E-Book, Deutsch, Italienisch, 196 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 210 mm
Zapperi Zucker Liebe und andere Verdrießlichkeiten
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-943810-70-7
Verlag: VoG - Verlag ohne Geld
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Amori e altre peripezie
E-Book, Deutsch, Italienisch, 196 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 210 mm
ISBN: 978-3-943810-70-7
Verlag: VoG - Verlag ohne Geld
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ada Zapperi Zucker ist in Catania geboren und hat in Rom Klavier und Gesang studiert und dieses Studium an der Musikhochschule Wien beendet. Gleichzeitig hat sie für Dizionario Biografico degli italiani dell'Istituto Treccani, Enciclopedia dello Spettacolo und Enciclopedia Universo De Agostini gearbeitet. Als Opernsängerin war sie hauptsächlich außerhalb Italiens tätig, derzeit unterrichtet sie Gesang in Deutschland und in Südtirol. Von dem südtiroler Maler Gotthard Bonell wurde sie in Malerei unterrichtet. Sie lebt seit vielen Jahren in München, ist mit einem Österreicher verheiratet und hat zwei Kinder.
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Liebe und Politik
Das Rom der fünfziger Jahre war in zwei politische Lager gespalten: die Rechte, das heißt die Faschisten der Jahre zuvor, noch präsent und ziemlich lautstark, und die Kommunisten, polemisch und auf irgend eine Art voller Gravität, weil jeder Intellektuelle, der etwas auf sich hielt gezwungenermaßen links, beziehungsweise fortschrittlich zu sein hatte. So war es auch nach 1953, als im Visconti-Lyzeum und anderswo noch die Devise Verbreitung fand: „a da venì Baffone“, was soviel heißt wie, „da bräuchte es Stalin“, obwohl der bereits tot und begraben war, während nach und nach gewisse, gelinde gesagt haarsträubende Hintergründe ans Tageslicht kamen, die von den linken Politikern, die teilweise jahrelang in der Sowjetunion gelebt hatten, sorgfältig verschwiegen wurden. Praktisch lebten sie mit geschlossenen Augen.
Leda, obwohl äußerst schüchtern, war mehr als einmal im Mittelpunkt kleiner Zusammenstöße mit Schulkameraden eindeutig faschistischer Gesinnung gestanden. Zu den deftigen Anspielungen der männlichen Klassenkameraden, die teilweise mit ihrem süditalienischen Akzent, vielleicht aber auch eher mit ihrem aufmüpfigen Charakter zu tun hatten, gesellten sich jetzt auch offene Anspielungen auf unterschiedliche politische Einstellungen. Stalins Tod hatte den Klassenkameraden weitere Gelegenheiten für Angriffe und Verhohnepiepelungen jeder Art geboten: der Wunsch nach einer größeren Nähe zu ihr, einem zwar unnahbaren, aber doch sehr hübschen Mädchen, war offensichtlich.
Im Jahr 1956 dann erreichten die Diskussionen unter den Jugendlichen, die in ihrer Wohnung verkehrten ihren Höhepunkt: die Panzer in Budapest, tausende Tote, die eiserne Faust der Sowjetunion in den Satellitenstaaten, das Man-weiß, Man-weiß-nicht. Die Kommentare, die Gewissensfrage: auf den Parteiausweis verzichten oder weiterhin zu den Versammlungen gehen? Ziemlich beunruhigende Themen, die ganze Nachmittage ausfüllten. Leda hörte zu, ohne je mitzureden. Sie dachte über die Diskussionen der Jugendlichen nach, die etwas älter als sie waren und deren Desorientierung auch die ihre wurde. Es blieb aber eine Basis, vielleicht von ihrem Vater geerbt, Sozialist der ersten Stunde, das heißt, noch bevor der Faschismus in Italien auftauchte: niemals würde sie zur Rechten wechseln. Zudem beschäftigten in jener Zeit andere Sorgen, anderes Unbehagen ihre junge Seele: in welche Richtung sollte ihr weiteres Leben verlaufen, Universitätsstudium oder doch etwas anderes?
