Ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive
E-Book, Deutsch, 502 Seiten
ISBN: 978-3-8463-8728-3
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Die komplett überarbeitete, 3. Auflage ist um Ansätze wie räumliche Innovationssysteme, globale Wertschöpfungsketten, Cluster und viele weitere aktuelle Diskussionen erweitert und umfassend aktualisiert. Sechs neue Kapitel und eine grundlegende Neugliederung unterstützen das vorlesungsbegleitende Selbststudium. Fallbeispiele und über 100 Grafiken machen komplexe Zusammenhänge gut verständlich.
Ein Bachelor- und Master-Studienbuch für Studierende der Geographie, der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie alle, die sich für das Verhältnis von Raum und Wirtschaft interessieren.
Dieser Titel ist auf verschiedenen e-Book-Plattformen (Amazon, Libreka, Libri) auch als e-Pub-Version für mobile Lesegeräte verfügbar.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort zur 4. Auflage 11
Teil 1: Einführung
1 Zu einer Geographie der Wirtschaft 16
1.1 Warum eine Geographie der Wirtschaft? 16
1.2 Illustration: Wie funktioniert regionale Wirtschaftsentwicklung? 19
1.3 Aufbau des Buchs 21
2 Zu einer relationalen Wirtschaftsgeographie 24
2.1 Geographie im Paradigmenwechsel 24
2.2 Wirtschaftsgeographie im Paradigmenwechsel 33
2.3 Das Argument der zweiten Transition in der Wirtschaftsgeographie 39
3.1 Bedürfnisse 50
3.2 Güter 51
3.3 Wirtschaftliche Produktion und Produktionsfaktoren 54
3.4 Neoklassischer Markttausch 65
3.5 Leistungsmessung in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 69
4 Geographische Grundbegriffe 72
4.1 Positionale Raumkonzepte: Raum, Region, Territorium und Standort 72
4.2 Relationale Raumkonzepte: Distanz und Nähe 77
4.3 Räumliche Disparitäten: Verdichtungsräume und ländliche Räume 84
4.4 Möglichkeiten und Grenzen der Messung räumlicher Verteilungen 89
4.5 Globale Verflechtungen 95
Teil 2: Ansätze und Grenzen der Raumwirtschaftslehre
5 Im Denken räumlicher Ordnung und Hierarchie 110
5.1 Lagerentenprinzip, Transportkostenprimat und landwirtschaftliche Landnutzung 110
5.2 Übertragung des Lagerentenprinzips auf den städtischen Bodenmarkt 118
5.3 Optimale Versorgung im System zentraler Orte 127
6 Industrielle Standortwahl 146
6.1 Raumabhängigkeit und Faktordominanz der industriellen Standortlehre 146
6.2 Kritische Würdigung der traditionellen Standortlehre 156
6.3 Vom Transportkostenprimat zu Standortfaktorenkatalogen 160
Teil 3: Interaktion und Institution
7 Interaktion: Wirtschaftliches Handeln in sozialen Beziehungen 178
7.1 Wandel des Menschenbilds 178
7.2 Soziale Situationen der Interdependenz 183
7.3 Interaktionen in sozialen Beziehungen 187
8 Institutionen 199
8.1 Institutionen und ökonomisches Handeln 199
8.2 Entstehung und Gestaltung von Märkten 205
8.3 Institutioneller Wandel 212
Teil 4: Organisation
9 Organisation wirtschaftlichen Austauschs 224
9.1 Transaktionskosten und räumliche Produktionsorganisation in der neuen Institutionenökonomie 224
9.3 Temporäre Kooperation in Projekten 237
10 Geographische Cluster 245
10.1 Nationale Wettbewerbsvorteile und industrielle Cluster 245
10.2 Industriedistrikte und innovative Milieus 248
10.3 Theorie regionaler Cluster 260
11 Geographie des Unternehmens 282
11.1 Strategie und geographische Organisation von Unternehmen 282
11.2 Internationalisierung von Unternehmen 290
11.3 Globale Organisation der Wertschöpfung 299
