Wiemers | Bross. Showdown im Schlippers | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 182 Seiten

Reihe: Edition Totengräber

Wiemers Bross. Showdown im Schlippers


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-943876-12-3
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 182 Seiten

Reihe: Edition Totengräber

ISBN: 978-3-943876-12-3
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein entflohener Top-Verbrecher. Drei impulsive Araber. Viele verdächtige Rentner im Seniorenheim. Und - nicht zuletzt - eine sehr leblose Leiche. Für einen solchen Fall kommt nur einer in Frage: Kommissar Bross, der Mann mit den immer nassen Zigaretten. Scharfsinnig. Präzise. Unerbittlich. Und niemals ohne sein Keyboard unterwegs. Bross. Dieser Mann braucht keinen Vornamen. Ein Slapstick-Krimi, rasant wie eine Fahrt mit dem Autoscooter.

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2


„Verdammt“, raunzte Bross, als er am Vormittag seines freien Freitags das Mietshaus erreichte, in dem er wohnte. Er war unterwegs gewesen, in Angelegenheiten. Sein wasserabweisender, beige-grauer Trenchcoat war völlig vom Regen durchweicht und tropfte. Wasser rann aus der Krempe seines Hutes und lief vor ihm auf den Boden. Den Hausschlüssel aus dem nassen Mantel zu kramen, war eine Zumutung. Bross fror.

Als er den alten, weiß lackierten Türflügel hinter sich ins Schloss zog, roch es vertraut nach Kohl, wie immer, wenn er den Hausflur betrat. In den wohl hundert Jahren, in denen dieses Gebäude existierte, hatten sich die Gerüche der unzähligen Menschen und Ereignisse zu einer Melange zusammengefügt, deren Schnittmenge abgestandener, kalter Kohl war. Ein Blick in den Briefkasten. Nichts. Doch das war kein Grund zur Beunruhigung. Wer etwas von ihm wollte, rief ihn an. Er schob den klatschnassen Rand seines Mantelärmels ein kurzes Stück nach oben und schaute auf die Uhr: Er war spät dran, weil er den Bus verpasst hatte. Seitdem hatte es geregnet. Seine Leinenhose war völlig durchnässt und klebte unangenehm an den Beinen, als er die alte, dunkle Holztreppe zu seiner Wohnung in den ersten Stock hinaufstieg. Die Stufen knarzten und knackten bei jedem Schritt. Hier wusste jeder, wer wann kam und ging, und nicht selten öffnete sich verstohlen eine Tür, wenn jemand die Treppe benutzte. Es konnte ja ein Unbefugter sein, oder eine Mieterin brachte ihren Liebhaber mit. Darüber musste man Bescheid wissen. Wer weiß, wozu das gut sein konnte.

Vor seiner Wohnungstür angekommen, ergriff Bross die durchnässte Zigarette, die noch in seinem Mundwinkel hing, schnipste sie hinter sich ins Treppenhaus und trat ein.

Wie immer, wenn er aus dem Regen nach Hause kam, führte ihn sein erster Gang ins Bad. Er musste behutsam gehen, um das Wasser, das in seiner Hutkrempe verblieben war, nicht noch in seiner Wohnung zu verschütten. Mittlerweile hatte er schon Übung darin, den Hut vorsichtig mit beiden Händen vom Kopf zu nehmen. Sicherheitshalber tat er das vor dem Spiegel, damit er seine Bewegungen kontrollieren und die Wassermenge langsam in das Waschbecken abkippen konnte. Der Rest war, wie auch schon das Abnehmen des Hutes, Routine: das Herausschälen aus dem tropfnassen Mantel, den er dann über der Badewanne aufhängte, dann die Schuhe aus, in denen Pfützen standen, die bei jedem Schritt ein saugend-matschendes Geräusch produzierten, die Socken, deren – – –.

Es klopfte. „Herr Bross?“

Eine Frauenstimme von nebelkrähenhaftem Timbre durchdrang die schwere Wohnungstür.

