E-Book, Deutsch, Band 720, 64 Seiten
Warden Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 720
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7107-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die mit der Lüge leben
E-Book, Deutsch, Band 720, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-7107-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die junge Komtess Claudia von Eschenreuth wird das Opfer von Menschen, die in ihrer Gier nach Hab und Gut vor nichts zurückschrecken. Hilflos ist das zarte Mädchen dem Intrigenspiel ausgeliefert, in seiner geraden, aufrichtigen Art durchschaut es nicht den raffiniert ausgeklügelten Plan, der es ins Verderben stürzen soll.
Claudias Liebe und ihr Lebensglück drohen durch die Lüge zweier gewissenloser Menschen zu zerbrechen ...
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Die mit der Lüge leben
Meisterwerk um ein raffiniertes Intrigenspiel
Die junge Komtess Claudia von Eschenreuth wird das Opfer von Menschen, die in ihrer Gier nach Hab und Gut vor nichts zurückschrecken. Hilflos ist das zarte Mädchen dem Intrigenspiel ausgeliefert, in seiner geraden, aufrichtigen Art durchschaut es nicht den raffiniert ausgeklügelten Plan, der es ins Verderben stürzen soll.
Claudias Liebe und ihr Lebensglück drohen durch die Lüge zweier gewissenloser Menschen zu zerbrechen ...
Wie gehetzt lief Komtess Claudia die Treppe hinunter. Unten in der Halle blieb sie stehen. Sie wollte zu ihrem Vater. Vielleicht war er erwacht.
Leise ging sie den breiten Säulengang entlang. Vor der Tür, hinter der Graf von Eschenreuth lag, machte sie halt.
Mein Gott, dachte sie, ist die Welt überhaupt noch wie gestern? Ihr kam es so vor, als läge eine Ewigkeit zwischen gestern und heute, seit der Vater gestürzt war und jetzt schwer verletzt daniederlag.
Sacht drückte Komtess Claudia die Klinke nieder und trat in das Zimmer ein. Am Fußende des Bettes, auf dem der Vater lag, blieb sie stehen.
Sie zuckte erschrocken zusammen, als sie die wächserne Blässe auf seinem Gesicht sah. Der Todesengel hatte ihn schon berührt, wusste sie.
Schwester Elena trug einen Sessel an das Krankenlager.
»Setzen Sie sich, Komtess«, flüsterte sie.
Es mochte wohl eine Stunde vergangen sein, seitdem Claudia still, ohne den Blick vom Antlitz des schwer verletzten Vaters zu wenden, dagesessen hatte, als er plötzlich die Augen aufschlug. Groß und sinnend sah er die Tochter an. Seine Hand suchte unruhig nach der ihren.
Claudia nahm alle Kraft zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie brachte es sogar fertig, ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zu zwingen. Mit beiden Händen umschloss sie die Finger des Vaters.
»Lieber Papa«, flüsterte sie mit einem liebevollen Blick. »Bald wirst du wieder gesund.«
Seltsam ernst blickte Graf von Eschenreuth seine Tochter an.
»Arme Claudia«, kam es wie ein Hauch von seinen Lippen. »Ich spüre, dass der Tod an meinem Bett Wache hält. Er wartet schon, dass er Auftrag erhält, mein Lebenslicht auszulöschen.«
»Sag so etwas nicht, Papa.« Claudia unterdrückte das Schluchzen, das in ihr aufstieg.
»Wir zwei waren immer ehrlich zueinander, mein Kind. Sollen wir uns im Angesicht des Todes belügen? Nein, Claudia, du weißt so gut wie ich, dass wir Abschied nehmen müssen.« Graf von Eschenreuth schöpfte tief Atem. Man merkte deutlich, dass ihm das Reden schwerfiel. »Es gäbe noch so viel zu sagen, mein Kind, leider muss es unausgesprochen bleiben. Nur eins noch ... Der Verwalter ist ...«
Vergeblich bemühte sich Graf von Eschenreuth weiterzusprechen, doch es gelang ihm nicht mehr.
Die Komtess sah, dass sein Gesicht starr wurde, sein Atem ging rasselnd, und sein Mund formte Worte, die nicht mehr über seine Lippen wollten.
Vor dem Lager des Vaters sank Claudia auf die Knie. Mit letzter Kraft legte sich die Hand des Grafen von Eschenreuth auf den Scheitel seiner Tochter, um fast im gleichen Augenblick schlaff auf das Bett zu sinken.
Mit einer sanften Bewegung fuhr Schwester Elena ihm über die Augen. Mitleidig schaute sie auf die Komtess, die noch immer vor dem Bett des Grafen kniete und mit tränenlosen Augen auf den Vater schaute.
Nach einer Weile berührte die Schwester sacht ihre Schultern und zog sie liebevoll empor.
Claudias Gesicht war zur Maske erstarrt. Mit hängenden Schultern und schleppenden Schritten verließ sie den Raum.
Ohne Ziel schritt sie den Säulengang entlang und trat durch die geöffnete Terrassentür ins Freie. Sie überquerte den gepflasterten Hof und bog in den Park ein.
Am Schlossteich, in dem Enten und Schwäne schwammen, setzte Claudia sich auf eine Bank und starrte vor sich hin. Verzweifelt presste sie die geballten Fäuste gegen die Augen. Lange saß sie so, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Schwester Elena rief inzwischen Dr. Laurentius an und teilte ihm mit, dass Graf von Eschenreuth das Zeitliche gesegnet habe.
???
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde im Schloss. Graf von Eschenreuth war seinen Untergebenen stets ein guter Herr gewesen, und alle empfanden ehrliche Trauer.
