E-Book, Deutsch, 312 Seiten
Nielsen Nichts als Asche
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7562-8148-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein historischer Roman zur Zeit der Hexenverfolgungen in Schleswig
E-Book, Deutsch, 312 Seiten
ISBN: 978-3-7562-8148-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schleswig im 16. Jahrhundert. Caterina Eggerdes ist die Schwester des dortigen Stadtvogt und eine weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannte und gefragte Heilerin. Schon oft hat sie zusammen mit ihrer Magd, Helferin und Freundin Abelke Stenbruggers, bei Krankheit den Menschen Hilfe geleistet, die nach ihr haben rufen lassen. Doch plötzlich ist alles anders: Als der Kürschner Hans Bunthmaker zu Tode kommt, wird Caterina wegen Mordes und wegen Anwendung dunkler Künste angeklagt und verhaftet. Auch muss sie sich plötzlich gegen zahlreiche weitere Anschuldigen wehren, von denen sie bisher nicht gewusst hatte. Als dann immer mehr Frauen der Hexerei bezichtigt werden, ist die Stadt in Unruhe. Schließlich ist der Hexenwahn in Schleswig kaum noch zu stoppen und die ersten Scheiterhaufen lodern. Der Roman erzählt auf sehr dichte und eindringliche Weise über das Schicksal der im historischen Schleswig real existierenden Caterina Eggerdes und von Frauen aus ihrem Umfeld. Es ist als Roman das Debütwerk des Autors Jens Nielsen, welcher sich mit zahlreichen investigativen Sachbüchern einen Namen gemacht hat.
Jens Nielsen, 1969 in Schleswig geboren, gelernter Pädagoge, lebt als Museums- und Kulturpädagoge und als Historiker und Publizist in Kiel. Jahrzehntelange Selbständigkeit mit seiner Agentour Zeitensprung im Bereich Museumspädagogik und Living History. Er war freier Mitarbeiter u.a. im Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Schloss Gottorf in Schleswig und im Landesmuseum für Volkskunde im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel. Es erschienen von Nielsen zunächst in loser Reihenfolge zahlreiche kunsthistorische Kirchenführer im Auftrag der jeweiligen Kirchengemeinden im gesamten Bundesgebiet. Ab 2019 brachte er Werke im eigenen Auftrag zu historischen, zunächst auf die Stadtgeschichte Schleswigs bezogene Themen heraus. Seit 2021 folgen geschichtliche Themen aus allen Sparten und Regionen.
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Eine ungewöhnliche Anfrage
E igentlich hatte sie es schon immer gehasst. Caterina ließ das kleine Messer fallen und verließ leise fluchend ihre kleine Kräuterküche, in der sie begonnen hatte, Zwiebeln und Knoblauch in feine Stücke zu schneiden. Sie rieb sich mit dem Handrücken in ihrem linken Auge, während sie die andere Hand an ihrer Schürze abwischte. Es war kaum zu verhindern, dass die unsichtbaren Verdunstungen der doch ansonsten so nützlichen Zwiebel ihr auch dieses Mal wieder ins Auge gerieten. Merkwürdig nur, dass immer nur ihr linkes Auge von dem unerträglichen Brennen der reizenden Pflanzensubstanz betroffen schien, während das rechte Auge lediglich leicht zu zucken begann, so wie jetzt auch. In ihrer Kräuterküche Knoblauch und vor allem auch Zwiebeln in größeren Mengen bereitzuhalten war trotz aller Ungemach nicht ganz unwichtig, ergab diese pflanzliche Kombination, zusammen mit Wein und Ochsengalle vermischt, doch nach neun Tagen Mazerieren in Caterinas penibel ausgescheuertem Kupferkessel nach dem Abseihen der Flüssigkeit ein vortreffliches starkes Augenwasser. Dieses Wasser als Spülung half so hervorragend gegen manche Entzündung im Auge, die in dieser Jahreszeit mit ihren kalten Winden so häufig in Schleswig anzutreffen war. Nur allein der beim Schneiden weniger brennende Knoblauch reichte für das Augenwasser nicht, es mussten immer auch geschnittene Zwiebeln dazu. Außerdem verhalfen