E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Küsten Krimi
Schlennstedt Lauerholz
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96041-562-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Küsten Krimi
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Küsten Krimi
ISBN: 978-3-96041-562-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Sein zehnter Fall bringt Andresen an seine Grenzen.
Zwei Teenager werden auf einer Wiese an der Lübecker Wakenitz tot aufgefunden. Alles sieht nach Suizid aus, doch ein kleines Detail weckt das Misstrauen der Ermittler. Kommissar Birger Andresen geht der Sache nach und stößt auf Ungereimtheiten im Leben der Schüler. Und auf Menschen, denen der Tod der beiden seltsam gleichgültig ist. Ein ungeklärter Vermisstenfall bringt ihn schließlich auf die richtige Spur, doch plötzlich droht die Situation zu eskalieren ...
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Beklemmung
Harald Seelhoff zu sehen war ein vertrautes und gleichzeitig beunruhigendes Gefühl. Allein die Anwesenheit des Leiters der Kriminaltechnik vermittelte bereits das Gefühl, es handele sich bei dem Tod der beiden Teenager um einen Fall für die Mordkommission. Mit angespannter Miene trat Andresen auf ihn zu. »Seid ihr schon fertig?«, fragte er, ohne den Kollegen zu begrüßen. »Wir sind dann fertig, wenn du unseren Bericht auf deinem Schreibtisch liegen hast«, antwortete Seelhoff nüchtern. »Ist euch das Erbrochene nicht aufgefallen?«, fragte Andresen hartnäckig. »Keine zwanzig Meter vom Fundort entfernt. Wie kann denn so etwas passieren?« »Ich wiederhole mich ungern, aber wir sind noch nicht fertig. Ich würde mich überaus freuen, hier einfach in Ruhe unserer Arbeit nachgehen zu können. Wenn ich mich hier allerdings umschaue, erscheint mir das nahezu unmöglich.« »Lassen wir das«, sagte Andresen. »Kannst du mir sagen, was ihr schon herausgefunden habt?« »Offenbar nicht so viel wie du.« »Ernsthaft jetzt? Vielleicht ist es besser, das Gespräch später im Präsidium fortzusetzen. Scheint ja alles nicht so wichtig zu sein.« Andresen wandte sich ab und ließ Seelhoff stehen. »Warte«, rief Seelhoff plötzlich. »Hören wir mit diesen Kindereien auf. Natürlich haben wir schon etwas herausgefunden, das du wissen solltest.« Andresen wartete noch ein paar Sekunden, ehe er sich schließlich umdrehte. »Wir haben erste Anzeichen dafür gefunden, wie sich die beiden das Leben genommen haben.« »Und zwar?« »Hautverfärbungen«, antwortete Seelhoff nachdenklich. »Wir müssen sie natürlich in der Rechtsmedizin überprüfen lassen, aber einiges deutet darauf hin, dass es sich um eine Vergiftung durch Zyankali handelt.« »Zyankali?« Andresen war überrascht. »Ist zumindest unsere vorläufige Vermutung. Für die genauen Ergebnisse ist wie gesagt die Rechtsmedizin zuständig.« »Das Erbrochene«, setzte Andresen erneut an. »Kann das in einem Zusammenhang stehen?« »Du meinst, ob sich jemand infolge der Vergiftung erbrochen hat?« »Zum Beispiel.« »Denkbar. Das Erbrochene muss jedenfalls auch überprüft werden. Ich habe vorhin bereits mit Danuta telefoniert.« »Danuta, aha.« »Professor Kapustka.« »Schon klar. Ihr duzt euch?« »Weshalb denn nicht? Wir arbeiten eng zusammen, außerdem ist sie eine spannende Frau.« »Spannend?