E-Book, Deutsch, 184 Seiten
Wabnitz Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht für die Soziale Arbeit
7. aktualisierte Auflage 2021
ISBN: 978-3-8463-5782-8
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 184 Seiten
ISBN: 978-3-8463-5782-8
Verlag: UTB
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Prof. Dr. Reinhard J. Wabnitz ist Professor für Rechtswissenschaft, insbesondere Familien- und Kinder- und Jugendhilferecht am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Abkürzungsverzeichnis 13
Vorwort zur 7. Auflage 15
Vorwort zur 1. Auflage 16
1 Grundsätze und Strukturprinzipien des Kinder- und Jugendhilferechts 17
1.1 Kinder- und Jugendhilfe(recht) und SGB VIII (§ 1) 17
1.1.1 Kinder- und Jugendhilfe 17
1.1.2 Kinder- und Jugendhilferecht 18
1.1.3 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) 18
1.1.4 Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) 19
1.2 Kinder- und Jugendhilferecht, Familienrecht und Grundgesetz I 20
1.3 Freie und öffentliche (Kinder- und) Jugendhilfe (§§ 3, 4) 23
1.3.1 Freie (Kinder- und) Jugendhilfe 24
1.3.2 Öffentliche (Kinder- und) Jugendhilfe 25
1.3.3 Zusammenarbeit der öffentlichen mit der freien (Kinder- und) Jugendhilfe 26
2 Grundsätze und Strukturprinzipien des Kinder- und Jugendhilferechts II 28
2.1 Anwendungsbereich des SGB VIII (§§ 7, 6, 10) 28
2.1.1 Begriffsbestimmungen (§ 7) 28
2.1.2 Geltungsbereich (§ 6) 29
2.1.3 Verhältnis zu anderen Leistungen und Verpflichtungen (§ 10) 30
2.2 Wunsch- und Wahlrecht, Beteiligungsrechte (§§ 5, 8) 31
2.2.1 Wunsch- und Wahlrecht (§ 5) 31
2.2.2 Beteiligungsrechte, Beratung (§§ 8, 9a, 10a) 32
2.3 Verpflichtungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen 33
2.3.1 Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§§ 8a, 8b) 33
2.3.2 Garantenstellung 36
2.3.3 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und Landeskinderschutzgesetze 36
2.4 Historische Entwicklung des Kinder- und Jugendhilferechts 37
3 Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe 40
3.1 Leistungen und andere Aufgaben (§§ 2, 9) 40
3.1.1 Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe 40
3.1.2 Andere Aufgaben der Jugendhilfe 41
3.1.3 Weitere gesetzliche Verpflichtungen 41
3.1.4 Grundrichtung der Erziehung, Gleichberechtigung von jungen Menschen 42
3.2 Objektive Rechtsverpflichtungen und subjektive Rechtsansprüche 42
3.3 Fachaufsicht und Rechtsaufsicht 44
3.4 Dreiecksverhältnis 45
4 Förderung der Erziehung in der Familie 48
4.1 Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16) 48
4.2 Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17) 49
4.2.1 Adressatenkreis und Ziele der Beratung nach § 17 50
4.2.2 Angebote der Beratung 50
4.2.3 Verknüpfung mit anderen Gesetzen 51
4.3 Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts (§ 18) 51
4.4 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder (§ 19) 52
4.5 Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen (§ 20) 54
4.6 Unterstützung bei notwendiger Unterbringung zur Erfüllung der Schulpflicht (§ 21) 55
5 Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendschutz 57
5.1 Jugendarbeit (§ 11) 57
5.1.1 Angebote, Rechtscharakter und wesentliche Strukturprinzipien 57
5.1.2 Anbieter, Adressaten und inhaltliche Schwerpunkte 59
5.2 Förderung der Jugendverbände (§ 12) 60
5.2.1 Bedeutung und Rechtscharakter von § 12 Abs. 1 60
5.2.2 Jugendverbände und Jugendgruppen nach § 12 Abs. 2 61
5.3 Jugendsozialarbeit (§ 13), Schulsozialarbeit (§ 13a) 61
5.3.1 Die Grundnorm des § 13 Abs. 1 62
5.3.2 Die wichtigsten Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit 63