„Herr Bross?“

Bross hüpfte auf einem noch bestrumpften Bein zurück in den Flur. Draußen stand die Concierge. Er hatte es befürchtet.

„Hören Sie, Herr Bross?“, keifte sie.

„Ja, Frau Schlichting. Ich wische die Treppe gleich auf. Fünf Minuten.“

„Aber den Flur auch, hören Sie? Wäre ja nicht das erste Mal.“ Das hohe steinerne Treppenhaus mit den Nachhallwerten einer Kirche schien das Krähengeräusch zu potenzieren. Worte waren kaum noch zu verstehen; sie wurden vom Echo und dessen Echo schichtweise überlagert. Aber Bross wusste auch so, was die Concierge sagen würde. „Ich komme in einer halben Stunde zurück. Dann ist das alles trocken, haben Sie verstanden? Und die Kippe, die ist dann auch weg.“

„Ja, Frau Schlichting. Ich weiß.“

„Eine halbe Stunde, hören Sie? Und ich habe meine Wohnungstür auf, damit ich auch sehe, was Sie tun und ob Sie das gescheit machen.“

„Ja. Wie immer. Vielen Dank. Ich bin gleich da. Auf Wiedersehen.“

Die Schritte der Concierge knarrten und polterten die Treppe hinab, begleitet von weiteren Krächzlauten, die sich allmählich entfernten wie ein abziehender Krähenschwarm über einem herbstlichen Kartoffelfeld, über das sich der Nebel der frühen Dämmerung senkt. Ihm war immer noch kalt.

Da klingelte das Telefon. Einem plötzlichen Impuls folgend hob er ab. „Hier spricht der automatische Anrufbeantworter von Kommissar Bross. Immer im Dienst, immer im Auftrag. Sie haben diesen verdammten – – –“

„Lass den Quatsch“, unterbrach ihn die Stimme des Anrufers. „Ich weiß, dass du dran bist. Dezernat 12. Wir brauchen dich.“

„Was ist passiert?“, fragte Bross.

„Hast du Zeit?“

„Immer im Dienst, immer im Auftrag.“

„Was heißt das?“

„Ich komme.“

Eine halbe Stunde später stand er, nun trocken und umgekleidet, noch immer im Bad. Durch das halb geöffnete Fenster schien die Sonne herein. Er drückte auf den Play-Knopf seines CD-Spielers. Cindy & Bert. Immer wieder sonntags. Dann schaute er in den Spiegel.

„Hm.“

Langsam näherte er sich seinem Ebenbild. Ein griechisch-römisches Profil, strahlende Augen, sonnengebräunter Teint – dies waren Eigenschaften, die man an ihm vergeblich suchte. Er war kein Mann, der aus der Nähe sehr gewann. Die Gesichtshaut war übersät mit kleinen Blatternnarben. Seine Stirn erschien etwas zu hoch, die Brauen zu weit vorragend, die Augen zu tief in den Höhlen und etwas zu eng zusammenstehend. Unter seinen hohen, an Basil Rathbone erinnernden Wangenknochen fielen seine Wangen stark ein, vor allem, wenn er beim Denken sein Wangenfleisch einsaugte. Die Nase in der Mitte seines kantigen, glatten Gesichts war lang, spitz und dreieckig und irgendwie falsch proportioniert. Sein kurzgeschnittenes, eigentlich braunes Haar war grau meliert – vielleicht das einzige Attribut von Attraktivität, das man seinem Äußeren zusprechen mochte. Doch sein ledernes Charisma, anziehend und abstoßend zugleich, seine suggestive Aura, seine mystische Faszination, deren alles verschlingender Sogwirkung sich kein Verbrecher entziehen konnte – sie waren die Faktoren, die ihm seine unvergleichliche und gefürchtete astralische Unerbittlichkeit verliehen.

Und er wusste es.

Rrrrrinngg. Der Klingelton war natürlich der eines Telefons aus Hollywoodfilmen der 50er Jahre. Philipp Marlowe. Bei Anruf Mord. Bross hob ab.