« Andresen blickte seinen Kollegen herausfordernd an. Seelhoff war etwa in seinem Alter, also bestimmt zwanzig Jahre älter als Danuta Kapustka. Außerdem war er verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern. »Nach den vielen Jahren mit Kollege Birnbaum war ich mir anfangs nicht sicher, wie die Zusammenarbeit mit ihr werden würde«, sprudelte es plötzlich aus Seelhoff heraus. »Aber ich muss sagen, ich finde sie äußerst erfrischend. Und verdammt attraktiv ist sie natürlich auch.« »Natürlich.« Andresen verzichtete auf weitere Frotzeleien, schüttelte jedoch irritiert den Kopf über Seelhoff, als Ida-Marie mit ernster Miene auf sie zutrat. »Es ist an der Zeit«, sagte sie. »Wofür?« »Wir wissen jetzt, wer die beiden sind. Jannik Wegener und Lisa Nolde, beide sechzehn Jahre alt, Schüler der elften Klasse am Christianeum. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen so schnell wie möglich mit den Eltern der Kinder reden.« Andresen schluckte schwer. Es gab so einige Momente im Rahmen einer Ermittlung, auf die er gut und gerne verzichten konnte. Das Gespräch mit den Angehörigen eines Opfers war jedoch mit weitem Abstand der unangenehmste. Etwas, das in drei Jahrzehnten als Kriminalkommissar niemals zur Routine geworden war. Jedes Mal aufs Neue fühlte er sich hilflos. Unfähig, die richtigen Worte zu sagen. Zweifelnd, ob er genug Empathie zeigte. Taktlos, weil er für die Ermittlungen wichtige Fragen stellen musste. Doch nicht selten hatten genau diese ersten Gespräche entscheidende Informationen geliefert. »Na schön«, sagte er schließlich. »Ich hoffe allerdings, dass wir nicht die Überbringer der Nachricht sind?« »Nein, wir haben bereits Streifenwagen geschickt. Außerdem sollen später Seelsorger dazukommen.« »Mir sagen die Namen der beiden nichts«, sagte Andresen. »Wissen wir irgendetwas über sie oder ihre Eltern?« »Noch nicht«, antwortete Ida-Marie. »Ich habe Morten gebeten, sofort ins Präsidium zurückzufahren und so viel wie möglich über die beiden herauszufinden.« »Wo steht dein Auto?« »Oben an der Marlistraße. Aber wir können auch zu Fuß gehen. Beide Familien wohnen auf der Altstadtinsel. Ein kleiner Spaziergang tut uns vielleicht ganz gut.« Als die beiden eine halbe Stunde später auf halber Höhe der Wahmstraße in den Von-Höveln-Gang einbogen, spürte Andresen sofort wieder den Kloß im Hals. Die leichte Übelkeit, die in ihm aufstieg, verdrängte er mit Atemübungen. »Du darfst gerne das Gespräch führen«, sagte er, als sie vor der Haustür der Familie Nolde stehen blieben. »Ich glaube, du triffst den besseren Ton.« »Es gab Zeiten, in denen du mich niemals vorgeschickt hättest, aus Angst, ich würde ihn mit ziemlicher Sicherheit nicht treffen.« Ida-Marie blickte Andresen einige Sekunden lang tief in die Augen. Dann zwinkerte sie fast unmerklich und klingelte. Die Frau, die ihnen wenige Momente später öffnete, schien durch sie hindurchzusehen. Als suchte sie nach kleinen Kindern, die sich einen Klingelstreich erlaubt hatten. »Maren Nolde?«, fragte Ida-Marie. »Wir sind von der Kripo Lübeck. Entschuldigen Sie bitte, dass wir Sie noch einmal stören müssen, obwohl unsere Kollegen bereits hier waren. Zuallererst möchten wir unser tiefstes Beileid ausdrücken.« Ida-Marie streckte der Frau die Hand entgegen, ohne dass jedoch eine Reaktion von ihr erfolgte. »Wir verstehen, dass Sie unter Schock stehen. Darum versichere ich Ihnen auch, dass es nicht lange dauern wird. Wir haben nur ein paar wenige Fragen an Sie.