E-Book, Deutsch, Band 2, 127 Seiten
Reihe: Die Geheimnisse von Engeløya
Angelsen Seelenverwandte
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98585-283-3
Verlag: Adrian Wimmelbuchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der große Erfolg aus Skandinavien
E-Book, Deutsch, Band 2, 127 Seiten
Reihe: Die Geheimnisse von Engeløya
ISBN: 978-3-98585-283-3
Verlag: Adrian Wimmelbuchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Norwegen | Insel Engeløya: Im Doktorhaus Breidablikk können Bera und Truls einander kaum aus den Augen lassen. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern: Sie ist die Tochter des angesehenen Dorfarztes, er nur ein einfacher Stallknecht. Gibt es dennoch eine Chance für ihre Liebe? Dorfarzt Gabriel hingegen hat seine Hoffnung auf eine neue Beziehung längst aufgegeben - bis eine dunkelhaarige Fremde nach Engeløya kommt und sein Herz ins Wanken bringt... Die mitreißende Bestsellerreihe aus Skandinavien entführt die Hörer*innen erneut in das malerische Dorf an der norwegischen Westküste und erzählt von Liebe, Schicksal und tief verborgenen Geheimnissen einer kleinen Dorfgemeinschaft.
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1
Der Pfarrer war von einem Geräusch aufgewacht, oder war es nur etwas, das er geträumt hatte? Eine Weile hatte er in die Dunkelheit gestarrt und gelauscht. Aber jetzt war es ganz still. Trotzdem schlug er die Decke zurück und setzte die Füße auf den Boden. Dann ging er zum Fenster und schaute hinaus. Er musste die Hände an beide Seiten seines Gesichts legen, um besser sehen zu können. War da nicht jemand, der vor dem Pfarrhaus herumschlich? Wer in aller Welt hatte um diese Nachtzeit etwas draußen zu suchen? Niemand mit gutem Gewissen, stellte er fest und kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Sein Sehvermögen war nicht mehr so gut wie früher, und das ärgerte ihn ein wenig. Ja, da war diese Gestalt wieder. Eine Frau? Sie hatte ihn offensichtlich gesehen und war stehen geblieben. Einen kurzen Moment dachte er daran, sich hinter dem Vorhang zu verstecken und nicht zu zeigen, dass er so dastand und starrte. Aber dann erkannte er, dass es Bera war.
»Vergib mir meine Sünde, ist sie das nicht?«, flüsterte er. »Was hat sie jetzt wieder vor?«
Dieses Mädchen war nicht wie andere, so viel war sicher. Aber was konnte man auch anderes erwarten? Sie stammte von einem Berghof weit weg von Anstand und normalem Menschenverstand. Außerdem hatte sie angeblich beim Doktor völlig freie Hand. Ja, er konnte so weitermachen, der gute Gabriel, aber es könnte sein, dass er es eines schönen Tages bereuen würde. Das würde mit dem größten Schrecken enden, dessen war er sich sicher. So sicher wie das Amen in der Kirche.
Da winkte sie auch noch und grinste, wenn er sich nicht sehr täuschte. Das sah ihr ähnlich.
Er war so verärgert, dass er den Vorhang mit einer wütenden Bewegung zuzog. Dann eilte er zurück ins warme Bett und zog die Decke hoch bis zum Kinn. Erst jetzt spürte er, wie kalt seine Füße waren. Er schlief in einem langen Nachthemd und langen Unterhosen, aber ohne etwas an den Füßen. Das sollte er vielleicht ändern, dachte er und drehte sich auf die Seite.
Jetzt hatte er Mühe einzuschlafen und das war nur die Schuld dieses Mädchens. Was in aller Welt wollte sie nachts draußen? Vielleicht sollte er ein Gespräch mit Gabriel führen, damit der Doktor erfuhr, was seine Pflegetochter so trieb. Dass er Gabriel darüber aufklärte, was vor sich ging, war ja eine gute Tat. Vielleicht konnte sie auch zaubern? Wer wusste schon, was sie in ihrer Kindheit oben in den Bergen gelernt hatte? Ihre Eltern nutzten zu Lebzeiten auch nicht gerade seine Kirchenschwelle ab. Zwar hatten sie Bera taufen lassen, und selbst waren sie sowohl konfirmiert als auch dort getraut worden, aber er konnte wahrscheinlich an einer Hand abzählen, wie oft sie zum Gottesdienst erschienen waren. Ihm fiel ein, wie er sie einmal deswegen zur Rede stellte.