5.4 Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz (§ 14) 64
5.5 Landesrecht (§ 15) 64
6 Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege 66
6.1 Überblick und Rechtsanspruch auf Förderung 66
6.2 Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Einzelnen (§§ 22, 22a) 69
6.2.1 Förderangebote für Kinder vor Vollendung des dritten Lebensjahres 69
6.2.2 Förderangebote für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt 69
6.2.3 Förderangebote für Kinder im schulpflichtigen Alter 70
6.2.4 Andere Förderangebote 70
6.3 Förderung in Kindertagespflege (§§ 22, 23, 43) 71
6.4 Landesrecht (§ 26) 72
7 Hilfe zur Erziehung I 74
7.1 § 27 als Grundnorm der Hilfe zur Erziehung 74
7.1.1 Tatbestandsvoraussetzungen von § 27 Abs. 1 75
7.1.2 Rechtsfolgen und Rechtscharakter von § 27 Abs. 1 76
7.2 Überblick über Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe und Hilfe für junge Volljährige 78
7.3 Erziehungsberatung (§ 28) 79
7.4 Soziale Gruppenarbeit (§ 29) 81
7.5 Erziehungsbeistand (§ 30) 81
7.6 Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31) 82
8 Hilfe zur Erziehung II, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige 85
8.1 Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32) 85
8.2 Vollzeitpflege (§ 33) 86
8.2.1 Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege 87
8.2.2 Pflegepersonen 88
8.2.3 Vollzeitpflege und Zivilrecht 88
8.3 Heimerziehung/sonstige betreute Wohnform (§ 34) 89
8.3.1 Kinder und Jugendliche in Heimerziehung oder sonstiger betreuter Wohnform 90
8.3.2 Einrichtungen 90
8.3.3 Bezugspunkte zum Zivilrecht, Jugendstrafrecht und „geschlossene Unterbringung“ 91
8.4 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35) 91
8.5 Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen (§ 35a) 92
8.5.1 Seelische Behinderungen 94
8.5.2 Leistungen für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen 94
8.5.3 Inklusive Kinder- und Jugendhilfe 95
8.6 Hilfe für junge Volljährige § 41; Nachbetreuung (§ 41a) 95
9 Hilfe zur Erziehung III 98
9.1 Leistungen zum Unterhalt, Krankenhilfe (§§ 39, 40) 98
9.1.1 Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen (§ 39) 98
9.1.2 Krankenhilfe (§ 40) 100
9.2 Mitwirkung bei Hilfen zur Erziehung 100
9.3 Hilfeplan 101
9.4 Zusammenarbeit bei Hilfen zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie 102
9.5 Steuerungsverantwortung, Selbstbeschaffung (§ 36a) 102
9.6 Herbeiführung von Entscheidungen des Familiengerichts 103
10 Andere Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe I 106
10.1 Besonderheiten der anderen Aufgaben nach §§ 42 bis 60 106
10.2 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42) 107
10.2.1 Adressatenkreis 108
10.2.2 Aufgaben des Jugendamtes 109
10.2.3 Freiheitsentziehende Maßnahmen 109
10.2.4 Aufgaben des Familiengerichtes 110
10.3 Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (§§ 42a ff.) 110
10.4 Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50) 110
10.4.1 Unterstützung und Unterrichtung des Familiengerichtes 110
10.4.2 Mitwirkung in Verfahren nach dem FamFG 111
10.4.3 Zusammenarbeit von JA und Familiengericht 111
10.5 Mitwirkung nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52) 111
11 Andere Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe II 114
11.1 Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und in Einrichtungen (§§ 43 bis 49) 114
11.1.1 Erlaubnis zur Kindertagespflege (§ 43) 114
11.1.2 Erlaubnis zur Vollzeitpflege (§ 44) 115
11.1.3 Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung (§§ 45 bis 49) 115