Caterina die Zwiebeln, zusammen mit dem Hundeschmalz, zu einer vortrefflichen Salbe, die sie des Abends nach langem Stehen und Gehen auf ihre geschwollenen Füße streichen konnte. Caterina rieb sich immer noch leise fluchend an ihrem Auge herum, als sie hinter sich die Tür gehen hörte. Das leichte Knirschen der schmiedeeisernen Türangeln war ihr über die Jahre mehr als vertraut, so dass sie es kaum bewusst wahrnahm. Eine jüngere Frau erschien in der Tür und sah ihre Herrin mitfühlend an. Ursprünglich war sie als Magd vor Jahren in Caterinas und ihres Mannes Hans Toffelmakers Hause angestellt worden, aber im Laufe der Zeit war sie ihrer Herrin immer mehr eine Vertraute, wenn nicht gar eine sehr gute Freundin geworden, deren Unterstützung Caterina immer dringlicher benötigte. Abelke Stenbruggers stammte, soweit sie selbst zurückdenken konnte, schon immer aus Schleswig. Schon ihre Eltern hatten lange in einer Bude im unteren Teil der Torffstrate gewohnt, als Abelke in den Haushalt des Toffelmakers aufgenommen wurde. Caterina und Abelke setzten sich zusammen wieder an den großen derben Tisch in der Kräuterküche mit seiner leicht fettig wirkenden und völlig mit Scharten und Kerben übersäten Oberfläche. Caterina blinzelte ihre Freundin aus ihrem rot geriebenen Auge schelmisch an, wobei das Blinzeln nur halb dem Saft der Zwiebeln und halb der hellen Sonne geschuldet war, die jetzt durch die obere Hälfte der Eingangstür hereinflutete. Erstmals seit vielen dunklen Monaten erreichte das Sonnenlicht auch wieder die andere Seite der Zimmerwand und beleuchtete die Tatsache, dass Hans Toffelmaker und seine Frau Caterina in Schleswig nicht ganz unvermögend sein konnten. Es gab hier nicht nur aufwendig gestaltete und farblich gefasste Möbelstücke. Vor allem die sauber gefügten und mit Fugenleisten überdeckte Holzbohlen auf dem Boden zeugten von einem gewissen Wohlstand, Sie ließen, anders als in den Buden und Verschlägen der ärmeren Leute, die aus dem Boden kriechende Kälte, den Staub und auch die Spinnweben nur erschwert hindurch. Gerade Abelke kannte aus der ärmlichen Behausung ihrer Eltern in der Schleswiger Torffstrate ganz andere Böden und wusste die wohlgescheuerten Bohlen im Hause Toffelmaker/Eggerdes zu schätzen. „Caterina“, sagte Abelke nachdenklich, während sie mit geübten Griffen die übrig gebliebenen Zwiebeln und den Knoblauch mit dem scharfen Messer in winzige Würfel schnitt. „Jo, mien Deern“, antwortete Caterina, froh das Messer ein weiteres Mal absetzen zu können, um sich ebenso ein weiteres Mal am Augenlid zu reiben. Sie atmete merklich auf bei der Feststellung, dass der Berg an noch zu bearbeitenden Zwiebeln und dem Knoblauch schon sehr viel kleiner geworden war. „Caterina“, wiederholte Abelke jetzt mit mehr Nachdruck. „Nun spuck schon aus, was du auf dem Herzen hast“, sagte Caterina. Sie kannte ihre Freundin und Gehilfin sehr genau. „Worüber denkst Du nach?“ Man musste bei Abelke zu jeder Tageszeit auf irgendwelche Merkwürdigkeiten gefasst sein. Sie dachte sich oft und gern fantasievolle Geschichten aus und überforderte ihr Gesprächsgegenüber manchmal mit überbordendem Einfallsreichtum. Oft sprach sie sehr schnell und sehr viel, so dass man ihren Redefluss immer mal wieder stoppen musste. Heute aber wollten die Worte nicht so recht aus ihr heraus.