E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Wolff Kein Mann ist auch (k)eine Lösung
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-346-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-98952-346-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Steffi von Wolff, geboren 1966 in Hessen, war Reporterin, Redakteurin und Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern. Heute arbeitet sie freiberuflich für die ARD, als Roman- und Sachbuchautorin für diverse Verlage, hat eine Kolumne im Segelmagazin YACHT und wird von vielen Fans als »Comedyqueen« gefeiert. Steffi von Wolff lebt mit ihrem Mann in Hamburg. Die Autorin im Internet: steffivonwolff.de und facebook.com/steffivonwolff.autorin Steffi von Wolff veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Bestseller »Glitzerbarbie«, »Gruppen-Ex«, »ReeperWahn« und »Rostfrei«, »Fräulein Cosima erlebt ein Wunder«, »Das kleine Segelboot des Glücks«, »Der kleine Buchclub der Träume«, »Das kleine Hotel an der Nordsee«, »Das kleine Haus am Ende der Welt«, »Kein Mann ist auch (k)eine Lösung«, »Für Rache ist es nie zu spät«, »Die Spätsommerfrauen«, »Taxifahrt mit einem Vampir« und »Das kleine Appartement des Glücks« sowie die Kurzgeschichten-Anthologien »Das kleine Liebeschaos für Glückssucher«, »Das kleine Glück im Weihnachtstrubel« und »Das kleine Handbuch des Liebesglücks«. Außerdem erschienen sind ihre Sammelbände »Liebe ist nichts für Anfänger« und »Küsse und andere Missgeschicke«. Eine andere Seite ihres Könnens zeigt Steffi von Wolff unter ihrem Pseudonym Rebecca Stephan im ebenso einfühlsamen wie bewegenden Roman »Zwei halbe Leben«.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
»Nimm du Sraup in regt Hand und dann dreh link. Vorsigt mit Kabel und andere Strom. Wenn gesraupt, dann gud. Wenn nigt, dann du Fehler gemagt«, steht in der Gebrauchsanweisung.
Also nehme ich die Schraube in die rechte Hand und drehe nach links. Die Schraube dreht durch. Es steht nichts von einem Dübel in der Gebrauchsanweisung und es steht auch nichts darüber, was man tun muss, wenn die Schraube durchdreht. Ich fange an zu schwitzen. Einmal nur in meinem Leben möchte ich etwas richtig zu Ende bringen, ohne jemanden um Hilfe bitten zu müssen. Also, alles noch mal von vorne. Sraup in regt Hand. Bitte sehr. Die Schraube dreht durch. Und ich drehe auch gleich durch.
Ich muss also mal wieder zu Richard und ihn um Hilfe bitten. Richard wohnt ein Stockwerk über mir und hat eine Wohnung, vor der ich einfach nur Angst habe. Sämtliche Wände sind schwarz gestrichen, damit bloß kein Sonnenlicht reflektiert. Obwohl das gar nicht möglich wäre, denn Richards Fenster sind immer geschlossen und die Klappläden wurden wohl in den fünf Jahren, in denen er hier wohnt, noch nie geöffnet. Wahrscheinlich würden sie sich jetzt auch gar nicht mehr öffnen lassen, weil sie völlig eingerostet sind.
Richard ist ein Albino mit großen roten Augen, weißen Haaren und einer derart durchsichtigen Haut, dass man meint, die Blutzirkulation durch seinen Körper mit bloßem Auge erkennen zu können. Als Richard mir einmal einen Toilettendeckel montierte - es war Sommer und sein Oberkörper ausnahmsweise frei -, lag er halb unter dem Klosett und ich schwöre, dass ich seinen Zwölffingerdarm gesehen habe. Wenn Richard aus dem Haus geht, trägt er, auch bei vierzig Grad im Schatten, grundsätzlich einen hochgeschlossenen Parka, lange Hosen, Stiefel und eine Skibrille. Er hat eine derart panische Angst davor, dass er einen Sonnenbrand bekommen konnte, dass es schon fast krankhaft ist.
Ein einziges Mal waren wir im Sommer zusammen einkaufen, da trug er eine Mütze, die nur an den Augen schmale Schlitze hatte. Frau Gerber an der Kasse vom AKTIV-Markt hat sofort den Alarmknopf gedrückt, weil sie der Meinung war, Richard wolle die Bareinnahmen aus ihrer Kasse und hielte mich als Geisel. Dabei hat sich Richard nur an mir festgehalten, weil die Mütze verrutscht war und er nichts mehr sehen konnte.
