Kraus / Kohtz | Geschichte als Passion | Buch | 978-3-593-39789-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 348 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 215 mm, Gewicht: 435 g

Kraus / Kohtz

Geschichte als Passion

Über das Entdecken und Erzählen der Vergangenheit. Zehn Gespräche

Buch, Deutsch, 348 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 215 mm, Gewicht: 435 g

ISBN: 978-3-593-39789-4
Verlag: Campus Verlag GmbH


Das Erforschen der Geschichte ist wie auch das naturwissenschaftliche Forschen ein spannender, keineswegs gleichförmiger Prozess, bei dem im Vorfeld oft noch ungewiss ist, zu welchen Ergebnissen die Arbeit führt. Historikerinnen und Historiker experimentieren immer wieder mit neuen Fragen, neuen Methoden und neuen Formen des Erzählens. In offenen, ausführlichen Gesprächen geben hier zehn von ihnen Auskunft über ihre kreative Arbeit. Die Gespräche bieten nicht nur einmalige Einblicke in die Schreib- und Denkwerkstatt der Interviewpartner. Sie liefern auch viele Anregungen, den eigenen Erkenntnisprozess zu reflektieren und neue Wege zu gehen, und machen Lust auf das Schreiben der Geschichte.
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Weitere Infos & Material


InhaltZwischen Leichen und Dämonen: Dem Schreiben von Geschichte auf der SpurAlexander Kraus, Birte Kohtz7"Gefangen im eigenen Kriminalstück"Julia Voss39"Erkennen und Begrenzen"Anke te Heesen71"Wo die Sprache verarmt, verarmt auch das Denken"Carsten Goehrke109Aus den Weiten Amerikas in die Archive der NaturChristof Mauch141Von historischer Distanz und der Magie der MigrationSimone Blaschka-Eick175"Wissenschaft ist keine nette Angelegenheit"Valentin Groebner203"Alles, was zählt, sind die Ideen"Lorraine Daston237Vom Schreiben, ohne zu wissen, wie es endetHans-Jörg Rheinberger267"Möglichkeitssinn und Wirklichkeitssinn"Ulrike Klöppel295Der eigene Text als externer SpeicherPhilipp Sarasin325Nachwort347


Witterung aufnehmen, oder: Von der Idee zum TextDoch bevor Erkenntnisse niedergeschrieben werden können, müssen sie entdeckt, oder besser gesagt, konstituiert werden. Also weiter zu den Spuren, dem "Ort, an dem stumme Dinge durch unseren Spürsinn 'zum Reden gebracht werden'". Unsere Frage, wie Kreative - und dazu möchten wir Historikerinnen und Historiker zählen - eigentlich zu ihren Ideen und Narrativen kommen, wie das Neue entsteht, ja wie "Erfinden" funktioniert, hat auch den für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibenden Niklas Maak in seinem neuen Buch Der Architekt am Strand umgetrieben. In diesem ergründet er den nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Imagewandel Le Corbusiers, der sich vom Architekten der "Wohnmaschine" und Vertreter einer technokratisch-mechanistischen Moderne zu einem sich im Einklang mit der Natur befindenden Pionier biomorpher Architekturen mauserte. Dabei interessiert Maak unter anderem, welche Rolle die Lektüren und Relektüren, "Erinnertes" und "Ungeplantes" für das Entwerfen Le Corbusiers spielten. Bezeichnenderweise gleiche Le Corbusiers Lesen und sein Umgang mit dem Erlesenen seiner Leidenschaft für das Auflesen von Muscheln, Krebspanzern und Treibgut. So wie er bei seinen Strandspaziergängen fast nie ohne ein weiteres Fundstück für seine stetig wachsende Sammlung zurückkehrte, nutzte er auch seine Lektüre als eine "intellektuelle Strandgutsammlung": Oft seien eben "die Worte und Begriffe, die er anstreicht, eher so etwas wie das Strandgut, das er am Meer sammelt - rätselhafte, interessant funkelnde Dinge, die als Ausgangspunkt eigener Ideen und Formen dienen". Dass er diese Begriffe oder Ideen aus ihren eigentlichen Kontexten löste, sie umdeutete und vielleicht auch missinterpretierte, war für den Architekten nicht von Belang, folgte er doch seiner Inspirationsquelle Paul Valery auch in der Aussage, dass ohnehin "jede bewusste Wiederaufnahme einer Idee sie zu einer neuen Idee mache".Wie also kommt der Historiker zu seinen Themen, wie entwickelt er aus diesen ein in sich geschlossenes Buch? Üblicherweise verraten die dem eigentlichen Text vorangestellten Vorworte kaum mehr als die angebliche Schaffensdauer und ein wenig über das Arbeitsumfeld. Eine seltene Ausnahme stellt diesbezüglich Alain Corbin dar, der seinem 1998 publizierten Werk Le monde retrouvé de Louis-François Pinagot einzelne Fragmente aus seinem (Arbeits-)Tagebuch voranstellt, die - ganz und gar nicht wie Fragmente wirkend und von einem Hauch von Selbstverliebtheit umweht - seinen persönlichen Reflexionsprozess widerspiegeln: "Ohne Zweifel bin ich der erste, der sich auf Jahre hinaus der Wiederbelebung eines Menschen widmen wird, den er noch nicht kennt, den er in wenigen Minuten als einziger kennen wird und der im Augenblick keine Chance hat, von irgendjemand anderem außer mir selbst ausgegraben zu werden. In dem Moment, in dem ich dies schreibe, ist er tatsächlich noch völlig verschwunden, noch ohne Chance, im kollektiven Gedächtnis jemals als Individuum aufzutauchen."Corbin umreißt in diesem (angeblichen) Eintrag vom 02. Mai 1995, 14 Uhr, seine Idee und Konzeption der Arbeit. Ihn interessiert ein in Vergessenheit Geratener, ein an keinem schriftlich dokumentierten Ereignis Beteiligter, ein den Behörden Unbekannter, der nie in die Fänge der juristischen Strafverfolgung geraten ist, einer, der im Grunde keine "Spuren" hinterließ, da auch kein "außergewöhnliches Ereignis Licht in das Wimmeln der Namenlosen" brachte, zu denen Corbin den fünffachen Vater und Holzschuhmacher der unscheinbaren normannischen Gemeinde Origny-le-Butin rechnet. Dieser wird, so heißt es im Eintrag vom 07. Mai 1995, "für uns das unerreichte Zentrum, der blinde Fleck des Gemäldes bleiben, das ich - trotz seiner Abwesenheit - von ihm ausgehend entwerfen werde, indem ich postuliere, wie er seine Umwelt wahrnahm". Ziel sei demnach eine Geschichtsschreibung, die dem "nachspürt, was das Schweigen der Quellen offenbart". Ala


Alexander Kraus, M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Universität Münster. Birte Kohtz, M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Osteuropäische Geschichte der Universität Gießen.


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