Raab | Sexuelle Politiken | Buch | 978-3-593-39302-5 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 45, 352 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 467 g

Reihe: Politik der Geschlechterverhältnisse

Raab

Sexuelle Politiken

Die Diskurse zum Lebenspartnerschaftsgesetz

Buch, Deutsch, Band 45, 352 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 467 g

Reihe: Politik der Geschlechterverhältnisse

ISBN: 978-3-593-39302-5
Verlag: Campus Verlag GmbH


Die Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe beschäftigt seit geraumer Zeit Gesellschaft wie homosexuelle Emanzipationsbewegungen, wobei verschiedene Vorstellungen von Gleichstellung und politischer Partizipation kollidieren. Heike Raab analysiert die unterschiedlichen sexuellen Politiken, die in dieser Auseinandersetzung zum Tragen kommen. Am Beispiel der politischen Prozesse um die Homo-Ehe-Gesetzesinitiative erforscht sie lesbisch/ schwule Identitätspolitiken und zeigt, wie sich im politischen Raum Veränderungen vollziehen.
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Inhalt

Danksagung 11

1. Einleitung 13
1.1 Homo-Emanzipationsbewegungen und Staat 14
1.2 Queer Theory und Staat 20
1.3 Der Staat, die Politik der Ehe und Ehe-Politiken 29
1.4 Staat, Heteronormativität und neoliberaler Postfordismus 32
1.5 Die Homo-Ehe als Politikfeld 36
1.6 Aufbau der Arbeit 39

2. Identitätspolitiken im Diskurs 42
2.1 Identitätspolitiken und geschlechterkritische Theorien sexueller Emanzipationsbewegungen 42
2.2 Identitätspolitiken und politische Theorien gesellschaftlicher
Sexualitäts- und Geschlechterverhältnisse 55
2.3 Identitätspolitiken und geschlechterkritische Theorien des Staates 72

3. Methodologie und Methode 80
3.1 Methodologischer Bezugsrahmen: Aspekte der Policy-Analyse 81
3.2 Methodisch-konzeptionelles Vorgehen: Die diskursanalytische Policy-Analyse 88

4. Veränderte Staatlichkeit 97
4.1 Disparate Theorien, Staatlichkeit und sozioökonomische Transformationsprozesse 101
4.2 Identität, Regulation und staatliche Praxen 109
4.3 Aspekte queerer Ökonomiekritik 129
4.4 Sexuelle Identitätspolitiken und veränderte Staatlichkeit 140

5. Staat als Regierungspraxis 143
5.1 Zivilgesellschaft und Staat 149
5.2 Subkultur und Staat 157
5.3 Gouvernementalität und Staat 163
5.4 Identitätspolitiken, Regierungspraxen und kulturelle Hegemonie 177

6. Feministische und queere Ehe- und Familienforschung 181
6.1 Die Ehe als Ordnungsfaktor des Staates 184
6.2 Historische Ehe- und Familienforschung 189
6.3 Freie Liebe, wilde Ehe - Pluralität der Lebensformen und die Ehe in der Gegenwart 191
6.4 (Ver-)queere Liebe? Queerfeministische Ansätze zur Homo-Ehe 193

7. Homosexualität und Staat: Eine historische Exkursion 202

8. Von der Relevanz zur Akzeptanz: Homo-Emanzipationsbewegungen und Homo-Ehe bis 1998 220
8.1 Lesben und Schwule in Bewegung: Die Entstehung der Homo-Ehe-Forderung von 1970-1998 222
8.2 Richtungsstreit: Die Homo-Emanzipationsbewegungen und die Homo-Ehe ab 1980 225
8.3 Erster Höhepunkt der Bewegungsdebatte: 1989-1991 231
8.4 Wandel der Öffentlichkeit: Die Homo-Ehe-Debatte ab 1990 239

9. Agenda-Setting in den Institutionen: Institutionelle Diskurse bis 1998 246
9.1 Juridische Diskurse 248
9.2 Parlamentarische Diskurse 255

10. Die Homo-Ehe im Diskurs I: Außerparlamentarische Akteure, Initiativen und Netzwerke
(1998-2002) 269
10.1 Contra-Positionen der Homo-Emanzipationsbewegungen 270
10.2 Pro-Positionen der Homo-Emanzipationsbewegungen 278
10.3 Öffentlichkeit und Presse 283

11. Die Homo-Ehe im Diskurs II: Aushandlungsprozess und Parlamentarischer Weg (1998-2002) 293
11.1 Regierung und Akteurskonstellationen 294
11.2 Rechtsausschuss 298
11.3 Beratungen im Bundestag 307

12. Fazit 318

13. Literatur 326


1. Einleitung

"Eine emanzipierte Gesellschaft jedoch wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. Politik, der es darum im Ernst noch ginge, sollte deswegen die abstrakte Gleichheit der Menschen nicht einmal als Idee propagieren."

