Buch, Deutsch, 260 Seiten, GB, Format (B × H): 160 mm x 240 mm
Ein König unter Königen im Gesäuse
Buch, Deutsch, 260 Seiten, GB, Format (B × H): 160 mm x 240 mm
ISBN: 978-3-900533-61-8
Verlag: Schall-Verlag
Der Gr. Ödstein ist der schwierigste und einsamste der großen Gesäusegipfel.
1.500 Höhenmeter ragt er über den Talgründen auf, und jeder seiner Anstiege erfordert Kletterei - deswegen ist erst um 1850 erstmals bestiegen worden.
Dieses Buch zeichnet die Geschichte eines imposanten Berges, seine Wechselwirkung zwischen ihm und den Menschen, die an seinem Fuß beheimatet sind, vor allem aber jenen, denen diese Felsen eine Heimat des Herzens bedeuten. Es spiegelt das Zeitgeschehen und den Wechsel der alpinistischen Modeströmungen wider, von den ersten Erkundungen eines fast unbekannten Gebirges, über seine hohe Wertschätzung während der Dreißigerjahre, bis zur Verlagerung der Szene in die sonnigen Plattenfluchten des Kl. Ödstein.
Der Status des Nationalparks dürfte den Ödstein wohl endgültig vor einer meist fragwürdigen „Erschließung“ bewahren, die über die Erneuerung von ein paar Farbtupfern am Kirchengrat oder einige gebohrte Standhaken hinaus geht - möge er auch für künftige Generationen ein Reservat bleiben, welches noch immer eine Ahnung davon vermittelt, wie man in der Frühzeit des Alpinismus das Bergsteigen erleben konnte.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhalt
Eine Verneigung vor dem
„Gesäusepapst“ Hubert Peterka (AM) 12
Ein Königreich aus Stein
Geografische Ansicht der Gesäuseberge
Die Ennstaler Alpen (EK ) 17
Die Ödsteingruppe
Peterkas Sicht der Kare, Wände und Gipfel (EK) 23
Ödstein-Perspektiven
Ansichten und Einsichten im Detail (EK) 27
Geologischer Blickfang
Der Ödstein aus der Sicht des Geologen (JH) 32
Der bröcklige Ramsau-Dolomit –
eine prächtige Schnitzelarbeit 33
Ein öder Stein, die öde Mauer
Bergnamen zeigen den Nutzen an (JH) 36
D er Edtstein 37
D ie öde Mauer 37
D er Ödstein aus der Sicht der Naturschilderer 39
S chönster und am gewaltigsten erscheinender Gipfel 40
Die steinernen Wächter
Sagenhaftes am Fuß des Ödsteins (JH) 42
Wildererdramen am helllichten Stein 43
Der versteinerte Schulmeister unter dem Kirchengrat 45
Die Felsfiguren im Gseng 47
Das Goldloch in der Maischgrube am Ödstein 47
Das Unnahbare wird erobert
Auf den Spuren der frühen Führerlosen (EK ) 50
A m Kirchengrat zum Königsthron 51
Kirchengrat – Die erste touristische Ersteigung 52
Emil Zsigmondy: Im Fels verirrt 57
Anton Schubert‘s einsame Ödsteinbegehung (JH) 60
Bruno Mayer – Ein eigenwilliger Einzelgänger (JH)
in der Südschlucht des Ödsteins 70
Anleitung für den Kirchengrat
Merkmale eines Anstieges (EK ) 76
N ormalweg für Anspruchsvolle 77
Die Ära der Pioniere
Ansturm der klassischen Erschließer (EK ) 82
Hubert Peterka: Die große Gratlinie 83
Robert Hans Schmitt: Die Nordwand des Ödstein 87
Heinrich Pfannl: Der Grosse Ödstein von Norden 93
Eduard Pichl:1. Durchkletterung der Südwand 98
Fritz Hinterberger: Die Falle im Fels 99
Hubert Peterka: Bildungslücke Südseite 103
Ödsteinkarturm – Steinerne Flamme ohne Namen 105
K arl Plaichinger: Ödsteinkarturm-Westwand 106
Das Steigbuch am Hochtor-Ödsteingrat (JH) 110
Anleitung für die Ödsteinkante
Willi End‘s Routenbeschreibung im Gesäuseführer (EK ) 112
A us Willi End, AV-Führer „Gesäuseberge“ 113
„…dürfte in den Ostalpen einzig dastehen.“
Ein Jahrhundert huscht über die Ödsteinkante (AM) 120
1. Ersteigung des Großen Ödsteins direkt über die Nordkante 121
D ibona-Mayer – eine alpine Trademark 126
Paul Preuß: Die Nordwest-Kante des Großen Ödsteins 129
F reeclimber Preuß 138
A lfred Horeschowsky: Der Hausmeister der Ödsteinkante 140
Hans Schwanda: Die Ödstein-Nordwestkante im Auf- und Abstieg 143
Hans Nigmann: 1. Winterbegehung der Ödstein-Nordwestkante 147
Adi Mokrejs: Über die Ödsteinkante 154
Kleiner Exkurs: Die Legende vom Nagelschuh 157