Teil 5: Evolution
12 Regionales Wachstum 316
12.2 Polarisationstheorie 318
12.3 Exportbasis-Ansatz und regionale Wirtschaftspolitik 324
12.4 Geographical economics 332
13 Evolution von Unternehmen und Standorten 339
13.1 Evolution in der Organisationsökologie 339
13.2 Unternehmensgründungen aus evolutionärer Sicht 346
13.3 Evolutionäres Modell geographischer Industrialisierung 360
13.4 Entstehung und Evolution von regionalen Unternehmensballungen 368
13.5 Ansätze einer evolutionsökonomischen Wirtschaftsgeographie 376
Teil 6: Innovation
14 Innovation und Unternehmen 384
14.1 Innovation 384
14.2 Produktzyklustheorie 387
14.3 Evolutionäre Perspektive technologischen Wandels 396
15 Technologischer und gesellschaftlicher Wandel 408
15.1 Theorie der langen Wellen 408
15.2 Regulationsansatz 413
15.3 Innovationssysteme 424
15.4 Varieties of capitalism 432
Literaturverzeichnis 437
Verzeichnis der Fallbeispiele 491
Sachregister 493
Vorwort zur 4. Auflage
In der ersten Auflage der Wirtschaftsgeographie vor über 15 Jahren war es uns ein Anliegen, die thematische Begrenzung, ein oftmals deterministisches Verständnis von Raum und die geringe Interdisziplinarität in konventionellen Lehrbüchern zu überwinden und neue Strömungen in der Geographie und den Sozialwissenschaften aufzugreifen. Wir argumentierten mit der zweiten Transition als paradigmatischem Übergang für den integrativen und sozialwissenschaftlich anschlussfähigen Rahmen einer relationalen Wirtschaftsgeographie. Angeregt durch vielfältige fachliche Entwicklungen, aber auch durch kritische Fragen, Kommentare und Hinweise seitens unserer Kollegen und Studierenden, haben wir die Struktur dieses Buchs seit der ersten Auflage fortwährend angepasst und umfangreich erweitert. Seit der dritten Auflage haben sich aktuelle Strömungen wie z.B. institutionelle, evolutionäre, netzwerk- oder clustertheoretische Ansätze weiterentwickelt, ebenso wie sich förderpolitische Rahmenbedingungen und Instrumente auf bundesdeutscher und europäischer Ebene gewandelt haben. Wir haben diese Entwicklungen genutzt, um das Buch vollständig zu überarbeiten, Fehler zu korrigieren, Textteile traditioneller Ansätze und Debatten zu straffen und neuere Ansätze um jüngste Forschungsbeiträge zu aktualisieren. Angesichts des mittlerweile bemerkenswerten Umfangs des Buchs und der großen fachhistorischen Reichweite von Ansätzen länderkundlicher Wirtschaftsgeographie über die klassische Standortlehre bis hin zur Vielfalt gegenwärtiger mikro- und makroanalytischer Innovations- und Entwicklungstheorien danken wir Katrin Janzen, Regina Lenz, Anna Mateja Schmidt, Laura Suarsana, Michael Handke, Robert Panitz, Christian Wuttke und Marius Zipf herzlichst für die kritische Durchsicht des Manuskripts und für viele inhaltliche und redaktionelle Hinweise und Anregungen. Trotz all der fachlichen Weiterentwicklungen und des anhaltenden technologischen und wirtschaftlichen Wandels einer globalen Wissensökonomie bleibt es das Ziel des Buchs, eine breite und grundlegende Einführung in zentrale Fragen der Wirtschaftsgeographie anzubieten: Warum und wie sind ökonomische Prozesse an verschiedenen Orten und Regionen unterschiedlich organisiert? Wie kommt es deshalb zu beobachtbaren und messbaren sozioökonomischen Differenzierungen in räumlicher Perspektive? Wie sind Unternehmen auf unterschiedliche Weise in lokale, regionale, nationale oder supranationale Entwicklungszusammenhänge