Sämtliche Kunden liefen auf die Straße und schrien, und Frau Gerber bedrohte Richard mit dem Scannerleser ihrer Kasse, in der Hoffnung, er würde annehmen, es handele sich dabei um ein Elektroschockgerät. Die Polizei kam und umstellte den Markt. Ich versuchte, das Missverständnis aufzuklären, aber wie immer hörte mir keiner zu. Richard war verwirrt und brachte es irgendwann fertig, den Sehschlitz seiner Mütze wieder vor seine Augen zu platzieren, was mit entsetzten Schreien der Angestellten honoriert wurde, vermutlich, weil seine Augen vor Panik noch röter waren als sonst.
»Geben Sie auf. Verlassen Sie mit erhobenen Händen das Gebäude!«, quakte das Überfallkommando von draußen.
Ich fing an, laut zu heulen, Richard begriff gar nichts mehr und wollte mich in den Arm nehmen.
»Lass mich«, schniefte ich und schubste ihn weg. »Wo ich hinkomme, passiert irgendwas Schlimmes.«
Richard strauchelte, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit dem Süßwarendrehständer auf den Boden. Diesen Moment nutzte Werner Pluntke, der Marktleiter, um sich mit Todesverachtung auf Richard zu werfen. Hektisch riss er einen Beutel mit Lakritze auf, rollte die Schnecken auseinander und versuchte, Richard damit zu fesseln und somit dingfest zu machen. Frau Gerber, eine geborene Stuttgarterin, lief an die Ladentür, gestikulierte und ging dann, als die Polizisten die Waffen sinken ließen, vors Haus.
»De Schef hot den Monn gschwind überwäldigt!«, schwäbelte sie erleichtert. »Heiligs Blechle, un des om frühe Morge!«
Richard und ich wurden in eine Ecke gedrängt und festgehalten, und endlich konnte ich alles erklären. Richard sagte gar nichts mehr. Er ist seitdem nie mehr mit mir einkaufen gegangen.
Ich heiße Carolin. Nein, nennen Sie mich bitte Caro. Obwohl ich Carolin sehr schön finde. Die Prinzessin von Monaco heißt auch so und sie hat auch so viel Pech wie ich und knabbert bestimmt wie ihre Schwester Stephanie an den Fingernägeln. Ich habe das mal in einer Klatschzeitung gelesen und habe dann auch angefangen, an den Fingernägeln zu knabbern. Ich dachte, wenn eine Prinzessin das tut, ist das bestimmt sehr chic. Ich versuche heute ständig, es mir wieder abzugewöhnen, und schaffe es auch immer für ein paar Monate. Und dann fange ich wieder damit an. Mein Freund Gero behauptet, ich würde das unterbewusst machen, um mich selbst zu quälen. Psychotherapeuten nennen es sogar »Selbstverstümmelung«. Haha. Als hätte ich so nicht schon Ärger und Chaos genug. Ich bin jetzt 34 Jahre alt und habe das Gefühl, noch keine 20 zu sein. Aber dazu später mehr.
Jetzt muss ich also erst mal zu Richard. Ich lasse den ganzen Kram liegen und gehe ein Stockwerk höher. Richard hat keine Klingel und möchte auch nicht, dass man bei ihm klopft. Seitdem er einen Volkshochschulkurs besucht hat, der sich mit übersinnlicher Wahrnehmung beschäftigte, glaubt er, Menschen vor seiner Tür spüren zu können. Selbstverständlich fand dieser Kurs abends im Winter statt. Um Richard also ernst zu nehmen, habe ich es mir angewöhnt, vor seiner Tür entweder ganz laut zu hyperventilieren oder aber einen Hustenanfall zu bekommen. Er öffnet dann immer sofort und sagt: »Ich habe gewusst, dass du vor der Tür stehst!«
Ich huste laut. Die Tür geht auf und Richard sagt: »Ich habe gewusst, dass du vor der Tür stehst!« und lässt mich rein.
»Richard«, sage ich, »könntest du eben mit runterkommen und mir ein beklopptes Regal zusammenbauen? Ich kriege sonst einen Nervenzusammenbruch.«
Richard schaut auf seine geschlossenen Klappläden. Die Schlitze reflektieren nichts. Keine Sonne. Fast schon dunkel. Er kann also ohne Mantel und Mütze die zwei Treppen runter in meine Wohnung laufen, ohne durch den Lichteinfall im Treppenhaus eine UV-Vergiftung zu bekommen.
