Sonnleitner Die drei ??? Im Haus des Henkers (drei Fragezeichen)
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-440-14810-5
Verlag: Kosmos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Reihe: Die drei ??? (Audio)
ISBN: 978-3-440-14810-5
Verlag: Kosmos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Serie von Überfällen hält die Polizei von Rocky Beach in Atem. Als ein harmlos wirkender Mann ganz unerwartet den letzten Raub gesteht, ist Justus, Peter und Bob klar: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu! Denn der vermeintliche Täter ist ein alter Bekannter. Die drei ??? ermitteln an düsteren Orten und geraten in Gesellschaft zwielichtiger Gestalten ...
Weitere Infos & Material
Im Reich des Schlangendämons
Hinter den schroffen Bergspitzen erloschen die letzten Sonnenstrahlen in einem Meer von Blut. Zu früh. Viel zu früh. Jetzt konnte ihn nichts mehr aufhalten. Gabriela Cooper blieb stehen. Sie würde die Kapelle nicht mehr erreichen. Weiter unten auf dem schmalen Gebirgsgrat verstummte das Gepolter der Kutsche. Natürlich. Seine dämonischen Gehilfen hielten an, um ihn aus seinem engen Gefängnis zu befreien. Schlugen die Decke zurück und entriegelten die Schlösser des riesigen Glassarges. Sie zog den schweren Colt aus dem Halfter und überprüfte die Trommel. Sechs Kugeln, sechs großkalibrige Kugeln aus purem Silber. Eine für jedes Herz. Die abgesägte Schrotflinte und die restliche Munition hatte sie im Kampf gegen den Werwolf verloren. Nur dieser eine Colt war ihr geblieben und der stählerne Dolch. Aber den könnte sie höchstens verwenden, um ihrem eigenen Leiden ein schnelles Ende zu setzen. Auf seiner schuppigen Haut würde dieser Dolch nicht mal einen Kratzer hinterlassen. Sie hatte nur noch eine Chance. Stehen bleiben, sich ihm stellen. Alle Konzentration auf die sechs Schüsse richten, die sie hatte. Sie hob den Colt mit beiden Armen, stellte sich breitbeinig hin, zielte über Kimme und Korn. »Den Rückstoß miteinberechnen«, wiederholte sie, was ihr John gesagt hatte. »Das Adrenalin kontrollieren, den Atem vor jedem Schuss anhalten.« Doch die Chance, dass sie jedes Herz erwischte, bevor er bei ihr war, war verschwindend gering. John hatte es nicht einmal geschafft, seine Waffe aus dem Holster zu ziehen, bevor … bevor … Gabriela zwang sich, nicht mehr an die zurückliegende Nacht zu denken, konzentrierte sich wieder auf die Wegbiegung, hinter der er jeden Moment auftauchen musste. Und dann war er da! Der Schlangendämon! Der schreckliche Gebieter über das Heer dieser grauenvollen Geschöpfe, die seit letztem Winter ihr Dorf heimgesucht hatten. Ihn galt es zu vernichten. Er war der Grund allen Übels! Gabriela hob den Colt und der Schlangendämon schleuderte ihr ein heißes Fauchen entgegen. Und dann war Schluss! Der dumpfe Bass der Titelmelodie setzte ein, auf der dunklen Leinwand stand »Ende Teil 1« zu lesen, der Vorhang schloss sich. »Och nö, oder?« Zusammen mit ein paar dutzend anderen Kinobesuchern machte Bob seinem Unmut Luft. »Das ist jetzt aber nicht wahr!« Er sah nach links, wo seine Freunde saßen. »Gerade jetzt, wo es so richtig … Peter?« Der Zweite Detektiv war verschwunden. »Hier.« Peter schob sich nach oben. Ganz tief war er in seinen Sitz gesunken, sodass Bob ihn nicht mehr gesehen hatte. »Mann, war das gruselig. Ich dachte zwischenzeitlich, mir bleibt das Herz stehen. Dieser Schlangendämon, Skamaton … Heute Nacht mache ich bestimmt kein Auge zu.