Dazu kam noch der Schmerz, der erste zerreißende Schmerz: ihre geliebte Katze, Kirili Nikolajewitsch, musste eliminiert werden. Die Mutter, Nicola, die irrtümlicherweise für einen Kater gehalten wurde, hatte vor einiger Zeit die Beherrschung verloren und war eines Tages vom Fenster in den Innenhof hinuntergesprungen, von wo aus ein Verbrecher, ein mafiöser Kater, unaufhörlich, Tag und Nacht mit unmenschlichen Lauten nach ihr gerufen hatte. Sie hatte nachgegeben, das heißt, für ihn hatte sie sich buchstäblich aus dem Fenster gestürzt. Der Nichtsnutz hatte sie in Nullkommanichts geschwängert. Das Ergebnis dieser wahnsinnigen Liebe war ein Korb voller Kätzchen gewesen, die aus offensichtlichen Gründen nicht in einer normalen Stadtwohnung bleiben konnten. Largo Argentina war und bleibt ein Katzenplatz mit uralten Wurzeln, die sogar bis ins Rom der Cäsaren zurückreichen. Eines schönen Tages wurden Mutter und Nachwuchs dorthin gebracht; nur eines, eben Kirili Nikolajewitsch blieb zurück, als Trost für die eh' schon verzweifelte Leda. Jetzt, da auch er erwachsen war, hatte er begonnen die Wohnung zu zerstören; das Sofa und die Polstersessel im Wohnzimmer, mit braunem Leder überzogen, waren derart zerfetzt, dass sich der Vater schämte seine Freunde einzuladen. Für die Jugendlichen aber, die vorbeikamen und nur an der immer bereitstehenden Cognacflasche interessiert waren und nicht am Zustand des Sofas, vor allem aber an den aufgeheizten politischen Diskussionen, war das Mobiliar gut genug. Aber auch die Teppiche, eine chinesische Vase von wahrscheinlich unschätzbarem Wert hatten daran glauben müssen, und schließlich hatte die ganze Wohnung diesen unverkennbaren Geruch nach Katzenpisse angenommen, dem sie mit verschiedenen Raumsprays vergeblich versucht hatten beizukommen. Schluss! Auch Kirili Nikolajewitsch musste am Largo-Argentina-Platz ausgesetzt werden. Leda weinte Tag und Nacht und der Aufstand in Budapest hatte für sie eine relative Bedeutung.
Einige Jahre nach diesen traurigen Ereignissen, lud Valentina, ihre beste Freundin, und deren Verlobter sie zu Silvester zu einem Fest ein. Dieser Verlobte war ein unpolitischer Journalist, das heißt, er arbeitete für die ANSA, die italienische Nachrichtenagentur, die seit Anfang 1945 die faschistische Agentur ersetzt hatte. Er behauptete, dass er keiner Partei angehöre und das ihm das ermögliche, sowohl Journalisten als auch Politiker verschiedenster politischer Ausrichtungen zu kontaktieren.
Während des Festes, bei dem nichts los war, außer einigen Trinksprüchen, Konfettis und anderen Banalitäten dieser Art, wurde viel getanzt und natürlich unaufhörlich geflirtet.
Leda tanzte nicht. In einer Ecke sitzend beobachtete sie ziemlich gelangweilt das Spektakel. Nicht nur ein junger Mann näherte sich ihr und versuchte, sie zum Tanz aufzufordern, aber alle handelten sich eine höfliche Ablehnung ein: sie tanzte nicht gerne und es wäre ziemlich schwierig gewesen, die Gründe dafür zu erklären, weil sie sie selbst nicht kannte. di ballare.
Ein junger Mann, vielleicht dreißig, gutaussehend und sehr selbstbewusst setzte sich auf den Stuhl neben dem ihren, ohne sie um einen Tanz zu bitten.
