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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 19, 608 Seiten

Reihe: Köln-Krimi

Schätzing Lautlos

E-Book, Deutsch, Band 19, 608 Seiten

Reihe: Köln-Krimi

ISBN: 978-3-86358-052-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Am 3. Juni 1999 streckt der serbische Diktator Slobodan Milosevic die Waffen vor den Verbänden der Nato. Der Krieg der Werte scheint gewonnen, der Frieden gesichert. Oder doch nicht? Ein Kommando unter der Leitung der Superterroristin Jana infiltriert den Flughafen Köln/Bonn wenige Tage bevor die weltpolitische Elite auf dem Gipfel zusammenkommt. Für wen arbeitet Jana? Was verbirgt sich hinter der unheimlichen Waffe, die YAG genannt wird und einen neuen Krieg heraufbeschwören könnte? Liam O'Connor, Schriftsteller und Physiker, ist zu Besuch in Köln und kommt Jana auf die Spur. Doch wer glaubt schon einem Mann, der zwar für den Nobelpreis nominiert, aber als Playboy und Säufer berüchtigt ist und seine Umwelt mit Vorliebe zum Narren hält? Während die Vorbereitungen für den Empfang der Staatsgäste auf Hochtouren laufen, beginnt ein atemloses Katz- und Mausspiel zwischen O'Connor und Janas Phantomkommando. Die Katastrophe scheint unausweichlich. Bis die Geschichte eine unerwartete Wendung nimmt, an deren Ende niemand mehr weiß, wer noch Freund und wer schon Feind ist.
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1998. 14.DEZEMBER. PIEMONT. LA MORRA Am späten Vormittag des folgenden Tages starrte Maxim Gruschkow in einen Schnellhefter und bewegte leicht die Lippen. Auf seinem kahlen, überaus blanken Schädel schimmerten die Reflexe der Leuchtstoffröhren. Obschon draußen eine klare Wintersonne schien und der Himmel von einem opalisierenden Blau war, bevorzugte Gruschkow heruntergelassene Jalousien und Kunstlicht. Er las die wenigen Zeilen mit solcher Konzentration, daß jedes Geräusch, selbst das Summen der Computer, aus Rücksichtnahme zu ersterben schien. Dann klappte der den Hefter langsam zu und legte ihn ohne Hast auf den Tisch, an dem er, Silvio Ricardo und Jana sich versammelt hatten. Seine Finger massierten die Haut über den Augenbrauen. Er spitzte die Lippen, schien seinen Blick eine Sekunde nach innen zu lenken und fokussierte dann seine beiden Gegenüber. »Das kann nicht Ihr Ernst sein«, sagte er. Seine Stimme klang unbeteiligt und sachlich, so wie er immer sprach. Nur einmal hatte Gruschkow seine Beherrschung verloren. Das lag Jahre und Tausende Kilometer zurück und war der Grund dafür, daß er nun in Italien lebte und nicht mehr in Moskau. »Ja.« Ricardo zog die Schultern hoch und breitete die Hände aus. »So was ähnliches habe ich auch gesagt.« Das Treffen fand in Gruschkows »Hexenküche« statt. Hier, in der Entwicklungsabteilung von Neuronet, heckte der Chefprogrammierer von Neuronet Softwarelösungen aus und bediente innovationshungrige Märkte. Sie hatten sich in den Besprechungsraum zurückgezogen und die Tür geschlossen. Der Raum war schalldicht. Das ließ sich jedermann leicht erklären, denn kaum irgendwo sonst hatte Industriespionage derartige Ausmaße angenommen wie im Computer- und Online-Business. Ein Ausdruck lag auf Gruschkows Zügen, den man selten an ihm sah. Er wirkte ratlos. Jana hingegen war äußerst zufrieden. »Das ist gut«, sagte sie. »Gut?« Gruschkow verschränkte die Arme und brütete eine Weile vor sich hin. »Ich weiß nicht. Es ist das Irrwitzigste, was mir je untergekommen ist.« Seine Hand glitt über das Dossier, als wolle er sich seiner Echtheit versichern. »Kein Mensch würde auf so eine Idee kommen außer Ihnen.« »Man kann durchaus darauf kommen«, sagte Jana gleichmütig, »wenn man zur richtigen Zeit ein Glas Wein trinkt.