Es dauerte nicht lange, und die Flagge am Turm wurde auf halbmast gesetzt und verkündete, dass der Schlossherr seiner Verletzung erlegen war. Eduard, der Stallbursche, rannte in die Dorfpfarre, damit das Sterbeglöckchen geläutet wurde.
»Die arme Komtess«, stieß die rundliche Köchin schluchzend hervor. »Jetzt hat sie niemanden mehr. Und sie hing so sehr an ihrem Papa.«
»Jammern nützt auch nichts, Dora«, erwiderte Mamsell Maren. »Wir müssen stark sein und dürfen unserer Komtess das Herz nicht noch schwerer machen. Was meinst du wohl, wie es in mir aussieht? Ich habe den Grafen von Eschenreuth, als er noch ein kleiner Junge war, auf meinen Armen getragen.«
Mamsell Marens Stimme bebte bedenklich. Sie musste kurz innehalten, ehe sie fortfahren konnte.
»Mein Gott, Dora, ich weiß auch nicht, was werden soll. Vor allem macht mir der Verwalter Sorgen. Er hat böse Augen. Ich bin überzeugt, dass der gnädige Herr ihn bald entlassen hätte. In letzter Zeit habe ich des Öfteren beobachtet, dass er im heftigen Wortwechsel mit ihm stand.«
»Ich sehe den Verwalter auch lieber von hinten, Mamsell. Schon gleich, als ich ihn das erste Mal sah, hatte ich ein unangenehmes Gefühl. Dabei versteht der Kerl, die Frauen zu nehmen. Sämtliches Weibervolk ist in ihn verliebt.«
»Was wird hier geklatscht?« Mit diesen Worten trat der alte Diener Franz in die Küche.
»Männer dürfen alles essen, aber nicht alles wissen«, erklärte Dora. »Ich koche einen starken Kaffee, der wird uns allen guttun.«
»Ausweichen gibt es nicht. Ich habe gehört, dass ihr vom Verwalter gesprochen habt.«
»Nun, wenn du alles gehört hast, ist ja alles in Ordnung. Übrigens sollten Männer nicht so neugierig sein.« Dora und Franz standen immer ein wenig auf dem Kriegsfuß, wenn auch nur zum Spaß.
»Wenigstens heute solltet ihr das Kriegsbeil begraben.« Mamsell Maren stellte die Kaffeetassen auf den Tisch.
»Der arme gnädige Herr.« Franz schüttelte sein ergrautes Haupt.
»Ich finde, unser Komtesschen ist mehr zu bedauern. Erst zwanzig Jahre alt, und schon steht sie mutterseelenallein im Leben. Wenn wenigstens der alte Verwalter noch da wäre, dem neuen traue ich nicht über den Weg.«
»Da wären wir ja einer Meinung, Mamsell. Ich habe schon immer gesagt, mit dem Herrn von Burgloh erleben wir noch unser blaues Wunder. Der ist kein anständiger Kerl, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Pst, Franz, die Wände haben Ohren.« Maren legte warnend den Finger auf den Mund. »Der bringt es fertig und klagt Sie wegen Verleumdung vor Gericht an.«
»Sie haben recht, Mamsell, das ist ein ganz gefährlicher Mann.« Franz beugte sich etwas vor. »Ich möchte wissen, wo er in letzter Zeit die Nächte verbracht hat.«
»Wie meinst du das, Franz?«, fragte Dora.
»Der feine Herr verbringt die Nächte überall, nur nicht auf Schloss Eschenreuth.«
»Ist das die Möglichkeit, Franz, und das sagst du erst jetzt?«
»Sollte ich mir den Mund verbrennen? Im Übrigen wusste der gnädige Herr auch davon, erst gestern wurde ich Zeuge, wie er ihn anständig ins Gebet nahm. Er sparte nicht mit Vorwürfen über seinen lockeren Lebenswandel. Als Graf von Eschenreuth ihm den Rücken kehrte, warf ihm Herr von Burgloh solch einen hasserfüllten Blick nach, dass ich zu Tode erschrocken war.«
Betroffen sah Mamsell Maren den alten Franz an.
»Was du nicht sagst, und du sahst ihn gewiss erst morgens heimkommen?«
»Ja doch, Mamsell. In meinem Alter schläft man nicht mehr so wie ein junger Mensch. Ich stand auf und öffnete das Fenster, da sah ich den Verwalter auf den Hof reiten. Es war kurz vor Sonnenaufgang. Wo ist übrigens unser Komtesschen?«, wechselte er nun das Thema.
»Sie wird sich in ihrem Zimmer ausweinen. Trösten können wir sie doch nicht. Später werde ich zu ihr hinaufgehen, das heißt, wenn sie bis dahin nicht schon bei mir angeklopft hat.«
»Eine saubere Gesellschaft«, klang es von der Tür her. »Der Herr ist tot, schon tanzen die Mäuse auf dem Tisch herum.«
Zynisch lächelnd stand der Verwalter in der Tür.
»Schert euch an die Arbeit, faules Gesindel.« Er trat an den Tisch und hob den Deckel der Kaffeekanne.
»Sieh da, hier wurde ein extra starkes Getränk gebraut«, höhnte er. »In Zukunft wird sich hier einiges ändern. Ihr habt wohl geglaubt, hier würde ein Leben wie im Schlaraffenland geführt, wie?«
»Jetzt ist es aber genug, junger Mann, der Franz und ich sind auf Eschenreuth alt geworden. Auf keinen Fall darf ein Grünschnabel wie Sie es wagen, solch einen Ton...