»Der Pfarrer kann uns nur tadeln«, hatten sie gesagt. »Aber es ist schwierig wegzukommen, sowohl wegen des langen Weges als auch aus anderen Gründen. Aber wir halten oft eine kleine Andacht zu Hause und lesen fleißig in der Bibel.«
Welche anderen Gründe es gab, erfuhr er nicht, denn sie verbeugten sich, knicksten und verschwanden, bevor er fragen konnte.
Jetzt gähnte er ausgiebig und spürte, wie der Schlaf sich bemerkbar machte. Seine Augenlider begannen zuzufallen. Vielleicht sollte er Fie erzählen, was er beobachtet hatte? Nun, das konnte bis zum nächsten Tag warten, denn momentan brachte er es nicht fertig, sich im Bett umzudrehen. Sie schlief wohl tief und fest, denn er hörte nicht einmal ihren Atem. Mehr schaffte der Pfarrer nicht zu denken, bevor er wegdämmerte.
* * *
Unten in der Speisekammer stand Fie und starrte bewegungslos auf den leblosen Körper. Lebte er? Sie zögerte einen Moment, bevor sie sich hinhockte und eine zitternde Hand nach dem Mann ausstreckte. Sie spürte seinen Herzschlag nicht, aber er trug ja auch einige Kleidungsstücke. Sollte sie sich vielleicht näher zu ihm beugen, um seinen Herzschlag zu hören? Sie scheute davor zurück. Gewiss, sie hatte schon tote Menschen gesehen, zumindest ein paar Mal, aber das war lange her. Und die waren auf natürliche Weise eingeschlafen. Dies war etwas ganz anderes. Sie stellte das Licht auf den Boden, sank auf die Knie und legte ihr Ohr an seine Brust.
Nein, nichts war zu hören. Sie richtete sich auf. Einmal hatte sie den Doktor gesehen, wie er zwei Finger an den Hals eines Mannes legte, der vor dem Krämerladen zusammenbrach. Er hatte sich den Kopf gestoßen und war ohnmächtig geworden. Jetzt versuchte sie dasselbe, aber auch diesmal spürte sie nichts. Mit einem Ruck stand sie auf und trat ein paar Schritte zurück.
Sie hatte einen Menschen getötet! Sie hatte dem Armenhäusler Emil das Leben genommen. Ihr Atem kam in schnellen Stößen und ihr wurde schwindelig. Gott sei ihr gnädig.
Was sie am meisten fürchtete, war nicht Gottes Zorn, sondern Edvarts. Möglicherweise konnte der Herrgott gnädig auf sie blicken, aber niemals, niemals auf der Welt würde ihr eigener Ehemann das können. Sie hatte ihren gesamten Ruf ruiniert, sie – eine Pfarrersfrau – hatte einem anderen Menschen das Leben verweigert. Sie hatte ihn so erschreckt, dass der Heringskrug herunterfiel und ihn erschlug.
Jetzt konnte sie sich nicht einmal mehr erinnern, was sie hier unten wollte. Milch wärmen, vielleicht? Ein Schluchzen entfuhr ihr und sie schlug die Hand vor den Mund. Hoffentlich hatte sie niemand gehört! Erschrocken sah sie sich um. Jemand musste den Tumult gehört haben. Sie lauschte, aber das Einzige, was sie vernahm, waren ihre eigenen Herzschläge, die in ihren Ohren trommelten. Ein Schauer durchfuhr sie und ließ sie unkontrolliert zittern. Sie starrte erneut auf Emil. Seine Augen waren offen und blickten direkt auf sie, als wäre er immer noch erschrocken über das, was er erlebt hatte. War seine Seele jetzt in den Himmel aufgestiegen, oder befand sie sich irgendwo dazwischen? Die Toten verließen das Reich der Lebenden wohl nicht ganz, bevor sie in die Grube gesenkt wurden und Edvart ihnen die drei kleinen Schaufeln gesegneter Erde nachgeworfen hatte.