11.2 Beratung und Unterstützung bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 52a) 116
11.3 Vormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft (§§ 53 bis 58) 117
11.3.1 Vormundschaft 118
11.3.2 Pflegschaft 119
11.3.3 Beistandschaft 119
11.4 Beurkundung, vollstreckbare Urkunden (§§ 59, 60) 120
11.5 Annahme als Kind (§ 51), Adoptionsvermittlung 121
12 Träger der öffentlichen Jugendhilfe und Jugendbehörden 123
12.1 Örtliche und überörtliche Träger (§ 69) 123
12.2 Sachliche Zuständigkeit (§ 85) 124
12.3 Jugendamt/Jugendhilfeausschuss (§§ 70, 71) 125
12.3.1 Die „Zweigliedrigkeit“ des JA 125
12.3.2 Der JHA 127
12.3.3 Die Verwaltung des JA 127
12.3.4 Neuere organisatorische Entwicklungen in den Jäern 128
12.4 Landesjugendamt/Landesjugendhilfeausschuss (§§ 70, 71) 129
12.4.1 Die „Zweigliedrigkeit“ des LJA 129
12.4.2 Der L JHA 129
12.4.3 Die Verwaltung des L JA 130
12.5 Andere Jugendbehörden (§§ 69, 82 bis 84) 130
12.5.1 Behörden von kreisangehörigen Gemeinden 130
12.5.2 Oberste Landesjugendbehörden (§ 82 Abs. 1) und oberste Bundesbehörde (§ 83 Abs. 1) 130
12.6 Mitarbeiter (§§ 72, 72a) 131
13 Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen und der freien Jugendhilfe 133
13.1 Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe (§ 75) 133
13.2 Finanzierung von Trägern der freien Jugendhilfe 134
13.3 Subventionsfinanzierung (§ 74) 135
13.4 Entgeltfinanzierung (§§ 77, 78a bis 78g) 137
13.4.1 Vereinbarungen über die Höhe der Kosten (§ 77) 137
13.4.2 Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung (§§ 78a bis 78g) 138
13.5 Gesamtverantwortung, Gewährleistungsverpflichtung, Qualitätsentwicklung (§§ 79, 79a) 139
13.6 Jugendhilfeplanung, Zusammenarbeit (§§ 80, 78, 81) 140
14 Verfahrensfragen und ergänzende Vorschriften 143
14.1 Örtliche Zuständigkeit und Kostenerstattung (§§ 86 bis 89h) 143
14.1.1 Örtliche Zuständigkeit für Leistungen 144
14.1.2 Örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben 144
14.1.3 Kostenerstattung 144
14.2 Kostenbeteiligung (§§ 90 bis 97c) 145
14.2.1 Keine Kostenbeteiligung 145
14.2.2 Pauschalierte Kostenbeteiligung 146
14.2.3 Kostenbeiträge/Heranziehung zu den Kosten 147
14.3 Datenschutz bei Sozialdaten (§§ 61 bis 68) 148
14.3.1 Datenschutz im Sozialgesetzbuch 148
14.3.2 Datenschutz nach den §§ 61 bis 68 („Jugendhilfe-Additive“) 150
14.4 Ergänzende Vorschriften (§§ 98 bis 106) 151
Anhang 153
Musterlösungen 153
Literatur 172
Sachregister 181
1Grundsätze und Strukturprinzipien des Kinder- und Jugendhilferechts I
1.1Kinder- und Jugendhilfe(recht) und SGB VIII (§ 1)
1.1.1Kinder- und Jugendhilfe
Was ist „Kinder- und Jugendhilfe“? Darunter versteht man die Gesamtheit der öffentlichen Sozialisationshilfen für junge Menschen sowie der Unterstützungsleistungen für deren Familien, Erziehungs- und Personensorgeberechtigte außerhalb von Familie, Schule, Hochschule, Berufsausbildung und Arbeitswelt.
Der Begriff „Kinder- und Jugendhilfe“ ist inhaltlich identisch mit dem früher und auch heute noch gebräuchlichen Begriff „Jugendhilfe“. Beide beziehen sich auf junge Menschen, also Kinder, Jugendliche und junge Volljährige im Alter von unter 27 Jahren, sowie ihre Personensorge- und sonstigen Erziehungsberechtigten. Beiden Begriffen liegt ein umfassendes Verständnis von Kinder- und Jugendhilfe zugrunde, das sowohl die traditionelle Jugendpflege (heute: Jugendarbeit einschließlich der außerschulischen Jugendbildung) als auch die „klassische“ Jugendfürsorge (heute im Wesentlichen: Hilfen zur Erziehung) und weitere Aufgaben umfasst („Einheit der Kinder- und Jugendhilfe“).