»Okay«, sagt er und kommt mit. Bei mir angekommen, kickt er die Gebrauchsanweisung mit dem Fuß zur Seite, nimmt einen meiner Kreuzschlitzschraubenzieher und baut das Regal in genau 27 Sekunden zusammen, ohne es sich dabei auch nur einmal genau ANZUSCHAUEN! Ich komme mir vor wie der letzte Depp.
»Du denkst auch, ich bin total blöd, oder?«, frage ich.
»Nein nein«, sagt Richard. »Es muss doch nicht jeder alles können.
Dafür kannst du andere Sachen ganz prima!«
Ich bin erleichtert. »Was denn?«, frage ich erwartungsvoll.
Richard öffnet den Mund und schließt ihn nach einer Weile wieder. Ihm fällt offensichtlich nichts ein. Ich frage auch nicht noch mal. »Wo willst du das Regal denn hinstellen?«, will Richard stattdessen wissen und schaut sich um.
»In den Flur«, sage ich, »genau neben die antike Garderobe. Es passt genau hin. Auch von der Holzmaserung her. Und ich habe alles genau ausgemessen!« Ich berste vor Stolz.
Wir gehen in die Diele und ich zeige Richard die Stelle, wo ich das Regal hinstellen möchte. Richard schaut mich nur an.
»Was ist?«, frage ich. »Schau doch!« Ich ziehe das Regal vom Wohnzimmer in den Flur und rücke es genau neben die Garderobe. Richard schaut mich immer noch an. Was ist denn? Sitzt eine Spinne auf meiner Nase? Habe ich vielleicht ein Loch in der Backe, ohne dass ich es weiß? Blute ich aus den Augen?
Richard fragt: »Und wenn ich jetzt gehen möchte?«
Was ist los mit ihm? »Dann geh doch«, sage ich.
Richard greift an die Türklinke und will die Tür öffnen. Die Tür lässt sich nicht öffnen, weil das Regal direkt davorsteht. Ich renne ins Wohnzimmer, werfe mich auf die Couch und fange laut an zu heulen. Richard sucht währenddessen einen geeigneteren Platz für das Regal.
Zwei Stunden später haben wir die dritte und letzte Flasche Prosecco geleert und streiten darüber, ob wir mit Amaretto oder Sherry weitermachen sollen. Wir spielen »Wer zuletzt keine Antwort mehr auf eine Frage weiß, hat verloren« und Richard lässt mich gewinnen (ich weiß, dass er weiß, dass Mozart die Zauberflöte komponiert hat, ich habe die CD bei ihm gesehen), wahrscheinlich, um mir einmal ein Erfolgserlebnis zu gönnen. Ich wanke in die Küche, um die Sherryflasche zu holen. Wo ist sie nur? Da höre ich aus dem Wohnzimmer ein ohrenbetäubendes Geschmetter. Ich rase zurück. Richard ist panisch dabei, die Fensterläden zu schließen, obwohl um 23 Uhr auch nicht mehr nur ein Rest Sonne zu sehen ist.
»Was machs’n du?«, lalle ich, während ich sehe, dass sämtliche Gläser aus meiner Vitrine kaputt auf dem Boden liegen. »Spinns du oda was?« Richard ist völlig aufgebracht. Stammelnd versucht er mir zu erklären, dass eine Straßenlaterne, die direkt in das Fenster leuchtet, zu allem Unglück auch noch in die Vitrine gestrahlt hätte. Das wiederum hätte zur Folge gehabt, dass das Licht von den Gläsern der Vitrine aus ganz plötzlich direkt mitten in Richards Gesicht gestrahlt hätte. Er habe gespürt, wie sich in Sekundenschnelle eine Brandblase auf seiner linken Wange gebildet hätte, und habe dann, um größeres Unheil zu verhindern, schnell auf sichtbare Art und Weise für Abhilfe gesorgt. Es ist zwar keine Brandblase zu sehen, aber ich gehe nicht weiter auf das Thema ein. Meine schönen Gläser.
»’ch kauf dir neue. Vers-prech’s dir«, lallt Richard. Egal. Ich will nur saufen.
Ich weiß ja auch nicht, was mit mir los ist. Alles geht schief. Ich komme mir wie eine Versagerin vor, seit ich denken kann. Das Sprichwort »zwei linke Hände haben« passt zu mir wie der Deckel auf den...




