Schätzing | Tod und Teufel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 380 Seiten

Schätzing Tod und Teufel

E-Book, Deutsch, 380 Seiten

ISBN: 978-3-86358-054-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Köln im September 1260: Jeder steht gegen jeden. Erzbischof und Bürger versuchen, einander mit allen legalen und illegalen Mitteln in die Knie zu zwingen.
Jacop der Fuchs, Dieb und Herumtreiber, zeigt an den erzbischöflichen Äpfeln indes mehr Interesse als an der hohen Politik. Was ihm nicht gut bekommt: In den Ästen eines Apfelbaumes sitzend, wird er Zeuge, wie ein höllenschwarzer Schatten den Dombaumeister vom Gerüst in die Tiefe stößt. Er hat den Mord als einziger gesehen. Aber der Schatten hat auch ihn gesehen. Er heftet sich an Jacops Spuren und bringt jeden um, den Jacop einweiht. Als Jacop begreift, daß der Sturz vom Dom nur Auftakt einer unerhörten Intrige war, ist es fast schon zu spät.
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10. September Ante portas »Ich finde, es ist kalt.« »Ihr findet immer, es ist kalt. Ihr seid weiß Gott eine erbarmungswürdige Memme.« Heinrich zog den Mantel enger um seine Schultern und funkelte den Reiter neben ihm zornig an. »Das meint Ihr nicht so, Mathias. Ihr meint nicht, was Ihr sagt. Es ist kalt.« Mathias zuckte die Achseln. »Verzeiht. Dann ist es eben kalt.« »Ihr versteht mich nicht. Mir ist kalt im Herzen.« Heinrichs Hände beschrieben eine theatralische Geste. »Dass wir zu solchen Mitteln greifen müssen! Nichts liegt mir ferner als die Sprache der Gewalt, so wahr der barmherzige Gott mein Zeuge ist, jedoch –« »Er ist nicht Euer Zeuge«, unterbrach ihn Mathias. »Was?« »Warum sollte Gott seine kostbare Zeit auf Euer Zetern und Jammern verschwenden? Es wundert mich, dass Ihr überhaupt aufs Pferd gefunden habt um diese Stunde.« »Mit Verlaub, Ihr werdet unverschämt«, zischte Heinrich. »Zollt mir gefälligst ein bisschen Respekt.« »Ich zolle jedem den Respekt, den er verdient.« Mathias lenkte sein Pferd um einen gestürzten Ochsenkarren herum, der unvermittelt aus der Dunkelheit vor ihnen aufgetaucht war. Die Sicht nahm rapide ab. Den ganzen Tag über hatte die Sonne geschienen, aber es war September, und abends wurde es jetzt schneller kalt und dunkel. Dann stiegen Nebel empor und verwandelten die Welt in ein düsteres Rätsel. Kölns Stadtmauer lag inzwischen mehr als einen halben Kilometer hinter ihnen, und sie hatten lediglich die Fackeln. Mathias wusste, dass Heinrich sich vor Angst fast in die Hosen machte, und das erfüllte ihn mit einer grimmigen Belustigung. Heinrich hatte seine Vorzüge, aber Mut gehörte nicht dazu. Er trieb sein Pferd zu größerer Eile und beschloss, ihn zu ignorieren. Im Allgemeinen fiel es niemandem ein, um diese Zeit die Stadt zu verlassen, es sei denn, man warf ihn hinaus. Die Gegend war unsicher. Überall trieben sich Banden von Strolchen und Tagedieben herum, ungeachtet des Landfriedens, den der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden im Einklang mit den geistlichen und weltlichen Fürsten der umliegenden Gebiete ausgerufen hatte. Das war 1259 gewesen, nicht mal ein Jahr zuvor. Es gab ein Papier darüber, schwer von Siegeln. Glaubte man dem Wisch, konnten Wanderer und Kaufleute nun das Rheinland durchqueren, ohne von Raubrittern und anderen Wegelagerern ausgeplündert und umgebracht zu werden. Aber was tagsüber einigermaßen funktionierte, vor allem, wenn es darum ging, die Kaufleute für das magere Schutzversprechen zur Kasse zu bitten, verlor nach Sonnenuntergang jede Gültigkeit. Erst kürzlich hatte man den Körper eines Mädchens