»Ich sehe, dass Sie nicht tanzen. Ich beobachte Sie die ganze Zeit, und alle, die sich Ihnen nähern, werden systematisch abgewiesen.« Er sah auf seine Uhr. »Ich werde bis Mitternacht warten … noch eineinviertel Stunden, dann, da bin ich mir sicher, werden Sie mit mir tanzen!« Schau an, eine Provokation, dachte sie und lachte vergnügt. Wer wird wohl gewinnen? Derweil fing er eine Diskussion über Tanzen und Nicht-Tanzen an.
»Zwei Menschen begegnen sich, vielleicht gibt es einen Hauch von Sympathie zwischen ihnen, und beim Tanzen können sie plaudern …«
»Man kann auch plaudern während man geht oder sitzt.«
»Das ist anders. Beim Tanzen ist man sich viel näher, riecht man den Geruch des Anderen … Wissen sie, dass die erste Annäherung über den Körpergeruch erfolgt …«
»Reden Sie von Geruch oder Parfüm?«
»Nein, nicht von Parfüm, ich rede von Geruch, vom Geruch, den jeder menschliche Körper absondert … dem Geruch, der seit jeher, seit der Steinzeit die Menschen zusammen oder auseinander gebracht hat. Das erste Zeichen von Übereinstimmung oder Assonanz, wenn Sie so wollen, aber auch von Zwietracht, erklärter Feindschaft.«
»Nur um besser zu verstehen: man tanzt, um sich zu beschnüffeln? So wie es die Katzen, die Hunde machen.«
»Nicht nur. Es ist eine erste, sehr wichtige körperliche Annäherung: sich an der Hand halten, zum Beispiel, ein taktiler Annäherungsversuch. Denken sie an die Möglichkeit zweier Hände, die übermäßig schwitzen … aber auch an das Kinderhändchen, vertrauensselig in der Hand des Vaters oder der Mama ruhend. Wieviel Vertrauen ist notwendig, damit sich zwei Hände vereinen.«
»Ich hingegen denke an gewisse Männerhände, roh, klobig … fähig meine armen Hände wie zwei Erdnüsse zu zerquetschen!«, und sie lachte, während sie an ihre Hände wie Erdnüsse dachte.
»Ihr Lachen gefällt mir … es kommt mir vor wie die klare Kaskade eines Brunnens oder besser wie eine Abfolge von Silberglöckchen. Und Ihre Hände … zum Streicheln gemacht!« Leda errötete und senkte den Blick und sah die „zum Streicheln gemachten Hände“ an. Dann starrte sie ihn einen Moment lang an und sah zwei schwarze Augen, intensiv, penetrant. Er schien in Trance zu sein: was geschah mit ihm?
»Darf ich Sie fragen, wie Sie heißen? Ach, ich bitte um Entschuldigung, dass ich mich nicht vorgestellt habe: Marco Proietti, und wie alle hier, bin auch ich Journalist.«
»Meine Eltern haben mich Leda getauft, ich weiß nicht warum. Manchmal denke ich, dass jeder von uns zumindest das Recht haben sollte, einen Namen auszusuchen, den er dann sein ganzes Leben lang trägt. Am Anfang könnte man einen bis zur Volljährigkeit befristeten Namen vergeben und danach hätte man die Freiheit, einen der eigenen Persönlichkeit entsprechenden Namen zu wählen.«
»Leda … Leda … war eine Nymphe oder etwas von der Art? War das nicht ein Schwan involviert?«
»Oh nein, sie war keine Nymphe. Sie sind nicht gut informiert! Leda war die Gemahlin des Königs von Sparta, die Mutter von Klytämnestra und Helena, zwei sehr wichtige Persönlichkeiten, wie Sie wissen, hoffe ich. Erstere heiratete Agamemnon, und Helena war...




