E-Book, Deutsch, Band 2, 342 Seiten
Weber Die Teestube in Freshwater Bay
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98690-913-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Verliebt auf der Isle of Wight, Band 2. Ein wunderschöner Inselroman mit Cosy-Romance-Feeling
E-Book, Deutsch, Band 2, 342 Seiten
Reihe: Verliebt auf der Isle of Wight
ISBN: 978-3-98690-913-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Annette Weber, 1956 in Lemgo geboren, schreibt seit über 20 Jahren Romane, in die sie stets ihre Begeisterung für Pferde einfließen lässt. Annette Weber ist verheiratet, hat drei Söhne, sechs Enkelkinder und lebt in der Nähe von Paderborn. Die Autorin im Internet: www.annette-weber.com/ und www.sina-trelde.de Bei dotbooks veröffentlichte Annette Weber ihre »Verliebt auf der Isle of Wight«-Reihe mit den Romanen »Das Cottage in Seagrove Bay« und »Die Teestube in Freshwater Bay«, die auch als Hörbücher bei SAGA Egmont erhältlich sind. sowie ihre Familiensaga um »Gut Werdenberg« mit den Bänden »Stürme einer neuen Zeit« (auch erhältlich im eBundle »Schicksalstöchter - Aufbruch in eine neue Zeit«) und »Hoffnung eines neuen Lebens«.
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Kapitel 1
Mein Arbeitstag begann um halb sieben mit einer Tasse Inseltee, wie meine Mutter ihn immer nannte. Sie war Teeliebhaberin durch und durch. Diese Blätter hatte sie selbst in ihrem großen Gemüsegarten angebaut, ein englischer Schwarztee aus Cornwall, den sie mit der ursprünglichen Pflanze Camellia Sinensis veredelt hatte.
Ich goss den Tee mit Wasser auf und wartete, bis sich die Flüssigkeit goldbraun färbte. Dann gab ich einen Tropfen Bergamotte-Öl hinzu, der ihm einen besonders würzigen Geschmack verlieh. Mit der Tasse – heute mal das englische Porzellan mit kleinen lila Veilchenblüten – setzte ich mich an einen Tisch am Fenster meines Teehauses und versuchte, mich noch einmal zu entspannen, bevor die Arbeit begann.
Das heiße Teewasser ließ meine Brille beschlagen. Ich nahm sie ab, legte sie neben die Teetasse und schloss einen kurzen Moment die Augen. Die Tage hier waren lang und anstrengend, aber mir gefiel es. Ich brauchte nur einen guten Start. Dieser Tee gab mir Kraft und Wohlbefinden.
»Alexa, spiel Ed Sheeran«, gab ich an meinen Echo Dot weiter, den ich in einem Regal hinter einer Zimmerpflanze deponiert hatte.
»Zufallswiedergabe von Ed Sheeran«, sagte Alexa mit ihrer freundlichen Stimme. Und dann startete sie mit I see fire, und ich sang leise mit.
Nachdem ich den Tee ausgetrunken hatte, startete ich mit meiner Arbeit. Sie begann immer damit, dass ich den Teig für Scones, Shortbread und Flapjacks zubereitete. Später würde ich auch noch meinen Victoria-Sponge-Cake backen. Diese Torte war meine Spezialität, und sie war oft der Grund, dass Gäste nachmittags zu mir ins Teehaus kamen. Danach füllte ich die Teesorten auf, die in den großen Schmuckdosen untergebracht waren. Und dann war es auch schon Zeit, das Frühstück zuzubereiten.
Sieben unterschiedliche Frühstücke hatten wir auf der Karte. Von Sausages mit Bohnen über Pfannkuchen mit Honig bis hin zu einer Obstschale mit Clotted Cream war alles dabei. Mein Chef Mathew überlegte immer mal wieder, die Frühstückskarte zu kürzen, aber ich hatte es ihm bis jetzt ausreden können. Ich hatte gerade wegen dieser großen Auswahl so viele Gäste, und ich wollte niemanden enttäuschen. Außerdem hatte ich alles gut organisiert und kriegte es hin, obwohl ich seit einem Jahr ganz allein hier arbeitete. Gute Arbeitseinteilung war eben die halbe Miete, und die belebende Tasse Tee, gewürzt mit einem Ed-Sheeran-Song, brachte mich in Schwung.