« »Sie war meine Tochter, meine einzige«, sagte Maren Nolde. Ihre Stimme klang seltsam monoton. Irgendwie ganz weit entfernt. Keine Spur von Trauer, und trotzdem hatte Andresen das Gefühl, dass die Frau jeden Augenblick zusammenbrechen würde. »Lisa war mein Sonnenschein«, redete Maren Nolde weiter. »Der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich werde damit nicht zurechtkommen. Verstehen Sie das?« »Vermutlich nicht.« »Nein, Sie verstehen es mit Sicherheit nicht. Haben Sie selbst Kinder?« »Ja, das habe ich«, antwortete Andresen. »Tote Kinder?« »Nein.« Obwohl Andresen der Verlauf des Gesprächs gegen den Strich ging, versuchte er ruhig zu bleiben. Er akzeptierte, dass sie ihre Wut an ihm ausließ. »Sehen Sie«, entgegnete Maren Nolde. Plötzlich war ihr Blick klarer und wechselte zwischen Ida-Marie und Andresen hin und her. »Mein Kind ist jetzt tot. Einfach nicht mehr da. Alles, was ich in Erinnerung halten werde, ist der Moment, in dem wir uns gestern Abend, kurz bevor sie das Haus verlassen hat, gestritten haben.« Andresen beobachtete Ida-Marie. Sie verschränkte die Arme und tippte ungeduldig mit dem rechten Fuß auf den Boden. Lange würde sie sich nicht mehr zurückhalten. Auch ihr war die Situation unangenehm, sie wollte so schnell wie möglich ihre Fragen stellen. Mit einem leisen Räuspern ging jedoch Andresen noch einmal dazwischen. Er spürte, dass es noch zu früh für Fragen nach der Tochter war. »Sind Sie allein zu Hause?«, fragte er vorsichtig. »Ab dem heutigen Tag werde ich für immer allein sein.« »Ich meinte, ob Ihr Mann zu Hause ist. Oder andere Menschen, die Ihnen nahestehen.« Sie schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts. »Dürfen wir vielleicht hereinkommen?«, fragte er schließlich. »Ich verspreche Ihnen, dass es nicht allzu lange dauern wird. Aber ich glaube, es wäre gut, wenn wir uns nicht hier zwischen Tür und Angel unterhalten.« »Sie hat sich mit Sicherheit nicht das Leben genommen«, erwiderte Maren Nolde, den Tränen nahe, ohne auf Andresens Bitte einzugehen. »Nicht meine Lisa, das ist einfach unmöglich. Sie war immer ein lebensfrohes und glückliches Mädchen. Das hätte sie mir niemals angetan.« »Wir wollen ganz ehrlich zu Ihnen sein«, sagte Ida-Marie nun. »Wir wissen noch nicht genau, was passiert ist. Aber so, wie wir Lisa und Jannik vorgefunden haben, können wir einen Suizid der beiden nicht ausschließen. Es gibt derzeit keinerlei Hinweise auf eine Fremdeinwirkung oder einen Unfall, der zum Tod Ihrer Tochter geführt hat.« »Dann sagen Sie mir doch, was bitte schön auf einen Suizid hindeuten soll.« »Darüber können wir aktuell leider noch nicht sprechen. Aber ich bin mir sicher, dass wir relativ schnell das Ergebnis zur Todesursache vorliegen haben.« »Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn«, entgegnete Maren Nolde immer aufgebrachter. »Lisa hatte so viele Pläne. Sie wollte nach dem Abitur nach Südamerika gehen. Sie war auch nicht depressiv oder so was, wie viele andere in ihrem Alter. Also sagen Sie mir jetzt bitte, weshalb sie sich das Leben genommen haben sollte?« Andresen beobachtete Maren Nolde, die immer vehementer wurde. Etwas in ihr sträubte sich mit allen Mitteln gegen die mögliche Wahrheit, dass sich ihre Tochter das Leben genommen hatte. »Wir wissen bislang kaum etwas über Lisa und ihre Motive«, übernahm Ida-Marie erneut das Wort. »Wir stützen unsere Vermutungen ausschließlich auf die Situation, wie wir sie und Jannik vorgefunden haben. Umso wichtiger ist es für uns, wenn Sie mit uns über Lisa...