[1] Gerade hob Abelke ein drittes Mal zu sprechen an, da hörte man die Haustür leicht ächzen und das so typische Geklapper von Holzpantoffeln auf dem Eingangsstein war zu vernehmen. „Kundschaft“, murmelte Caterina und legte nicht unwillig das scharfeMesser und den Knoblauch beiseite, für den sie sich gerade statt der Zwiebel zum Wohle ihres Auges entschieden hatte. Es kam in dieser Jahreszeit verhältnismäßig oft vor, dass sie an ein Krankenlager gerufen wurde oder jemand ihre Dienste anderweitig, auch außerhalb der Stadt, benötigte. „Frau Eggerdes“, rief eine leicht unterdrückte und rauchige männliche Stimme aus dem Eingangsbereich des Hauses. „Komm nur näher“, forderte ihn Caterina auf und kam dem Mann freundlich, aber immer noch mit rotem Auge, auf der Diele entgegen. „Mein Meister …“, druckste der ältere Mann herum, der nun auf dem Kopfsteinpflaster der Diele stehengeblieben war, drehte verlegen seinen abgetragenen Hut in den Händen und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Als ihm die Hausherrin Caterina Eggerdes in ihrer hochgewachsenen, ehrfurchtgebietenden Gestalt entgegentrat, wurde er sogar ein wenig blass, soweit man dies gegen das helle Sonnenlicht überhaupt erkennen konnte. Der Mann wich zurück und drückte nervös seine am Hinterteil abgeschabte Hose gegen die große schöne Truhe, die in der Diele nahe dem Eingang stand. Er räusperte sich mehrmals. „Hvad er der på færde Hinrick?“ fragte Caterina und fühlte, wie sie langsam ungeduldig wurde, hatte sie doch gerade erst mit genauso wenig Erfolg versucht, ihre Freundin zum Sprechen zu bewegen. Immer wenn sie ungehalten oder aufgeregt war, wechselte sie vom Niederdeutschen ins Dänische und wer sie kannte, wusste das als Alarmzeichen wohl zu deuten. Der Mann schwieg indessen weiter beharrlich und blieb auch verlegen und mit gesenktem Kopf an der großen und mit eindrucksvollen Schnitzereien verzierten Truhe stehen, die seit der Hochzeit von Hans Toffelmaker und Caterina Eggerdes vor ein paar Jahren unverrückt in der Diele stand. Nur die Augen des Mannes gingen weiterhin verstohlen zwischen der Hausherrin und ihrer Magd, die, als sie die dänischen Worte hörte, alarmiert hinzugetreten war, hin und her. Caterina und Abelke kannten den Mann, der da so linkisch vor ihnen stand, schon eine Weile. Hinrick Lange, so hieß er, war Geselle bei Hans Bunthmaker am „Sweinsmarkt“ und ansonsten nicht auf den Mund gefallen, besonders wenn er mit den anderen Gesellen und Knechten auf dem Rathausmarkt zusammenstand. Schließlich gab sich der Mann doch einen Ruck, holte tief Luft und entgegnete: „Ihr sollt sofort kommen, sagt die Herrin, dem Meister geht es sehr schlecht.“ Dann drehte er sich um und rannte mit seinen laut klappernden Holzschuhen aus dem Haus, ohne sich weiter um die beiden Frauen zu kümmern. Caterina und Abelke blickten dem Gesellen verwundert hinterher, wie er eilig mit seinen schweren Holzpantoffeln um die nächste Hausecke verschwand, nicht bevor er dreimal vernehmlich auf das Pflaster vor dem Haus gespuckt hatte und man ihn leise „Toi, toi, toi“ hatte murmeln hören. Caterina war verärgert über so viel Missachtung ihrer Person. Immerhin durfte sie als Frau eines ehrbaren Schleswiger Bürgers und als Schwester des Stadtvogtes ein wenig mehr standesgemäße Behandlung erwarten. Sie war es gewohnt, dass man sie, wenn sie helfen sollte, zu der kranken Person geleitete, ihr Schutz auf den Straßen gewährte und in dunklen Zeiten sogar voran leuchtete. Von diesem Entgegenkommen war jetzt wahrlich nichts zu bemerken. Obwohl sie ungehalten war, machte sich Caterina schnell, aber umsichtig an ihre Vorbereitungen und suchte gezielt einige Kräuter zusammen, wickelte sie in ihr leicht speckig anmutendes Rollmäppchen und schob sie zu den anderen Utensilien in ihre große immer bereitstehende Tasche. Ihr wichtigstes Handwerkszeug aber – ihre Hände – hatte sie naturgemäß immer dabei und im wahrsten Sinne des Wortes „griffbereit“. Auch Abelke war als ihre Gehilfin zügig fertig und stand mit ihrem hastig übergeworfenen Umhang und einem selbstgewebten Überwurf bereits vor der Tür, als Caterina sich zum Gehen anschickte. Caterina zog die beiden Türhälften hinter sich zu und beide Frauen machten sich...