« »Eher wohl eine ganze Flasche«, bemerkte Ricardo trocken. Jana winkte ab. »Völlig unwichtig. Entscheidend ist, daß ich es ausgerechnet habe. Meine Kenntnisse sind rudimentär, ich weiß gerade das Notwendigste über die Technologie, derer wir uns dafür bedienen müßten. Aber der Gedanke ist verlockend. Wenn sogar meine engsten Mitarbeiter es für Irrsinn halten, besteht eine gute Chance, damit durchzukommen.« »Eben«, sagte Gruschkow. »Hier liegt das Problem. Sie wissen das Notwendigste. Auf der Basis kann man Science-fiction produzieren. Ich will nicht in Abrede stellen, daß Ihnen das gelungen ist.« »Es ist mehr als Science-fiction.« »Augenblicklich nicht.« »Ich will einfach nur wissen, ob es völlig ausgeschlossen ist.« Gruschkow kratzte seinen Schädel. Ricardo schüttelte skeptisch den Kopf, sagte aber nichts. Er griff nach dem Dossier und schlug es auf. Es war das dritte Mal, daß er das an diesem Vormittag tat. Jana schwieg und wartete. Ihretwegen konnten sie es lesen, so oft sie wollten. Sie hatte keine Eile. Für die Dauer weiterer Minuten war nichts als das Rascheln der umgeblätterten Seiten zu hören. »Also, ich bin ja nun überhaupt kein Fachmann«, sagte Ricardo schließlich hilflos. »Ich kann nur mein Gefühl sprechen lassen. Ebensogut hätten Sie schreiben können, daß Sie sich beamen lassen wollen. Ich glaub’s einfach nicht.« »Ich bin auch kein Experte«, sagte Gruschkow. »Jana will wissen, ob es grundsätzlich machbar ist. Darauf läßt sich antworten, daß es mit der Machbarkeit eines Mondfluges vor zweihundert Jahren auch nicht gerade weit her war.« Er stand auf und begann, im Raum umherzugehen. »Das Problem ist, es gibt Dinge, die sind grundsätzlich nicht machbar, oder nur nicht in ihrer Zeit. So gesehen ist es zumindest nicht ganz ausgeschlossen. Es klappt im Modellversuch wahrscheinlich spielend. Alle mit einbezogenen Faktoren auf ein Zwanzigstel ihrer Größe reduziert und in einem hermetisch abgeschlossenen Umfeld angeordnet, das könnte gehen. Wenngleich ich noch nicht weiß, wie wir ein bewegliches Ziel mit einem derart starren System treffen sollen. Die Crux ist, daß wir es mit dem wahren Leben zu tun haben, das ist ganz was anderes. Ich weiß nicht, ob so etwas in derartigen Dimensionen je gemacht worden ist.« »Die Amerikaner haben es gemacht«, sagte Jana. »Rußland übrigens auch.« »Das ist was anderes. Ich weiß, worauf Sie anspielen.« Gruschkow blieb stehen. »Aber es war ein Heidenaufwand. Und sie haben es auch nur in der blitzsauberen Simulation geschafft. Es ist Science-fiction, darüber müssen wir uns im klaren sein, bevor wir weiter an der Idee arbeiten.« Jana wies mit einer umfassenden Geste auf die Computer ringsum. »Das alles hier ist Science-fiction«, sagte sie. »Wir können nicht in entfernte Regionen des Universums reisen, weil wir nicht wissen, ob es einen Weg gibt, die Naturgesetze auszutricksen. Bleibt der Glaube, daß irgendwann jemand dahinter kommen wird, wie’s geht. Wurmlöcher, Quantentunnel. In unserem Fall liegen die Dinge anders. Wie es geht, wissen wir. Wir haben keinerlei Verständnislücken. Wir müssen nichts erfinden, was nicht schon da wäre. Die Frage ist einzig, wie wir es uns zunutze machen.« »Ihr Rechenbeispiel bezieht sich auf die erforderliche Leistung unter Einrechnung der Entfernung«, sagte Gruschkow stirnrunzelnd. »Mir ist schon klar, daß wir die nötige Kraft entfesseln können, aber ist Ihnen bewußt, wie riesig das Ding sein wird, das wir brauchen? Wie wollen Sie etwas so Großes mitten in eine Hochsicherheitszone bringen?« »Gar nicht. Ich schätze, die Hochsicherheit spielt sich in einem Radius von ein bis maximal zwei Kilometern ab.« »Sie gehen von zwei bis drei Kilometern aus.« »Nötigenfalls auch mehr. Ich denke, wir sind bis zu fünf Kilometern auf der sicheren Seite. Danach geht’s immer noch, wird aber eng. So oder so können wir einen Gegenstand dieser Größe außerhalb der Sicherheitszone plazieren, ohne daß es auffällt.