Die Kinder- und Jugendhilfe ist seit Jahrzehnten durch außerordentlich dynamische Ausweitungen von Aufgaben und finanziellen Aufwendungen gekennzeichnet (dazu: Fuchs-Rechlin/Schilling 2018; Schilling 2018). Im Jahre 2019 wurden in der Kinder- und Jugendhilfe deutschlandweit ca. 54,9 Mrd. € verausgabt (Statistisches Bundesamt 2020a). Seit 1992 haben sich die indexierten Nettoausgaben der kommunalen Haushalte für die Kinder- und Jugendhilfe mehr als verdreifacht und sind weitaus stärker gestiegen als die Ausgaben in allen (!) anderen kommunalen Aufgabenbereichen (Deutscher Bundestag, 14. Kinder- und Jugendbericht 2013, 268 f.). Zumindest in quantitativer Hinsicht war die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Jahren eine Erfolgsgeschichte!
Die Sachverständigenkommission für den 14. Kinder- und Jugendbericht (a. a. O., 47) hat zu Recht betont: die Kinder- und Jugendhilfe „ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“. Denn sie bietet heute Infrastrukturleistungen für komplette Altersjahrgänge an, bis hin zur „Vollversorgung“ (bei fast 100-prozentiger Inanspruchnahme) im Kindergartenbereich. Die Kinder- und Jugendhilfe wird auch sonst in vielen Feldern immer selbstverständlicher in Anspruch genommen, etwa im Bereich der Krippen, der Frühen Hilfen, der Beratungsdienste oder der Schulsozialarbeit u. a. In der Kinder- und Jugendhilfe, einer der großen „Wachstumsbranchen“ in Deutschland, arbeiten heute mehr als 1 Mio. Menschen hauptberuflich (Statistisches Bundesamt 2020b) – übrigens mehr als in der deutschen Automobilindustrie – und darüber hinaus noch unzählige ehrenamtlich. Die Kinder- und Jugendhilfe hat eine Präsenz und auch politische Bedeutung erlangt, die sie nie zuvor hatte.
1.1.2Kinder- und Jugendhilferecht
Das Kinder- und Jugendhilferecht umfasst die Gesamtheit der Rechts-vorschriften des Bundes- und Landesrechts für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Das wichtigste Gesetz des Kinder- und Jugendhilferechts ist das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe). Darüber hinaus gibt es weitere Bundesgesetze wie das Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG), das SGB I und X, das Jugendschutzgesetz (JuSchG), das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG), das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG), das Jugendgerichtsgesetz (JGG), das Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) und das 4. Buch des BGB (Familienrecht). Daneben bestehen internationale Abkommen wie das Haager Kinderschutzabkommen und die UN-Kinderrechtskonvention. Das Kinder- und Jugendhilferecht des Bundes wird ergänzt und konkretisiert durch Landesrecht der 16 Bundesländer, insbesondere durch deren Landesausführungsgesetze zum SGB VIII: zur Organisation (siehe Kap. 12), zur Jugendarbeit (5.5), zu den Kindertagesstätten und zur Kindertagespflege (Kap. 6.4) sowie zum Kinderschutz. Auf kommunaler Ebene existiert Satzungsrecht, z. B. über das Verfahren des Jugendhilfeausschusses.
1.1.3Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG)
Das KJHG ist die teilweise heute noch verwendete Kurzbezeichnung des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 26.6.1990 (BGBl I 1163). Dieses war ein „Artikelgesetz“, gleichsam ein „Mantelgesetz“ mit zahlreichen Teilen. Der wichtigste Teil war und ist dessen Artikel 1, mit dem das seinerzeit neu formulierte Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe) als Teil des Sozialgesetzbuches in dieses eingefügt worden war. Daneben gab es weitere Artikel, die heute nicht mehr von Bedeutung sind. Das „Verhältnis“ von KJHG und SGB VIII muss man sich also wie in Übersicht 1 dargestellt vorstellen.
Übersicht 1
KJHG = Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts
Art. 1: SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe)
Art. 2 bis 9: Änderungen des SGB I, X, BGB, JGG u. a.