Im Bereich sexueller Politiken hat in Deutschland bislang wohl kaum ein anderes Thema Politik, Staat und Gesellschaft mehr beschäftigt als die Forderung nach der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Gleichzeitig zeigt die Debatte über die so genannte Homo-Ehe, dass die gegenwärtige Situation der bundesdeutschen Homo-Emanzipationsbewegungen von tiefgreifenden Auseinandersetzungen um sexual-emanzipatorische Politiken geprägt ist. Zwar wurde allgemein das vormals bestehende Ehe-Verbot für Lesben und Schwule als Diskriminierung bewertet, aber in der Einschätzung dieser Diskriminierung kommen deutlich unterschiedliche Auffassungen zum Tragen. So veranschaulicht die Homo-Ehe-Gesetzesinitiative in Deutschland einerseits den zunehmenden Erfolg identitätsbezogener lesbisch/schwuler Integrations- und Minderheitenpolitiken, zugleich wird aber auch der sexual-emanzipatorische Gehalt der identitäts- und integrationspolitischen Maß- nahmen hinterfragt. Mit anderen Worten: Der Ruf nach der Homo-Ehe führt geradewegs zu einer Kontroverse innerhalb der Homo-Emanzipationsbewegungen.

Gerade vor dem Hintergrund der (traditionellen) Ehe als staatlicher Grundsäule der hegemonialen (hetero-)sexuellen Ordnung, kann der Disput um die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare somit als Ort unterschiedlicher Sichtweisen darüber angesehen werden, wie im politischen Raum Veränderung entsteht. Die ans Tageslicht getretenen verschiedenartigen Vorstellungen hinsichtlich gesellschaftlicher Gleichstellung und politischer Partizipation verweisen somit auf einen gewichtigen Faktor in der Debatte um das Homo-Ehe-Gesetz. Doch die mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbundene politische Kontroverse enthüllt nicht nur eine grundlegende Skepsis gegenüber spezifischen Identitätspolitiken innerhalb der Homo-Emanzipationsbewegungen. Vielmehr signalisiert das Inkrafttreten des Gesetzes zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften am 1. August 2001 den vorläufigen Höhepunkt eines langwierigen dramatischen Wandels im Verhältnis von Homo-Emanzipationsbewegungen und Staat.

1.1 Homo-Emanzipationsbewegungen und Staat

Das Ziel dieser Studie ist diesen Wandel zu erklären und die kontemporären Beziehungen zwischen Homo-Emanzipationsbewegungen und Staat am Beispiel des Homo-Ehe-Gesetzgebungsprozesses in Deutschland zu untersuchen. Denn historisch betrachtet ist die Regulierung von Homosexualität durch den Staat in der Hauptsache durch Kriminalisierung und Diskriminierung gekennzeichnet. Zu nennen sind hier einerseits gesetzliche Verbote, wie sie etwa in Deutschland im Paragraph 175 Strafgesetzbuch (StGB) zum Ausdruck kommen, sowie wissenschaftliche Diskurse, die zunächst männliche, später jedoch auch weibliche Homosexualität stigmatisieren und zur Krankheit erklären. Mit Michel Foucault gesprochen, ist es die Epoche der Entdeckung der modernen Sexualität, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu veränderten staatlichen Regulierungsmaßnahmen führt. Einmal durch staatliche Gesundheits- beziehungsweise Hygiene- und Familienpolitiken oder Bevölkerungskontrolle in Gestalt der Novellierung des Sexualstrafrechts und des Ehe- beziehungsweise Familienrechts, zum anderen durch wissenschaftliche Konstruktionen von sexuellen Devianzen, die von legitimen Formen der Sexualität scharf unterschieden werden.

Innerhalb dieser staatlichen Regulationsweise des Sexuellen konstituieren sich jedoch auch die Vorläufer der modernen Homo-Emanzipationsbewegungen. Es ist die Zeit der Homophilenbewegungen. Das theoretische und politische Fundament der so genannten Homophilenbewegungen entsteht somit Ende des 19. Jahrhunderts. Im Kampf um Anerkennung müssen die Homophilen-Organisationen oftmals unter prekären Bedingungen agieren, da - wie weiter oben geschildert - staatliche Sexualpolitik in der deutschen Monarchie um die Jahrhundertwende Homosexualität kriminalisiert und pathologisiert. Im Vordergrund der Aktivitäten steht Aufklärungsarbeit und Werbung bei Medizinern, Sexualwissenschaftlern sowie Psychologen ebenso wie in der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft. Kurz: Es handelt sich um eine Strategie allmählicher Überzeugungsarbeit.


Heike Raab forscht und lehrt zu feministischen und queeren Disability Studies an der Universität Innsbruck und ist Mitglied des DFG-Forschungsnetzwerks "Praxeologien des Körpers".


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