« Das Licht im Saal ging an und Bob griff missmutig nach seiner Jacke. »Trotzdem fies, dass die jetzt Schluss machen. So etwas hasse ich!« »Ich bin, ehrlich gesagt, ganz froh.« Peter zerknüllte seine Popcorntüte und atmete einmal tief durch. Bob sah Justus an. »Deine Tante muss in einem ihrer vorigen Leben ein ziemlich düsteres Dasein geführt haben, wenn du mich fragst. Ihre Vorliebe für Horrorfilme war mir ja bekannt, aber der Streifen, den sie uns hier empfohlen hat, ist wirklich von der heftigen Sorte.« »Und sie fiebert schon dem zweiten Teil entgegen.« Justus stand auf. »Ja, in den Abgründen von Tante Mathildas Seele scheint so manch dunkles Geheimnis verborgen zu liegen.« Peter stupste seinen Freund an. »Los, Erster, geh schon, ich muss an die frische Luft.« Draußen hatte der Regen endlich aufgehört. Als die drei Freunde vor dem Rex-Filmpalast standen, glänzte der dunkle Asphalt zwar noch feucht im Licht der Kinoreklame, aber der Himmel war sternenklar. »Noch jemand Lust auf einen Milchshake oder ein Eis?« Bob nickte hinüber zu Luigis Eisdiele. »Luigi hat noch auf, wie es aussieht.« Justus schüttelte den Kopf. »Wie ihr wisst, erwartet uns morgen eine jener berüchtigten Physikklausuren von Mrs Fulham. Davor würde ich meinen grauen Zellen gerne die nötige Ruhe gönnen.« »Ich bin auch müde«, sagte Peter. »Der Film hat mich echt geschafft. Lasst uns nach Hause fahren.« Wegen des Regens hatten die drei Detektive den Bus ins Stadtzentrum von Rocky Beach genommen. Vom Kino waren es keine fünf Minuten zum Busbahnhof, und an einem der Bussteige wartete auch schon die Linie, die sie zum Schrottplatz bringen würde. Dort hatten sich die Jungen am frühen Abend getroffen und dort standen auch Peters und Bobs Fahrräder. Der Bus war nahezu voll besetzt und der Grund dafür war offensichtlich. Einer der Fahrgäste hatte eine Kokosnuss in der Hand, ein anderer einen lila Plüschtiger, zwei aßen Corn-Dogs, einer Kotelett am Stiel, zwei junge Mädchen teilten sich ein Elefantenohr mit Puderzucker, während ihre Freundin fädenziehende Käse-Nachos aus einer Tüte klaubte. Und noch einige andere sahen einfach nur fröhlich, aufgeregt oder zerzaust aus. Sie alle kamen wohl vom alljährlichen Jahrmarkt, dem Rocky Beach County Fair, der gerade am östlichen Rand des Palisades Parks sein Lager aufgeschlagen hatte. »Dahinten sind noch Plätze frei!« Peter deutete auf eine Gruppe von zwei einander gegenüberliegenden Zweiersitzen im hinteren Teil des Busses. Justus und Bob folgten ihm schnell, bevor sich andere die Plätze schnappten. Kurz darauf ließ der Busfahrer den Motor an und wollte schon die Türen schließen, als noch ein blasser junger Mann an der hinteren Tür einstieg. Oder doch nicht? Bob bemerkte, dass er zögerte, so als wüsste er nicht, ob er wirklich mitfahren wollte. »Wollen der Herr jetzt rein oder nicht?«, fragte der Busfahrer über sein Mikro und schaute dabei in den Rückspiegel. Einige Passagiere lachten. Der junge Mann lächelte verlegen und stieg ein. Während der Bus losfuhr, sah er sich unsicher um und knetete dabei eine durchsichtige Tüte mit rosa und weißen Marshmallows in seinen Händen. Schließlich bemerkte er den freien Platz bei den drei Jungen, traute sich aber offenbar nicht zu fragen, ob er sich setzen dürfe. »Der Platz hier ist frei.