gefunden, draußen auf dem Feld und nur wenige Schritte von der Friesenpforte entfernt. Sie lag auf dem Gelände eines Pachthofs, vergewaltigt und erdrosselt. Ihre Eltern waren angesehene Leute, eine Dynastie von Waffenschmieden, seit Generationen wohnhaft Unter Helmschläger gegenüber dem erzbischöflichen Palast. Es hieß, der Leibhaftige habe die Kleine mit einem Zauber hinausgelockt. Andere wollten den Bauern aufs Rad geflochten sehen, in dessen Feld sie den Leichnam gefunden hatten. Dabei ging es weniger um die Schuld des Bauern; aber was hatte eine anständige Bürgertochter tot auf seinem Grund und Boden zu liegen! Zumal sich kein Christenmensch erklären konnte, was sie so spät dort draußen gesucht hatte. Hörte man allerdings genauer hin, wusste plötzlich jeder, dass sie sich mit Spielleuten herumgetrieben hatte und noch schlimmerem Pack, Fetthändlern aus der Schmiergasse und Gesindel, das man besser gar nicht erst in die Stadt ließ. Also doch selber schuld. Wer glaubte schon dem Landfrieden. »Wartet!« Heinrich war weit hinter ihm. Mathias stellte fest, dass er dem Vollblut zu sehr die Zügel gelassen hatte, und ließ es in ein gemächliches Schritttempo zurückfallen, bis sein Begleiter wieder neben ihm ritt. Sie hatten jetzt mehrere Höfe zwischen sich und die Stadt gebracht und den Hag erreicht. Der Mond erhellte die Gegend nur schwach. »Sollte er hier nicht irgendwo warten?« Heinrichs Stimme zitterte fast so sehr wie er selber. »Nein.« Mathias spähte zwischen den ersten Baumreihen des Hags hindurch. Der Weg verlor sich in völligem Schwarz. »Wir müssen bis zur Lichtung. Hört, Heinrich, seid Ihr sicher, dass Ihr nicht umkehren möchtet?« »Was denn, alleine?« Heinrich biss sich verlegen auf die Lippen, aber es war raus. Kurz besiegte der Zorn seine Feigheit. »Ständig versucht Ihr mich zu provozieren«, schimpfte er laut. »Als ob ich umkehrte! Als ob mir ein solcher Gedanke überhaupt käme, hier im Finstern mit Euch eingebildetem Pfau an meiner Seite, der das Maul zu weit aufreißt –« Mathias zügelte sein Pferd, langte herüber und packte Heinrich an der Schulter. »Betreffs des Mauls, da solltet Ihr das Eure vielleicht halten. Wäre ich derjenige, den wir treffen wollen, und ich hörte Euch lamentieren, würde ich mit Kopfschmerzen das Weite suchen.« Der andere starrte ihn wütend und beschämt an. Dann riss er sich los und ritt geduckt unter den Bäumen durch. Mathias folgte ihm. Die Äste warfen im Licht der Fackeln tanzende Schatten. Nach wenigen Minuten erreichten sie die Lichtung und ließen die Pferde halten. Der Wind rauschte durchs Holz, sonst war nichts zu hören als ein monotoner Uhu irgendwo über ihnen. Sie warteten schweigend. Nach einer Weile begann Heinrich unruhig in seinem Sattel hin- und herzurutschen. »Und wenn er nicht kommt?« »Er wird kommen.« »Was macht Euch da so sicher? Solche Leute taugen nichts. Sie sind heute hier und morgen da.« »Er wird kommen. Wilhelm von Jülich hat ihn empfohlen, also wird er kommen.« »Der Graf von Jülich wusste nicht das Geringste über ihn.« »Es ist nicht von Bedeutung, was man über solche Leute weiß, nur, was sie tun. Er hat Wilhelm gute Dienste geleistet.« »Ich hasse es aber, nichts über andere zu wissen.« »Warum? Es ist bequemer so.« »Trotzdem. Wir sollten vielleicht umkehren und das Ganze noch einmal durchdenken.« »Und was wollt Ihr dann erzählen? Wie Ihr Euer Pferd durchnässt habt vor Angst?« »Dafür werdet Ihr Euch entschuldigen!« »Schweigt endlich.« »Ich bin nicht so alt geworden, um mir von Euch den Mund verbieten zu lassen.