E-Book, Deutsch, Band 3, 322 Seiten
Reihe: Schicksal sind wir
Waldner Das Magnolienhaus - Hoffnung in stürmischer Zeit
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8412-3393-6
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 3, 322 Seiten
Reihe: Schicksal sind wir
ISBN: 978-3-8412-3393-6
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwischen Abschied und Neuanfang.
Das Jahr 1914 bricht an. Caro glaubt, ihr Glück gefunden zu haben. Sie liebt einen Mann, den sie heiraten will, und sieht einer strahlenden Zukunft entgegen. Im Rheinland brechen ihre Geschwister Marie und Gottfried mit den Erwartungen ihres strengen Vaters, auch ihre Mutter Mathilde ist längst nicht mehr bereit, sich von Jean unterdrücken zu lassen. Almut hingegen bleibt in ihrer kinderlosen Ehe gefangen und muss Edgars Eskapaden ertragen.
Dann bricht der Krieg aus - und nichts ist mehr, wie es war. Träume zerbrechen, Wege trennen sich, und das Schicksal stellt jede Gewissheit auf die Probe. Wird es im Haus unter der Magnolie noch eine Zukunft geben?
Das große Finale der bewegenden Familiensaga - voller Dramatik, Hoffnung und unvergesslicher Schicksale.
Fabia Waldner steht für den deutschen Autor Michael Schulz. 1959 im rheinischen Bonn geboren, brennt er bereits früh für Literatur, Philosophie und Musik. Zunächst entscheidet er sich für die Musik. Nach einem Studium am 'Mozarteum' in Salzburg führt ihn sein Weg in die Welt der Oper. Doch dann entdeckt er das Schreiben für sich. Heute lebt und schreibt der Autor im Harz bei Goslar.
Autoren/Hrsg.
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1
Berlin, Februar 1914
Das Weihnachtsfest wurde im Hause von Schadewaldt traditionell im Kreis der großen Familie gefeiert, und an den beiden Feiertagen füllten Verwandte, Anverwandte und deren Abkömmlinge mühelos die Salons. In dem sonst so stillen Klinkerbau fand plötzlich quirliges Leben statt, sodass Caro manchmal davor in ihr Zimmer flüchtete, um nicht ständig angesprochen zu werden und Hände schütteln zu müssen.
Die Tage zwischen den Jahren verbrachten Luisa und sie dann mit Aufräumen und Vorbereitungen für den eigenen kleinen Neujahrsempfang der Schadewaldts. Jedenfalls redete sich Luisa gegenüber ihrem Mann auf diese Weise heraus, um sich vor so manchem Besuch zu drücken, der auf der langen Liste stand. Doch auf einigen dieser Empfänge konnte der Oberregierungsrat nicht auf seine Frau verzichten. Am Silvesterabend erschienen sie sogar auf drei Bällen, um schließlich im neuen Palais mit auserwählten Gästen ihr Glas auf Deutschlands blühende Zukunft zu erheben und der kaiserlichen Familie zuzuprosten.
In diesen Tagen kam Caro kaum zum Nachdenken, und allmählich gerieten die bedrückenden Erfahrungen auf den Straßen Berlins, die sie hatte machen müssen, bevor sie bei den Schadewaldts aufgenommen worden war, in den Hintergrund. Mittlerweile war der Februar angebrochen. Caro spürte, dass sie sich verändert hatte. Sie war verantwortungsvoller geworden. So plagte sie das schlechte Gewissen, wenn sie an Franzi, die Köchin aus der Fasanenstraße, dachte. Wahrscheinlich hatte Franzi ihre Stellung verloren, weil sie ihr für diese eine Nacht den Schlafplatz auf der alten Couch angeboten hatte. Caro wusste, wie schwer es war, eine gute Stellung zu finden. Vermutlich hatte die erboste Hausdame Franzi gleich am nächsten Morgen gekündigt, und sie musste jetzt hungern.
»Natürlich fahren wir in die Fasanenstraße«, erwiderte Luisa, als Caro sie daraufhin ansprach. »Wenn nicht dich, dann wird die Baronin Sturzbach sicher mich empfangen. Soviel ich weiß, ist ihre Linie sogar um drei Ecken mit den von Schadewaldts verwandt.«
Noch am selben Vormittag hielt die Limousine, die ihnen ihr Mann Ernst samt Chauffeur für Einkäufe ausgeborgt hatte, vor dem großen weißen Haus in der Fasanenstraße. Zunächst zögerte Caro. War es nicht vermessen, sich bei der Baronin für ihr Hauspersonal einzusetzen? Schließlich war es allein deren Sache, und sie konnte auf kluge Ratschläge sicher verzichten. Wie noch vor wenigen Wochen warf Caro einen Blick auf die Fenster im ersten Stock, aber diesmal winkte ihr von dort niemand zu, nicht einmal Licht brannte hinter den Gardinen.
»Wir sollten an der Haustür klingeln, dann wissen wir mehr«, machte Luisa ihr Mut.
Sie stiegen aus und schickten sich an, die Straße zu überqueren, als sich gegenüber die Haustür öffnete und eine Dame mit einem Hund an der Leine herauskam. Die Dame erkannte Caro zwar nicht, aber den Hund. Auch der Mops blieb wie vom Blitz getroffen stehen, reckte die platte Nase neugierig in die Höhe, um dann mit dem ganzen Körper einen Freudentanz aufzuführen und das unverwechselbare Bellen anzustimmen. »Bogdan!«, rief Caro, indes sich Selbstvorwürfe in die Wiedersehensfreude mischten. In der stillen Hoffnung, dass sich schon irgendjemand um ihn kümmern würde, hatte sie den Kleinen völlig vergessen. Jetzt wandte sich ihr auch die Dame mit der Leine in der Hand zu. »Fräulein Caro?«
»Das ist ja …?«
»Ja, ich bin’s, Franzi.«
»Ich dachte schon, es sei die Baronin.« Caro lachte erleichtert auf.