Hundert Jahre Ödsteinkante 158
Jugendstil am Ödstein (EK ) 160
Die „Wiener Schule“ am Königsthron
D ie versteckte Wand 161
Hans Schwanda: Ödsteinkarturm Nordkante 163
Peter Rieder: Ödsteinkarwand-Nordwestwand 168
Hubert Peterka: Ödsteinkarturm – Die unmittelbare Nordostwand 172
Ödstein-Direkte Nordwand – Die Tara des Gesäusepapstes 176
Hans Schwanda: Nordwand mit Wettersturz 182
Die Lösung der „letzten“ Nordseitenprobleme 185
Im Süden viel Neues 186
Die Südostkante 188
Hans Schwanda: Ein „Peterka-Vierer“ 191
Der „Südwand-Aufschluss“ von 1938 192
Peterkas Liste: Eine Statistik mit viel Prominenz 196
Memorien eines Pioniers
Klaus Hoi‘s Ödsteingeschichten (KH) 200
Die Ödsteinkante 203
D er gehörlose Gast 204
Ödstein Westwand – Ein letztes Problem? 207
Moderne Zeiten im Gesäuse 208
D ie Wand über den Gamsgärten 210
Mit Spürsinn in die Moderne 211
Neue Wege am Ödstein
Jürgen Reinmüller über die Renaissance auf der Öden Mauer (JR) 214
Licht & Schatten am Ödstein
Dramen, Tragödien und Geschichten mit Happy End (JH) 222
Einheimische verunglücken am Gamsstein 224
F ünf Tage auf einem Felszacken in den Zwischenmäuern 225
Gustav Jahn auf der Ödsteinkante tödlich verunglückt 227
I m Schneesturm am Abseilturm abgestürzt 229
Immer wieder Nachsuchen und Bergungen im Ödsteinkar 231
A m Ödstein-Hochtorgrat erfroren 232
K arl Lukan:. und dann war die Hölle los! 234
Und wieder in den Zwischenmäuern verstiegen 242
I mmer wieder Ödsteinkante 243
R uhiger Nachteinsatz 246
D as Bergrettungswunder im Ödsteingraben
1.: Protokoll eines Einsatzes 247
2.: Erinnerungen des Vermissen - fünf Tage in den Bergen 250
Anstiegschronik der Ödsteingruppe (EK ) 254
Autorenverzeichnis 256
Literaturverzeichnis (EK ) 258
Textbearbeitung durch:
(JH), Josef Hasitschka
(AM), Adi Mokrejs
(EK ), Ernst Kren
(KH), Klaus Hoi
(JR), Jürgen Reinmüller
Weshalb ein Ödstein-Buch?
Ein Ödstein-Buch? Ein so wenig besuchter Berg ist doch eigentlich ein Randthema?
Unmittelbarer Anstoß war das alpinhistorisch interessante Jubiläum
„Hundert Jahre Erstbegehung der Ödsteinkante.“ Von der freundlichen
Aufnahme des Werkes über die „Gesäuse-Pioniere“ ermutigt, hat das Autorenteam
den Gedanken aufgegriffen, dieser einst als „schwierigste Tour der
Alpen“ gehandelten Route eine Broschüre zu widmen. Diese Idee hat sich
aber rasch verselbständigt, und mit tiefer gehender Beschäftigung fand sich
mehr und mehr Material, das mittlerweile zum Volumen eines Buches angewachsen
ist. Die Verwendung der Originaltexte bewirkt die unterschiedlichsten
Rechtschreibweisen (Veränderungen wurden nur in ganz wenigen
Fällen vorgenommen), sowie gelegentlich einen Bruch im chronologischen
Ablauf. Eine posthume Danksagung gilt vor allem Hubert Peterka, aus dessen
unveröffentlichten Texten hier vieles eingeflossen ist. Dank gebührt
auch den Co-Autoren Klaus Hoi und Jürgen Reinmüller, welche die neuere
klettersportliche Erschließung des Ödsteins beleuchten, ebenso Willi End,
dessen Gesäuseführer als unentbehrliches Nachschlagewerk diente und
ohne dessen legendäre Wandfotos ein derartiges Werk irgendwie unvollständig
wäre. Nicht zuletzt aber auch Kurt Schall, der als Verleger das Risiko
eines solchen Minderheitenprogramms zu tragen bereit war, ohne den
kommerziellen Ertrag in den Vordergrund zu stellen.
Es ist einfach die Geschichte von etwas gänzlich Nutzlosem. Und dann noch
weiters die penible Auflistung dieses scheinbar Nutzlosen: die Geschichten
all der Männer, die hier ihre Passion – in mehrfacher Hinsicht – gelebt hatten,
und auch der (wenigen) Frauen, die es ihnen gleichtun wollten: Mühen
und Gefahr zu suchen als Gegenentwurf zum ewig gleichen Funktionieren
in einer verwalteten Welt, und welche diese damit weder beherrschen noch
verbessern wollten – nur einfach nachher ein Hochgefühl empfinden, das
eben nicht planbar und käuflich ist.