Die Panik drohte fast überhandzunehmen, sodass sie erwog wegzulaufen. Sie könnte einfach schnell wieder auf den Dachboden hinaufgehen, sich unter die Decke legen und so tun, als wäre nichts geschehen. Am nächsten Morgen würden die Dienstmädchen Emil finden, und jemand anderes die Schuld bekommen. Sie schloss die Augen, während sie versuchte, die Kontrolle wiederzuerlangen. Ihr Gewissen meldete sich. Nein, sie konnte nicht am Tag ihres Todes vor ihren Erlöser treten und sagen, sie hätte die Schuld auf andere geschoben. Und was, falls sie Emil im Himmelreich begegnete? Falls sie überhaupt dort hineingelassen würde, nach dem, was sie verbrochen hatte.
Warmes Talg tropfte auf ihre Finger und sie nahm die Kerze in die andere Hand. Sie musste den toten Körper loswerden, zumindest bis sie nachgedacht hatte. Denn auf keinen Fall sollten die Dienstboten ihn in der Speisekammer finden.
Sie nahm eine Jacke, die im Flur hing, und ein Paar Stiefel. Falls jetzt zufällig jemand auf wäre, würde er sie in diesen großen Kleidern nicht erkennen. Dann blies sie die Kerze aus, packte Emil unter den Armen und zog ihn durch die Küche und weiter zur Außentür.
Sie öffnete sie vorsichtig, zog ihn die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße. Dort musste sie anhalten, um Atem zu schöpfen. Es fiel ihr schwer, da sie körperliche Arbeit nicht gewohnt war. Ihre Arme fühlten sich taub und kraftlos an und ihr Rücken schmerzte. Sie fror auch, obwohl der Schweiß auf ihrem Rücken perlte.
Ihr Blick schweifte über das große, weiß gestrichene Haus. Es wirkte so friedlich und schön, aber nur wusste, was gerade dort drinnen geschehen war. Überhaupt gab es vieles, was die meisten Leute nicht über das Pfarrhaus wussten. Über einen Ehemann und Pfarrer, der den gesamten Haushalt mit eiserner Hand regierte. Sie hatten keine Ahnung, dass sowohl sie als auch das Dienstpersonal auf Zehenspitzen gingen und ihre Worte abwogen, damit Edvart nicht wegen der kleinsten Kleinigkeit aggressiv wurde.
Er, der tagelang wütend sein konnte, weil er ein Eselsohr in einem Buch entdeckte oder seine Serviette in der Küche liegen geblieben war, wenn sie zu Mittag essen wollten. Was würde er wohl sagen und tun, erführe er hiervon?
Sie packte Emil wieder unter den Armen und zog ihn weiter, über die Straße zum Stall. Dort musste sie eine neue Pause einlegen, um sich einen Ort auszudenken, an dem sie ihn verstecken konnte. Ließe sie ihn hier liegen, würde er gefunden werden, sobald der Stalljunge herauskäme. Die Fragen würden sich häufen und sie alle vom Polizisten verhört werden.
Sie brauchte mehr Zeit, stellte sie fest. Viel Zeit! Vielleicht alle Zeit, die es gab. Entschlossen zog sie ihn mit sich, hinein in den Stall. Die Tiere, die geschlafen hatten, erhoben sich in ihren Ständen und sahen sie mit großen Augen an. Der strenge Geruch von Mist und Urin schlug ihr wie eine schwere Wand entgegen. Gut, dass sie die große Jacke über das Nachthemd gezogen hatte, dachte sie vage. So schützte sie vielleicht ihr Kleid vor dem Geruch.
Endlich kam sie bei der Mist Luke an. Der Stall war neu, ohne diese altmodische Luke in der Wand, durch die die meisten Leute den Mist hinauswarfen. Hier gab es eine im Boden, mit einem Keller darunter. Sie war gerade groß genug, dass ein magerer und kleinwüchsiger Mann wie Emil hineinpasste.
Sie schaffte es, sie mit dem Fuß anzuheben und weiter auf den Boden zu schieben, musste sich jedoch wegdrehen, als ihr der Gestank aus dem Keller ins Gesicht stach. Die Übelkeit stieg ihr in den Hals, und sie würgte...