»Nein, die Baronin lebt nicht mehr, und die Hälfte des Personals wurde entlassen. Nun bin ich die Hausdame des neuen Herrn der Wohnung, einem Major im Ruhestand, der mir erlaubt hat, den kleinen Bogdan zu behalten, als ich ihm seine traurige Geschichte erzählt habe. Ick konnte den kleenen Schnuffi jerade noch vor der Verwurstung retten …«, berlinerte sie nun wieder, wie Caro sie kannte. Zum Abschied lagen sie einander noch einmal in den Armen und wünschten sich alles Gute.
Dieses Kapitel war also gut ausgegangen, und nach den Einkäufen bei Wertheim und Tietz endete ihr Vormittag mit einem Plausch im Café Bauer, denn dort fand sich immer wenigstens eine von Luisas Freundinnen ein, um mit ihnen den neuesten Klatsch auszutauschen.
Die Tage verstrichen, und das Leben fühlte sich angenehm leicht an. Doch wenn es Caro auch aufgegeben hatte, eine zweite Asta Nielsen zu werden, so wollte sie doch ein Ziel haben und empfand kein reines Gewissen mehr dabei, die Großzügigkeit ihrer Gastgeber in Anspruch zu nehmen. Die zwei Wochen, die sie anfangs im Haus der Schadewaldts zu weilen beabsichtigte, waren bereits auf über einen Monat angewachsen. Natürlich war Ernst von Schadewaldt viel zu kultiviert, um sie direkt darauf anzusprechen, aber am Abend zuvor hatte er ihr beim Dinner einen Blick zugeworfen, als wollte er fragen: »Sicher machen sich Ihre Eltern bereits Sorgen. Meinen Sie nicht, dass es allmählich Zeit ist aufzubrechen, liebe Caroline?«
Doch als sie das Thema Luisa gegenüber erwähnte, wischte die es vom Tisch. »Weißt du denn schon, wohin du gehen willst?« Und auf Caros Achselzucken hin: »Siehst du, also bleibst du! So einfach ist das. Außerdem brauche ich dich mehr, als du dir vorstellen kannst.«
Zunächst wusste Caro nicht, was diese Bemerkung bedeuten sollte, doch zwei Tage später erklärte es sich ihr.
Der Abend war sehr ruhig verlaufen. Ernst von Schadewaldt hatte wieder einmal eine diplomatische Mission zu erfüllen, und Luisa war zur Hauptversammlung eines wohltätigen Vereins eingeladen, in dem sie die Vorsitzende und deshalb unentbehrlich war. Caro hatte es sich in der Bibliothek gemütlich gemacht, um einen weiteren der Schätze des Hausherrn zu heben. Nach den Romanen von Dickens hatte sie nun die des Franzosen Gustave Flaubert für sich entdeckt. Noch vor zehn ging sie hoch in ihr Zimmer und legte sich etwas früher als sonst ins Bett, um die Lektüre zu genießen.
Es musste gegen Mitternacht sein, als Caro von einem Geräusch erwachte. Sie meinte, ein Klopfen an der Tür gehört zu haben. Doch es herrschte wieder Stille, und sie glaubte schon, sich geirrt zu haben, als eine Stimme flüsterte: »Caro, ich bin’s. Mach auf!«
Auf dem dunklen Gang stand Luisa im Nachthemd, bibbernd vor Kälte. Ohne weitere Erklärung lief sie an Caro vorbei und schlüpfte unter ihre Bettdecke. Caro erinnerte sich an die romantische Nacht in der Schwanenvilla ihrer gemeinsamen Freundin Vita von Heymann. Luisa übte immer noch eine gewisse Anziehungskraft auf sie aus, aber sie war jetzt verheiratet, und Caro hatte sich vorgenommen, das zu respektieren.
»Es ist kalt. Komm ins Bett!«, flüsterte Luisa. »Keine Angst, ich bin nicht hier, um dich noch einmal zu verführen.«
Doch weshalb war sie dann gekommen?, fragte sich Caro. Obwohl Luisa nun unter der warmen Bettdecke lag, zitterte sie immer noch. »Was ist nur mit dir?«
»Ich habe Angst.«
Caro verstand ihre Freundin nicht. Wenn jemand ein Leben in Sicherheit und Geborgenheit führte, dann doch sie. »Aber warum?«
Luisa griff nach ihrer Hand, führte sie an ihren Bauch und ließ sie die kleine Rundung ertasten, die offenbar nicht das Ergebnis der üppigen Feiertagskost war.
»Bist du etwa …«
»Ja«, erwiderte Luisa.
»Das ist ja wunderbar …«
Im gleichen Moment ließ Luisa einen tiefen Seufzer vernehmen.
»Ich beneide dich. Es gibt nichts Schöneres.«
»Ja, nicht?«, erwiderte Luisa, doch ihre Stimme klang beklommen. »Es lebt, ich fühle es ganz deutlich. Noch lebt es …«
»Natürlich lebt es. Es wird ein runder und gesunder Stammhalter werden, so klug und gut aussehend wie seine Eltern.«
»Aber ich habe solche Angst, dass ihm etwas passiert …«
So kannte Caro ihre Freundin gar nicht. Sie war doch sonst so couragiert? »Es gibt nicht den geringsten Grund zur Sorge, Luisa. Dem Kind...