Eine einzige berühmte Route war der ursprüngliche Anlass, sich mit diesem
eindrucksvollen Berg zu beschäftigen. Und wie ein Kristall in einer
Salzlösung zu wachsen beginnt, entwickelte sich daraus eine unerwartet
reichhaltige Geschichte immer weiter. Sie wirkt in den Personen, welche
diese lebten und schrieben: ohne diese pulsierenden Menschenschicksale,
gleich ob drunten vom Tal aufschauend, oder mit den Fingerspitzen im Gestein
verklammert, gleich ob es Eroberer der Senkrechten waren oder aber
auch Bergfreunde, die schon einen der einfacheren Aufstieg als förmlichen
Grenzgang empfanden – ohne sie bliebe diese großartige geologische Ausformung
der Erdkruste in der Tat nicht mehr als ein „öder Stein“
Von den großen Gipfeln der Gesäuseberge ist er in den Anfangsjahren des
Alpinismus als einer der letzten von Menschen betreten worden, und er ist
bis heute der einsamste und ursprünglichste geblieben. In jener Zeit hat
sich dabei erst eine Differenzierung der einzelnen Spitzen ergeben: aus
dem schlichten „öden Stein“ der Talbewohner machten die Bergsteiger
säuberlich einen Ödsteinkarturm, die Ödsteinkarwand, und den Großen Ödstein.
Wenn man Paul Preuß’ poetisches Bild von letzterem als „König unter
Königen“ weiter ausmalen darf, ist wohl auch die Analogie erlaubt, dass ein
solcher keineswegs der unbedingten Verpflichtung unterliegt, sein Felsenschloss
für Busladungen mäßig interessierter, Pommes mampfender und
hinter dem Schlossportal ihr Wasser abschlagender Ausflügler zugänglich
zu machen, sondern dass er – großmütig und nach Belieben – Audienzen
gewähren kann.
Dabei ist dieses Privileg auf durchaus demokratische Weise zu erwerben:
für alle, die eine Bereitschaft zur Strapaz und einer Prise Ungewissheit mitbringen,
was in einer Zeit des postulierten Bergkonsums und des „Spaß-
Haben-Müssens“ um jeden Preis sehr Vielen als unerträglich erscheint. Als
frühes Wetterleuchten einer solchen Entwicklung wurde 1979 erwogen, im
Gipfelbereich eine Biwakschachtel zu errichten, in der lauteren Absicht, allfällig
verspäteten oder in Schlechtwetter geratenen Kletterern eine ungemütliche
Nacht zu ersparen – ein Argument, das aber für jeden anspruchsvollen
Berg gelten müsste. Im Zuge der darauf einsetzenden Diskurse wurde
bald das Kontraproduktive dieser Idee klar: dass eine solche Unterkunft im
Gegenteil zahlreiche schlecht vorbereitete oder ausgerüstete Bergsteiger
verleiten würde, sich auf diese vorgebliche Sicherheit zu verlassen, und
letztlich mehr Notsituationen hervorrufen als verhindern würde. Ganz abgesehen
von der Müllproblematik, mit der mittlerweile die Erhalter solcher
Bauwerke zu kämpfen haben.
So ist der Ödstein ein raues, abweisendes Bergland geblieben, ein Gipfel,
der auch auf den einfachsten Anstiegen ernst genommen werden will. Die
Ausrüstung ist zwar viel besser geworden, aber bei einem Wettersturz kann
man hier trotz Mobiltelefon und Flugrettung sehr schnell auf eine existenzielle
Ausnahmesituation zurückgeworfen werden, in der es ziemlich nebensächlich
ist, ob man mit seinem Handy auch noch fotografieren oder
die Börsenkurse abrufen kann. Was einst für die „Elite der Felsensteiger“
bestimmt war, ist ein Ziel für den gehobenen Durchschnitt geworden, doch
im Gegenzug hat das allmähliche Aussterben der klassischen Kletterei
manchem Winkel unserer angeblich überrannten Alpen wieder eine neue
Ursprünglichkeit und Abenteuerlichkeit zurückgegeben, so auch dem Ödstein-
Massiv. Nur für gänzlich hirn- und herzlose Alpinbürokraten könnte
die Besucherfrequenz einen Wert an sich darstellen. Als der österreichische
Dichter Josef Weinheber 1938 nach dem Anschluß an Deutschland von dem
vor Eifer platzenden Kultur- und Propagandaminister Goebbels gefragt wurde,
wie man denn der „ostmärkischen“ (so hieß damals die österreichische)
Kultur am besten dienen könne, antwortete er: „In Ruah’ lassen, Herr Minister
– in Ruah’ lassen!“
Der Status des Nationalparks dürfte den Ödstein nun wohl endgültig vor
einer üblicherweise fragwürdigen „Erschließung“ bewahren, die über die
Erneuerung von ein paar Farbtupfern am Kirchengrat oder einige gebohrte
Standhaken hinaus geht – möge er auch für künftige Generationen ein
Reservat bleiben, welches noch immer eine Ahnung davon vermittelt,
wie man in der Frühzeit des Alpinismus das Bergsteigen erleben konnte
(also: In Ruah’ lassen!).