlich abhob. Es war wohl das erste Mal, dass ich eine LP mit einer Abbildung dieser Art darauf zu Gesicht bekam, sonst hätte es mich nicht so beschäftigt. Sie zeigte ein gezeichnetes rotes, männliches Pferd auf schwarzen Grund beim Urinieren. Der übergroße Penis des Hengstes und der Schwall Urin, der aus ihm hervorsprudelte, war kaum zu übersehen.

„Einstürzende Neubauten“ stand mit faszinierend gestalteten Buchstaben oben direkt über dem Pferd zu lesen. Dass die Scheibe „Haus der Lüge“ hieß, sollte ich erst viel später erfahren. Das waren sie also, die „Einstürzenden Neubauten“ mit ihrem Sänger „Blixa Bargeld“, von dem ich schon so viel mitbekommen, von der Band aber bisher nie ein Stück gehört hatte. Im Laufe der kommenden Jahre sollte ich noch mehr von der charismatischen Band und ihrem extravaganten Sänger kennen lernen, machte er doch für einen Teil meiner sogenannten „Peergroup“ in unserer Kleinstadt geradezu den Verkünder eines ganz neuen Lebensgefühls aus. Auch wenn ich nie richtig Fan wurde, so war ich doch voller Respekt, wenn mir Werke dieser Band begegneten. So ist es bis heute geblieben.

Der „Bürgerschreck“, Hutträger, Anarcho, Musiker, Komponist, Autor, Schauspieler, Hausbesetzer, Klangforscher und Performance-Künstler Blixa Bargeld war am 12. Januar 1959 in West-Berlin als Hans- Christian Emmerich in einer Sozialbausiedlung am Grazer Damm geboren worden. Doch wurde Bargeld nicht nur in Berlin geboren, er wuchs auch hier auf, in einer Stadt, in der damals in der Vorstellung für uns Kleinstädter noch alles möglich schien. Berlin, das war ein Name, der für uns den gleichen schillernden Klang wie beispielsweise London hatte - weit weg und ungeheuer angesagt.

Zuerst war wohl Blixa Bargelds Frau Erin auf die Idee gekommen, ihren Nachnamen offiziell in den Künstlernamen Bargeld umändern zu lassen. Sie hieß vorher Zhu, glaube ich. „Blixa“ übernahm von ihr dann diesen Namen. Seitdem steht offiziell Christian Bargeld bei ihm im Ausweis, soviel hatte ich gelesen. Bargeld war wohl schon als Heranwachsender ruhig und ernst, aber auch schon früh sehr willensstark gewesen, erzählte seine Mutter einmal in einer Dokumentation über sein Leben, die ich Jahrzehnte später und weit nach Mitternacht auf „YouTube“ sah.

Im Berliner Ortsteil Friedenau, welcher wohl zum Bezirk Tempelhof-Schöneberg gehörte, besuchte Bargeld zunächst das Paul-Natorp-Gymnasium, brach die Schule jedoch vorzeitig ohne Abitur ab und blieb ohne Abschluss. Dieses Detail seines Lebens gefiel mir 1989 noch ausgesprochen gut und sprach mich an. Ich sah in ihm den Aussteiger, der mir für mein eigenes Leben auch vorschwebte, zu werden, obwohl ich die Schule doch abgeschlossen und auch gehorsam eine Lehre begonnen hatte, wie von mir erwartet wurde.

Bargeld hatte wohl schon immer seinen eigenen Kopf und setzte sich eigene Ziele komplett abseits des Mainstreams. Auch einen eigenwilligen Modegeschmack besaß er schon früh. Auch darin erdreistete ich mich, Parallelen zu meinem eigenen Leben zu sehen. Schon vor der Pubertät suchte Blixa Bargeld sich, laut seiner Mutter, lila Hosen in Kombination mit gelben Hemden aus. Diese Vorstellung eines krassen, bunten und extravaganten Modestils gefiel mir, war ich doch spätestens seit 1986 dabei, mir ein freakigeres punkiges Outfit zuzulegen.