Hier spricht der automatische – – –“

„Bross! Bitte!“

„Wer spricht?“

„Dezernat 12. Das weißt du doch. Wir –“

„Das kann jeder behaupten. Weisen Sie sich aus.“

„Bross, jetzt lass doch – – – sag mal, wo bleibst du denn?“

„Hier stelle ich die Fragen. Was ist eigentlich los?“

„Hakennase.“

Drückende Stille.

„Hakennase?“

Noch drückendere Stille.

„Hakennase.“

Unerträglicher Druck der Stille, in der das Fallen einer Nadel einem Peitschenknall gleichgekommen wäre.

„Er ist weit weg“, sagte Bross, das Tempo des Gesprächs wieder aufnehmend.

„Von wegen. Er ist wieder da.“

„Wo?“

„Hier. In Deutschland.“

Bross zog den Kragen seines Mantels hoch. Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung, dibidibi dib dib – dib, hörte er aus dem Bad, in Küchenmädchenterzen.

„Das ist unmöglich. Ich hatte ihn gestellt. Und eingebuchtet.“

„Doch, das ist möglich. Nachdem er hier aus dem Knast ausgebrochen war, hatte er einen transmongolischen Rikscha-Service, und danach hat er sich an einem Gleisbauunternehmen in Kamtschatka verspekuliert. Sein letztes Projekt, von dem wir gehört haben, war eine Nilpferd-Farm im Okawango-Becken. Überall, wo sie ihn geschnappt haben, gelang es ihm nach kurzer Zeit zu fliehen. Für den ist kein Gefängnis dicht und keine Mauer hoch genug. Der letzte konkrete Hinweis auf ihn kam aus Marrakesch. Danach verlor sich seine Spur. Aber die Jungs vom BKA haben ihn seit kurzem wieder auf dem Schirm. Nun haben wir einen verdeckten Ermittler auf ihn angesetzt, und der hat uns die Information geliefert.“

Wortlos klickte Bross den Anruf weg und atmete aus. Er hatte genug gehört. Es war keine Zeit mehr für eine sinnlose Abrundung des Gesprächs, irgendwelchen schwachsinnigen Small Talk oder gar dafür, zu warten, bis der am anderen Ende Luft geholt hatte. Jetzt zählte jede Sekunde. Er hackte eine Nummer in die Tastatur.

„Keule?“, fragte Bross, nicht abwartend, dass sein Gesprächspartner sich mit dem Namen meldete. Er sprach das Wort so kurz wie möglich aus, um Zeit zu sparen.

„Ja, Chef?“

„Wir haben einen Fall. Schätze, das wird mein härtester.“

„Um Gottes willen! Doch nicht etwa – – –?“

„Ja. Ich hole dich ab.“

Bross sah aus dem Fenster und rieb sich den Nacken. Wenn er seine ewigen Verspannungen nur lösen könnte! Draußen hatte die Sonne die Straße inzwischen vollends abgetrocknet. Er nahm seinen zweiten, noch trockenen Trenchcoat vom Haken, setzte einen anderen Hut auf, steckte sich eine Zigarette in den Mund, ging zur Wohnungstür und griff nach der Klinke.

Kaum hatte er die Tür geöffnet, schrak er zurück. Draußen stand eine Nebelkrähe in einer schmuddeligen Kittelschürze von undefinierbarem Material; Muster und Farbe erinnerten an aufdringliche, depressiv wirkende Schlafzimmertapeten des 19. Jahrhunderts. Auf dem Kopf trug sie ein vorn gebundenes, pinkfarbenes Kopftuch, zu dessen Seiten wirres, unterirdisch schlecht gefärbtes, rotes Haar herausdrängte, das einen schreienden Kontrast zu der Erscheinung unterhalb des Kopfes bot.

Er schrak zurück.

Die Concierge. Sie musste direkt vor der Tür gestanden haben.

„Herr Bross, so geht das...



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