Gut gelaunt stand ich nun auf, ging in die Küche und füllte Mehl, Zucker und Milch in den großen Mixer. Die Butter musste ganz kalt sein, damit der Teig eine besondere Konsistenz bekam. Ich knetete ihn mit der Hand weiter, fügte erst jetzt das Backpulver hinzu. Dann legte ich den Teig in den Kühlschrank. Die Scones durften jetzt noch nicht gebacken werden, denn sie wurden warm gegessen. Daher wandte ich mich nun dem Shortbread zu und bereitete zuletzt den Teig für die Flapjacks vor. An diesem Tag ging mir alles so gut von der Hand wie selten. Ich schaffte es sogar, eine zweite Tasse Tee zu trinken – diesmal mit einem Schuss Milch.
Schließlich wurde es Zeit, das Teehaus zu öffnen. Wie immer standen schon die ersten Ungeduldigen vor der Tür. An vorderster Stelle Mathew Shaw, mein Chef. Gut angezogen, mit Jeans, langärmligem T-Shirt und Jackett, die perfekte Mischung aus schick und sportlich, die Ledertasche um die Schulter, die Zeitung unter dem Arm. Er sah gut aus – sehr gut sogar, und das Sympathische an ihm war, dass er das gar nicht wusste – oder dass es ihm nicht so wichtig war. Er wirkte immer so reserviert. Persönliche Beziehungen im Berufsleben vermied er, so gut er konnte.
Hinter ihm erschien Mr Williams, einsamer Rentner und mein ganz persönlicher Fan, neben ihm die drei Freundinnen Mrs Barney, Mrs Taylor und Mrs Atkins, die jeden Tag zusammen frühstückten. In wenigen Minuten würden wahrscheinlich auch das Ehepaar Berry und die Schwestern Lilly und Victoria Games auftauchen, die ebenfalls täglich zum Tee kamen.
»Guten Morgen, Ruby«, grüßte mich Mathew, und wie jeden Morgen reichte er mir seine kühle, schmale Hand und lächelte sein freundliches Lächeln. Und wie jeden Morgen lächelte ich höflich zurück und wünschte mir, er würde einmal in seinem Leben etwas anderes sagen. Zum Beispiel: »Schön, dass du da bist, Ruby«, oder auch: »Du siehst gut aus, Ruby.« Und alternativ zu seiner kühlen Hand könnte er mich auch einfach mal umarmen. Aber das waren kühne Fantasien. Mathew blieb immer auf freundlicher Distanz. Und das brachte mich so ziemlich jeden Morgen zur Verzweiflung. Nicht, dass ich in ihn verliebt war – das war ich mit ziemlicher Sicherheit nicht –, ich wünschte mir nur, dass er mir einmal zeigte, dass ich mehr war als ein x-beliebiger Faktor in seiner Geschäftsführung und dass er meine Arbeit schätzte. Aber das war offenbar zu viel verlangt.
»Guten Morgen«, gab ich darum wie immer zurück.
Ich öffnete die Tür weit und ließ die Gäste herein.
Mathew suchte sich seinen Lieblingsplatz am Fenster in der Ecke und breitete seine Zeitung aus. Er war der einzige Mensch, den ich kannte, der noch Papierzeitungen las. Während sein Kopf hinter der Zeitung verschwand, betrachtete ich ihn nachdenklich.
Mathew wohnte nicht auf der Insel. Jeden Tag kam er mit der Fähre von Southampton zu uns auf die Isle of Wight hinüber, wo er drei Teehäuser besaß und managte. Eigentlich hätte er auf der Fähre frühstücken können, immerhin dauerte die Fahrt fast eine Stunde. Auch seine Zeitung hätte er dort lesen können. Aber das tat er nicht. Es gehörte zu seinen Traditionen, sie hier bei mir am Fenster zu lesen und dazu einen Tee zu trinken und Pancakes mit Honig zu essen. Er war eben ein bisschen zwanghaft, der gute Mr Shaw, und eine seiner Devisen lautete: »Ich starte mit dem, was ich habe.« In seinem Fall war das der Ostfriesentee, ein aromatischer Schwarztee, den er sich aus Norddeutschland schicken ließ und nach der Zeremonie seiner Großmutter Hinrike von mir zubereiten ließ. Auch das hatte eine gewisse Zwanghaftigkeit. Meine Freundin Nele und ich machten uns immer ein bisschen über ihn lustig. Aber wenn ich ehrlich war, mochte ich diesen kleinen Tick an ihm. Eigentlich war er mir dadurch sogar ein bisschen ans Herz gewachsen, denn was Tee betraf, achtete auch ich die Traditionen – genau genommen liebte ich sie sogar.