Auch war Bargeld eine Zeit lang der Hausbesetzerszene zugehörig, die ich ohnehin bewunderte, ohne mich je getraut zu haben, in ein solches besetztes Haus zu ziehen. Er hatte vieles von dem bereits verwirklicht, was ich nie umsetzen würde und konnte. Vielleicht lag darin seine Faszination für mich. Die metallenen Klänge der „einstürzenden Neubauten“, so nahm ich beim ersten Mal hören wahr, ähnelten zunächst den endlosen Percussion-Vorführungen, bei denen es in den 1980-ern überall privat in bestimmten Kreisen fast in Mode war, auf alldem zu trommeln, was laut war und sich in irgendeiner Form als Schlagzeug eignete, alte Autos, Einkaufswagen, Metallschrott und anderes. Besonders auf Demonstrationen war das sehr beliebt, Stunde um Stunde auf den metallenen aus Schrott zusammengeschobenen Barrikaden und auf Kanistern zu trommeln. Erst durch Blixa Bargelds beschwörende Worte bekamen diese Klangcollagen für mich einen tieferen Sinn.

Bekannt geworden ist Bargeld in meiner damaligen Szene, zu der ich erst spät dazustieß, doch nicht nur als Frontmann der „Einstürzende Neubauten“, die bereits im Jahr 1980 gegründet und für ihren experimentellen Einsatz von ungewöhnlichen, auch selbstgebauten Instrumenten und Geräuschen berühmt wurden. Auch viele verschiedene andere Kleinkunstprojekte trugen seine Handschrift. Doch hatte Bargeld besonders mit seinem Musikprojekt die damalige Post-Punk- und Industrial-Szene geprägt, denen mein Umfeld sich zugehörig fühlte und an der auch ich mich eine Zeit lang versuchte, ohne jedoch Teil davon zu sein. Die Band hatte Abstand davon genommen, Instrumente einzusetzen, so wie man sie bisher gemeinhin kannte. Die Musik der Gruppe war vor allem bekannt geworden für ihre avantgardistischen, klagenden und oft verstörend eindringlichen Klänge, die Bargeld zudem von Anfang an mit seinen ihm eigenen Wortspielen und ungewöhnlichen Metaphern kombinierte. Es war nicht Ziel der Band, Musik zu erstellen, die angenehm war, sie wollten der Musik vom Ende der 70-er Jahre radikal etwas entgegensetzen – und eher unangenehme aufwühlende Musik produzieren.

Die Musiker schafften es damit, speziell den Schmerz und die Verzweiflung von jungen Menschen aufzunehmen, die wütend auf die Welt und die sich ihnen nicht bietenden Chancen waren. In diesem Lebensgefühl fand auch ich mich wieder, war das zu dieser Zeit doch noch ein Gefühl, in dem man sich herrlich leidtun, dem Weltschmerz hingeben und alles hinterfragen konnte. Was Blixa Bargeld aus seiner Gitarre herausdrückte, hatte zuvor noch nie jemand so in dieser Form gehört. Er ist bis heute bekannt dafür geblieben, Worte aus ihrem angestammten Kontext zu reißen und sie in oft düsteren und metaphorischen Weisen neu zu verwenden.

Bargelds Bühnenpräsenz und sein Auftreten gelten auf Grund seiner extravaganten Erscheinung und seinem fast irgendwie leicht zerstört anmutenden Aussehen bis heute als einzigartig und auch als sehr intensiv. In den 80er-Jahren hatte man auf Grund seines Drogenkonsums noch Wetten darauf abgeschlossen, ob er das Jahrzehnt überhaupt überleben würde. Doch er schaffte es. Manchmal gab er in Konzerten, bei denen er grundsätzlich barfuß auftrat, unartikulierte Laute oder Schreie von sich, die mehr einer erwürgten Katze als einem Menschen ähnelten. Die Songs der Neubauten trugen Titel wie „Sehnsucht“, „Ich hatte ein Wort“, „Krieg in den Städten“, „Steh auf Berlin“, „Ende Neu“ oder „Unvollständigkeit“ und das sprach mich an. Jedenfalls damals. Damit es der Band gelingen konnte, ihre überaus kraftvollen und einzigartigen Klanglandschaften aus stampfenden, hypnotischen Industrial-Klängen zu erschaffen, kamen die verschiedensten Materialien und Werkzeuge, beispielsweise sogar Bohrmaschinen, zersplitterndes Glas, Industrieschrott oder aber Presslufthammer, als Klangexperimente zum Einsatz.

Die „Neubauten“, wie sie unter Insidern schlicht und ehrfürchtig genannt wurden, sind neben Kraftwerk schon seit langem eine der einflussreichsten deutschen Bands der Welt. Besonders an den frühen Werken der britischen Synthie-Pop-Gruppe Depeche Mode ist der nicht zu unterschätzende Einfluss der Neubauten noch immer abzulesen. Von Bargeld stammen auch noch vier Soloalben, die er mit...



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