« »Vergesst nicht, ich bin drei Jahre älter«, spottete Mathias. »Und der Ältere ist immer weiser als der Jüngere. Da ich mich persönlich nicht für weise halte, könnt Ihr ungefähr ermessen, wo Ihr steht. Und jetzt Ruhe.« Bevor Heinrich etwas entgegnen konnte, war Mathias abgestiegen und hatte sich ins Gras gesetzt. Heinrich beobachtete nervös den Scherenschnitt der Kiefern um sie herum und spähte nach dem Mond. Er verbarg sich hinter Schlieren. Hier und da wurde die Wolkendecke von ein paar Sternen unterbrochen. Diese Nacht gefiel ihm nicht. Genau genommen gefiel ihm keine Nacht, sofern er sie nicht im eigenen Bett verbrachte oder in den Armen einer Kurtisane. Missmutig schaute er hinter sich und kniff die Augen zusammen, um sich zu vergewissern, dass niemand ihnen gefolgt war. Ein Schatten huschte unter den Bäumen hindurch. Heinrich fuhr der Schreck so sehr in die Glieder, dass er an sich halten musste, um seinem Pferd nicht die Fersen zu geben. Seine Kehle war plötzlich unangenehm trocken. »Mathias –« »Was?« »Da ist etwas.« Mathias war im Nu auf den Beinen und spähte in dieselbe Richtung. »Ich kann nichts erkennen.« »Aber es war da.« »Hm. Vielleicht hat Euch der tiefe Wunsch nach Kampf und Heldentaten einen Feind sehen lassen. Manchmal sollen hier auch Hexen –« »Macht jetzt keine Witze. Da, seht!« Im Dunkeln tauchten zwei schwach glimmende gelbe Punkte auf und kamen langsam näher. Etwas hob sich kaum wahrnehmbar gegen das dunkle Unterholz ab, noch schwärzer als schwarz, drehte einen massigen Schädel. Es beobachtete sie. »Der Teufel«, entsetzte sich Heinrich. Seine Rechte tastete fahrig nach dem Schwertgriff und verfehlte ihn. »Unsinn.« Mathias hielt die Fackel vor sich und trat einen Schritt auf den Waldrand zu. »Seid Ihr von Sinnen? Kommt zurück, um Gottes willen.« Mathias ging in die Hocke, um besser sehen zu können. Die Punkte verschwanden so schnell, wie sie aufgetaucht waren. »Ein Wolf«, konstatierte er. »Ein Wolf?« Heinrich schnappte nach Luft. »Was tun Wölfe so nah bei der Stadt?« »Sie kommen, um zu jagen«, sagte jemand. Beide fuhren herum. Dort, wo Mathias gesessen hatte, stand ein hoch gewachsener Mann. Üppiges blondes Haar fiel über seine Schultern und lockte sich fast bis zur Taille. Sein Umhang war schwarz wie die Nacht. Keiner hatte ihn herantreten hören. Mathias kniff die Augen zusammen. »Urquhart, vermute ich?« Der Blonde neigte leicht den Kopf. Heinrich saß wie zur Salzsäule erstarrt auf seinem Pferd und begaffte den Ankömmling mit offenem Mund. Mathias sah geringschätzig zu ihm hoch. »Ihr könnt jetzt absteigen, edler Herr und Ritter, reich an Jahren und Todesmut«, höhnte er. Ein Zucken ging durch Heinrichs Gesichtszüge. Er schloss mit einem Klacken die Kiefer und rutschte mehr aus dem Sattel, als dass er stieg. »Setzen wir uns«, schlug Mathias vor. Sie ließen sich ein Stück von den Pferden entfernt nieder. Heinrich fand die Sprache wieder, straffte sich und setzte eine würdige Miene auf. »Wir hörten Euch nicht kommen«, sagte er nörgelig. »Natürlich nicht.« Urquhart entblößte zwei makellose...


Frank Schätzing, 1957 in Köln geboren. Studium der Kommunikationswissenschaften, Creative Director in internationalen Agentur-Networks. Mitbegründer der Kölner Werbeagentur INTEVI, deren kreativer Geschäftsführer er ist. Anfang der 90er Jahre begann Frank Schätzing, Novellen und Satiren zu schreiben. 1995 erschien sein erstes Buch, der Mittelalterroman 'Tod und Teufel', der vom Start weg ein Bestseller wurde. Auch seine Nachfolge-Werke überzeugten die Kritiker. Für seine schriftstellerische Arbeit erhielt er den "KölnLiteraturpreis 2002".


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