Ich rechnete es Mathew hoch an, dass er mich damals eingestellt hatte, als ich mein Studium abgebrochen hatte und heimwehkrank auf die Isle of Wight zurückgekehrt war. Meine Eltern hatten mir bittere Vorwürfe gemacht und mir angedroht, mich nicht länger finanziell zu unterstützen. Sie verstanden nicht, wie man ein Mathematikstudium in London einfach so in den Wind schießen konnte.
Mathew hatte für sein Teehaus in Seaview eine Aushilfskraft gesucht, und ich hatte mich bei ihm beworben. Zum Vorstellungsgespräch hatte er mich in genau dieses Teehaus eingeladen. Ich erinnerte mich noch daran, als wenn es gestern gewesen wäre. Der Tearoom hatte schon geschlossen und er noch auf mich gewartet. Dann hatte sich Mathew mit mir auf einen Tee dort ans Fenster gesetzt, mich eine Weile aufmerksam betrachtet und mich schließlich gefragt: »Was ist Ihr Lieblingstee?«
Da musste ich keine Minute nachdenken. »Mein Early Morning Tea ist ein Schwarztee, nicht aromatisiert, ohne Zucker und Milch, zur High Teatime trinke ich gerne einen Earl Grey mit Sahne, und abends muss es oft ein Ceylon-Tee mit Milch sein.«
Mathew hatte einen Moment lang die Augenbrauen hochgezogen, dann hatte er freundlich gelächelt und gefragt: »Geben Sie die Milch zuerst in die Teetasse oder wenn der Tee drin ist?«
Das war die Frage, die ganz England spaltete. Ich musste grinsen. »Ich gehöre zur MIF-Fraktion«, erklärte ich. »Milk-in-first.«
Er lachte laut. »Sie haben den Job«, sagte er.
Schon damals hätte ich ihn am liebsten umarmt, aber ich hatte gleich gespürt, dass ihm körperliche Nähe nicht angenehm war. Er hatte zwar eine aufmerksame Art, zuzuhören und innerlich bei mir zu sein, sobald ich ihm aber zu nah kam, wich er zurück, als wenn ich eine ansteckende Krankheit hätte.
Mittlerweile duzten wir uns, und ich hatte mich von der Aushilfskraft zur alleinigen Teehaus-Geschäftsführerin gemausert. Dass mir Mathew diese Position anvertraut hatte, war unglaublich großzügig von ihm, und dafür liebte ich ihn.
Ich verschwand nun in der Küche, um die Pancakes in die Pfanne zu gießen und den Tee aufzusetzen. Mittlerweile wusste ich genau, was ihm wichtig war. Er trank seinen Tee in einer ganz eigenen Tasse aus weißem Porzellan mit blauer Bemalung. Delfter Porzellan, nannte Mathew das. Dazu gab es passend eine kleine Teekanne mit Stövchen, einem kleinen Kännchen für die Sahne und einem Schälchen für die dicken klobigen Zuckerstückchen, die Mathew Kluntje nannte. Das alles entsprach der Tradition seiner ostfriesischen Großmutter Hinrike Hansen, wie er mir mal erzählt hatte. Die schien er sehr geliebt zu haben, und bei ihr hatte er einen Großteil seiner Kindheit verbracht.
Ich spülte die Kanne mit heißem Wasser aus, gab dann die Teeblätter in ein Teesieb und goss alles mit weichem Wasser auf. Danach servierte ich Mathew alles auf einem kleinen Silbertablett. Er blickte kurz von seiner Zeitung auf. Seine blauen Augen betrachteten mich freundlich, und er bedankte sich, woraufhin mein Herz einen unkoordinierten Hüpfer machte. Gleich darauf schaute er wieder in seine Zeitung.
Ich wanderte mit Zettel und Kuli zu den Gästen und nahm die Bestellungen auf. Im Gegensatz zu meinem Chef hatten sie täglich andere Wünsche und zeigten mehr Kreativität in ihrem Speiseplan....