Koziol / Seiler | Menschenkunde | Buch | 978-3-948336-25-7 | www.sack.de

Buch, Deutsch, Band 88, 88 Seiten, Format (B × H): 174 mm x 246 mm, Gewicht: 280 g

Reihe: Reihe Lyrik

Koziol / Seiler

Menschenkunde

Gedichte
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-948336-25-7
Verlag: Kookbooks

Gedichte

Buch, Deutsch, Band 88, 88 Seiten, Format (B × H): 174 mm x 246 mm, Gewicht: 280 g

Reihe: Reihe Lyrik

ISBN: 978-3-948336-25-7
Verlag: Kookbooks


Im Juli 2021 habe ich an Andreas Koziol geschrieben und ihn um neue Texte gebeten. Seine Gedichte und Essays hatte ich immer bewundert, aber inzwischen war schon lange nichts mehr zu lesen gewesen von ihm. Über dieses Vermissen (fast ohne Pathos nenne ich es „Sehnsucht nach Texten von AK“) hatte ich in jenem Sommer mit Henryk Gericke gesprochen, der mit Koziol befreundet war. Wir waren uns ganz einig darin, dass Andreas Koziol zu den Großen seiner Generation gezählt werden musste. Seine Poesie war einzigartig und elegant, „er entwickelte und verfeinerte Verfahren wörtlicher Kurzschlüsse und semantischer Irrläufer im Reagierenlassen von ausgelaugten Metaphern, ideologischen Phrasen und umgangssprachlichen Wendungen, die auf ihren Dingbezug entkleidet wurden“, so Peter Geist, der auch auf jenen funkenschlagenden Gebrauch uns vertrauter Strukturen wie Reim und Strophe verweist, die im Spannungsfeld von Benennen und Benanntem jenes „Letterleuchten“ (Andreas Koziol) erzeugen, das in den Farbtönen des Witzes, der Trauer und der Ironie sein betörend flirrendes, tänzerisches Spiel treibt. Henryk Gericke war es schließlich auch, der mich ermutigt hat zu jenem vielleicht eher ungewöhnlichen Schritt, mich direkt an Andreas zu wenden – eine etwa zwei Jahre andauernde Korrespondenz begann, die schließlich die Verfertigung jenes Manuskripts zur Folge hatte, das jetzt, wunderbarer Weise, als Buch erscheinen kann. Menschenkunde ist zugleich ein Vermächtnis, denn Andreas starb kurz nach Fertigstellung des Manuskripts.

? Lutz Seiler

Koziol / Seiler Menschenkunde jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


die Guten

Wo sind die Guten wenn man sie braucht
Es heißt sie wären untergetaucht
Es heißt sie wurden sich selber zu schwer
und wären versunken wie Steine im Meer

Alles was gut ist im Grund muß verstehn
daß dies ein Grund ist zugrunde zu gehn
Die Guten mußten den Besseren weichen
Sie konnten ihnen das Wasser nicht reichen

und wurden verdrängt oder wollten nicht mehr
Das Glas ist halbvoll das Glas ist halbleer
Das Glas ist doppelt so groß wie es sein muß
Doch Flaschen haben da größeren Einfluß

Wir sind die Guten – so prahlt die Fassade
Das falsche Leben kennt keine Gnade
Der schlechtere Teil macht den besseren Deal
Das war schon immer des Guten zuviel

Nein gar nichts ist gut weil alles ist besser
Vergütungen fischen in trübem Gewässer
Und wer die Guten zu schmerzlich vermißt
Der gehe ins Meer bis er bei ihnen ist

Heut früh

Ich träumte schlecht, es ging um meine Haut.
Vereister Fluß, ich saß, vor Kälte taub,
auf einer unterm Frost erstarrten Welle
und zählte die mir weggeschwommnen Felle,
noch meinend: immer weg mit diesem Plunder,
da plötzlich sich ein fremdes Stück darunter
nachdem ich lange skeptisch darauf guckte
als meine eine eigne Haut entpuppte.
Ich dachte: wenn das Eis bricht ist es aus,
und auch: wann fuhr ich bloß aus ihr heraus,
sann Sachen nach, die mich und dich betrafen,
und schwor wohl nie im Zorn mehr einzuschlafen.
Wie schnell wird man zu dem was man nur fühlt.
Der Traum nimmt uns beim Wort und jedes Bild
hängt ab mit spannend ungreifbaren Fäden
von dem was wir nicht sagen wenn wir reden.
‚Ich fahr noch aus der Haut!’ hat nichts bedeutet,
auf einmal kommt ein Traum der einen häutet.
Nur so genau will man es doch nicht wissen.
Wer schläft schon mit der Wahrheit unterm Kissen.
Ich wache auf und lüfte mein Bewußtsein.
Der Alpdruck fällt wie Blei von meinem Brustbein.
Fünf Uhr, am neunten Mai, Zweitausendsieben.
Ich lebe gern, hab Zeit und darf dich lieben.


Koziol, Andreas
Andreas Koziol, geboren 1957 in Suhl, studierte Theologie in Naumburg und Berlin. Bis 1990 war er Mitherausgeber der wichtigen Untergrundzeitschriften Ariadnefabrik (1986–1990, mit Rainer Schedlinski) und Verwendung (1988–1990, mit Egmont Hesse und Ulrich Zieger). Daneben arbeitete er als Briefträger, Totengräber, Heizer und Hauslehrer. 1990 gründete Andreas Koziol u.a. mit Henryk Gericke, Egmont Hesse und Klaus Michael den Autorenverlag Druckhaus Galrev, an dem er bis 1992 mitarbeitete. Zu seinen 15 Büchern und Künstlerbüchern gehören Mehr über Rauten und Türme (Aufbau 1990), Bestiarium Literaricum (Galrev 1991), Sammlung (Galrev 1996) und Lebenslauf (Galrev 1999). Außerdem erstellte er zahlreiche Übersetzungen und Nachdichtungen aus dem Russischen, Ungarischen und Englischen. Andreas Koziol starb 2023 in Berlin.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.