Art. 10 bis 19: Übergangsvorschriften (bis 31.12.1994)
Art. 20 bis 24: Schlussvorschriften
Die korrekte Zitierweise einschlägiger §§ lautet deshalb nicht: § X KJHG, sondern
1.entweder: § X SGB VIII (wie mittlerweile üblich)
2.oder: Art. 1 § X KJHG
1.1.4Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)
Im Folgenden wird im Wesentlichen nur noch vom SGB VIII die Rede sein, zuletzt geändert durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) vom 03.06.2021 (BGBl. S. 1444). Das SGB VIII ist ein modernes, verständlich formuliertes und einleuchtend untergliedertes Gesetz. Seine Struktur und Systematik können nicht selten für Auslegungsfragen nutzbar gemacht werden. Das SGB VIII enthält elf Kapitel mit insgesamt ca. 160 Paragrafen (siehe Übersicht 2).
Übersicht 2
Die Gliederung des SGB VIII in elf Kapitel
1.Allgemeine Vorschriften (§§ 1 bis 10); sie gelten für alle folgenden Kapitel und sind grundlegend für das Verständnis des gesamten SGB VIII!
2.Leistungen der (Kinder- und) Jugendhilfe (§§ 11 bis 41); diese Paragrafen sind für die Soziale Arbeit am wichtigsten!
3.andere Aufgaben der (Kinder- und) Jugendhilfe, (§§ 42 bis 60); -hoheitliche und für die Soziale Arbeit wichtige Schutzaufgaben betreffend Kinder und Jugendliche!
4.Schutz von Sozialdaten (§§ 61 bis 68)
5.Träger der (Kinder- und) Jugendhilfe, Zusammenarbeit, Gesamtverantwortung (§§ 69 bis 81); wichtig für das Gesamtsystem der freien und öffentlichen (Kinder- und) Jugendhilfe!
6.zentrale Aufgaben §§ 82 bis 84 (auf Bundes- und Landesebene)
7.Zuständigkeit, Kostenerstattung (§§ 85 bis 89h)
8.Kostenbeteiligung (§§ 90 bis 97c)
9.Kinder- und Jugendhilfestatistik (§§ 98 bis 103)
10.Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 104, 105)
11.Schlussvorschriften (§ 106)
Bereits mit Blick auf das frühere, bis 1990 geltende Gesetz für Jugendwohlfahrt (JWG) hat das Bundesverwaltungsgericht in den 1970er Jahren festgestellt, dass dieses „seinem Gegenstand nach“ ein „Erziehungsgesetz“ sei (BVerwGE 52, 214 f.). Dies gilt auch für das SGB VIII, auch wenn dabei der Fokus „Stärkung und Unterstützung der Familien“ verstärkt in den Mittelpunkt der rechtlichen Regelungen gerückt ist. Außerdem ist das SGB VIII ein Leistungs-, Struktur- und Fördergesetz.
Das „Leitmotiv“ für das SGB VIII beinhaltet dessen § 1 Abs. 1, ergänzt um Absatz 3. Gemäß § 1 Abs. 1 SGB VIII hat jeder junge Mensch „ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. Diese zweifache – individuelle wie soziale – Zielsetzung der Kinder- und Jugendhilfe zieht sich gleichsam wie ein „roter Faden“ durch das gesamte SGB VIII. Eine Konkretisierung erfolgt durch § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 5.
1.2Kinder- und Jugendhilferecht, Familienrecht und Grundgesetz
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die ranghöchste innerstaatliche Rechtsquelle, enthält mehrere Verfassungsbestimmungen, die sowohl für Ehe und Familie als auch für die Kinder- und Jugendhilfe wichtig sind (siehe dazu Übersicht 3).
Übersicht 3
Kinder- und Jugendhilferecht und Grundgesetz (GG)
1.Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie
¦besonderer Schutz der staatlichen Ordnung
2.Art. 6 Abs. 2 Pflege und Erziehung der Kinder
¦als Recht und Pflicht der Eltern (Satz 1),
¦über das die staatliche Gemeinschaft wacht „Staatliches Wächteramt“ (Satz 2)
3.Art. 6 Abs. 3
¦Fremdplatzierung von Kindern nur bei Versagen der Eltern oder bei drohender Verwahrlosung der...