« Justus rückte demonstrativ ein Stück weiter zum Fenster. »Da-danke«, sagte der junge Mann leise und wurde ein wenig rot dabei. Ungelenk ließ er sich gegenüber von Bob nieder, machte sich auf seinem Sitz so schmal wie möglich und sah zu Boden. Der dritte Detektiv überlegte kurz, ob er sein Gegenüber ansprechen und ihm so die Befangenheit nehmen sollte. Aber er hatte das Gefühl, dass der junge Mann lieber in Ruhe gelassen werden wollte. Daher wandte er sich an seine Freunde: »Wir sollten da auch noch hingehen, was meint ihr?« Bob zeigte aus dem Fenster, wo in einiger Entfernung die bunten Lichter des Jahrmarktes zu erkennen waren. »Der geht nur noch bis Sonntag, soviel ich weiß.« »Ich war schon mit Kelly«, sagte Peter. »Ist ja immer ganz nett da, aber auch ziemlich teuer.« »Nur wir drei, das wäre doch ein Spaß!«, meinte Bob. Justus schien das etwas anders zu sehen. »Gegen eine gemeinsame Unternehmung ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber der Unterhaltungswert einer solchen Veranstaltung ist doch sehr überschaubar.« »Na ja, Im Reich des Schlangendämons war jetzt auch nicht unbedingt nur was für geistige Überflieger«, konterte der dritte Detektiv. Der Bus hielt an der nächsten Station. Zwei Fahrgäste stiegen aus, drei ein. Die Fahrt ging weiter. »Das kann man auch anders sehen. Wenn man die Figur der Gabriela Cooper einmal genauer betrachtet, verkörpert sie im Genre des Horrorfilms einen durchaus emanzipatorischen Ansatz.« »Ach, Kollegen, entspannt euch doch einfach nur, hm?« Peter rekelte sich auf seinem Sitz. »Denken ist erst morgen wieder angesagt.« Ein Handy piepste. Es war das Handy des jungen Mannes, der bei dem ersten Ton leicht zusammenzuckte. Wieder zögerte er, fischte dann das Telefon aus seiner inneren Jackentasche und sah auf das Display. Offenbar hatte er eine SMS erhalten. Die drei ??? beobachteten den Mann unauffällig. Sie konnten nicht anders. Zu eigenartig war sein Verhalten. Er starrte bewegungslos auf den kleinen Bildschirm. Sein Atem ging rascher und aus seinem ohnehin schon blassen Gesicht wich auch noch der letzte Rest Farbe. Seine Hand schien sogar leicht zu zittern. Bevor Bob jedoch etwas auf dem Display erkennen konnte, drückte der Mann die Nachricht weg und steckte sein Handy ein. »Alles in Ordnung?«, fragte Peter vorsichtig. Er hatte das Gefühl, dass der Mann gleich ohnmächtig vom Sitz kippte. Der Mann erwiderte nichts. Er schien den Zweiten Detektiv gar nicht gehört zu haben. »Geht es Ihnen gut?« Bob beugte sich leicht nach vorne. »Was?« Der Mann schrak auf. »Ja, ja. Ja. Alles gut, alles gut.« Der dritte Detektiv hatte einen ganz anderen Eindruck, nickte jedoch. Der Bus hielt wieder. Diesmal stiegen mehr Leute aus. Einige Sitze wurden frei. Als der Bus wieder angefahren war, holte der junge Mann das Handy noch einmal aus der Tasche und starrte erneut auf das Display. Unwillkürlich sahen auch die drei Jungen dorthin. Auf dem Display war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Fragende Blicke gingen zwischen ihnen hin und her. Irgendetwas stimmte mit dem Typen doch nicht. Peter verzog ganz leicht den Mundwinkel, als Justus ihn ansah. Vielleicht war der Kerl gar nicht schüchtern und unsicher, sondern...