« »Sie werden auf die Distanz Probleme mit Umwelteinflüssen bekommen. Aber wie auch immer. Nehmen wir an, das kriegen wir geregelt. Sie müssen es dennoch schaffen, die Vorrichtung beweglich zu gestalten. Das wird kaum möglich sein. Sie müßten einen Schlitten gigantischen Ausmaßes bauen, der noch dazu in einem Hochpräzisionsgestänge eingelagert ist und absolut erschütterungsfrei bewegt werden kann.« Jana schüttelte den Kopf und wies mit dem Finger auf das Dossier. »Die Vorrichtung ist starr.« »Ihr Ziel aber nicht. Es ist etwa so, als solle sich ein Haus mitdrehen, wenn jemand dran vorbeigeht.« »Überhaupt nicht. Was wir brauchen, ist ein Umleitungssystem.« »Sie meinen …« »Die klassische Lösung.« Jana lehnte sich vor und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Es wird funktionieren, Gruschkow! Nichts anderes haben die Amerikaner und die Russen auch gemacht. Ich habe noch keine Vorstellung davon, wie wir es steuerungstechnisch lösen, aber es müßte so sein, daß eine der Komponenten beweglich ist.« Jana erläuterte Gruschkow den technischen Aufbau, wie sie ihn sich vorstellte. Tatsächlich war sie keineswegs so sicher, ob es funktionieren würde, wie sie tat. Sie wußte zu gut, daß die Idee einem roh geschliffenen Halbwissen, einer exzellenten Flasche Rotwein und der fortgeschrittenen Tageszeit von drei Uhr morgens entsprang. Aber wenn sie selbst zu sehr zweifelte, bekäme sie Gruschkow nicht dazu, sich weiter damit auseinanderzusetzen. Zwar unterstand er ihrem Kommando, dennoch konnte sie nichts von ihm erzwingen, was er selbst für unmöglich hielt. Ricardos Meinung war eher von akademischem Interesse. Er war Kaufmann, kein Wissenschaftler. Von ihm hatte Jana nichts anderes hören wollen, als was er gesagt hatte. Die meisten Leute gingen zuallererst nach ihrem Gefühl, wenn es um die Frage des Möglichen oder Unmöglichen ging. Die Mehrheit der Menschen war beispielsweise der Meinung, interstellare Fernstreckenreisen müßten über kurz oder lang möglich sein, obgleich es allen physikalischen Gegebenheiten zuwiderlief. Die wenigsten hielten es wiederum für möglich, daß Kraken Konversationen untereinander führten in einer Sprache auf Basis von Körpermustern, aber genau dafür hatte die Wissenschaft deutliche Anzeichen. Der Prozeß des Aussonderns, den das menschliche Gehirn tagtäglich vollzog, geschah schnell und intuitiv. Was einem mangels tieferen Verständnisses nicht sofort einleuchtete, galt erst einmal als unwahrscheinlich. Hätte man den Deutschen erzählt, Gerhard Schröder sei ein getarnter Außerirdischer, hätte sich kaum jemand daran begeben, es nachzuprüfen. Entsprechend hatte Ricardo, ein intelligenter Mann von hervorragender Allgemeinbildung, reagiert, als Jana ihre Gedanken vortrug. Er schloß – obschon er es technisch nicht begründen konnte – die Möglichkeit von vornherein aus. Insofern war seine Meinung wertvoll, weil sie vermuten ließ, daß kaum jemand überhaupt auf die Idee gekommen wäre. Im Unerwarteten liegt die Chance. »Ich bin Programmierer«, sagte Gruschkow schließlich, nachdem er unbewegt zugehört hatte. »Vergessen Sie das nicht. Ich verstehe nur zufällig etwas von diesen Dingen.« »Sie verstehen nicht zufällig etwas davon, sondern weil...


Frank Schätzing, 1957 in Köln geboren. Studium der Kommunikationswissenschaften, Creative Director in internationalen Agentur-Networks. Mitbegründer der Kölner Werbeagentur INTEVI, deren kreativer Geschäftsführer er ist. Anfang der 90er Jahre begann Frank Schätzing, Novellen und Satiren zu schreiben. 1995 erschien sein erstes Buch, der Mittelalterroman 'Tod und Teufel', der vom Start weg ein Bestseller wurde. Auch seine Nachfolge-Werke überzeugten die Kritiker. Für seine schriftstellerische Arbeit erhielt er den "KölnLiteraturpreis 2002".


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