eingebunden und wie prägen diese ihr Handeln? Damit verbunden ergeben sich für die wirtschaftsgeographische Forschung vielfältige Aufgaben, insbesondere das Erklären und Verstehen lokalisierter Ballungs- und Spezialisierungsprozesse, der Entstehung und Dynamik räumlicher Disparitäten, der wirtschaftlichen Interaktion über geographische Entfernung sowie der Folgen des technologischen und institutionellen Wandels für die wirtschaftliche Entwicklung. Die fachliche Entwicklung der letzten Jahre weist aufgrund neuer Ansätze und einer Wiederbelebung und Weiterentwicklung quantitativer Methoden nicht nur auf das angestiegene – bislang jedoch vielfach noch ungenutzte – Potenzial disziplinübergreifender Forschung und Zusammenarbeit hin. Stattdessen besteht die Gefahr, dass eine mitunter zunehmende Bildung von Schulen, wie z.B. der evolutionären Wirtschaftsgeographie oder globaler Produktionsnetzwerke, auch neue Spaltungen innerhalb der Wirtschaftsgeographie hervorruft. In diesem Spannungsfeld sehen wir die relationale Wirtschaftsgeographie nicht als eine weitere Theorie, die mit anderen Strömungen konkurriert, sondern als eine Perspektive, die vielfältige gegenstandsbezogene Konzepte und Theorien innerhalb und außerhalb des Fachs zu verbinden sucht. Das bereits in der dritten Auflage bemängelte Auseinanderdriften des Fachs und die gegenseitige Ausgrenzung unterschiedlicher Methoden und Gedankengebäude betrachten wir nach wie vor mit Sorge. Stattdessen schlagen wir mit der relationalen Wirtschaftsgeographie eine explizit inklusive Perspektive vor, die anschlussfähig für viele sozialwissenschaftliche Ansätze und fachtheoretische Konzepte ist. Sie ist keine geschlossene Theorie, sondern eine analytische Forschungsperspektive, die vielfältige und heterogene Forschungsansätze umfasst, zugleich aber sechs grundlegende Kriterien in ihren Untersuchungsdesigns zusammen bindet (Bathelt und Glückler 2017): Relationalität. Erstens geht relationale Forschung davon aus, dass soziales Handeln und soziale Beziehungen zwischen Akteuren als Quelle wirtschaftlicher Phänomene und Entwicklungen zu betrachten sind. Wirtschaftliche Phänomene „haben“ keine sozialen Beziehungen, sondern werden durch diese konstituiert. Kontextualität. Zweitens impliziert der Fokus auf soziale Interaktionen eine systematische Berücksichtigung des raum-zeitlichen Kontexts und der damit verbundenen vielfältigen situativen Bedingungen. Kontingenz. Drittens gelten die Konsequenzen ökonomischen Handelns notwendigerweise als ergebnisoffen. Aufgrund der immanenten Kontextabhängigkeit interessiert insbesondere, unter welchen Bedingungen Handlungskonsequenzen von erwarteten Auswirkungen abweichen – warum z.B. die Unternehmen einer Region trotz scheinbar günstiger Wachstumsbedingungen stagnieren. Prozessualität. Viertens richtet sich der Erklärungsanspruch weniger auf formale Kausalität, sondern auf die Rekonstruktion und Qualität der einem wirtschaftlichen Phänomen zugrundeliegenden Prozesse. In historischer Perspektive wird ökonomisches Handeln daher als pfadabhängig angenommen. Insofern präferiert der relationale Ansatz evolutionäre Konzepte gegenüber Erklärungen, die an Lebenszyklusansätzen angelehnt sind. Räumliche Perspektive. Fünftens folgt ein relationales Forschungsdesign in der Wirtschaftsgeographie einer räumlichen Perspektive von Handeln (Bathelt und Glückler 2003), durch die ökonomische Prozesse in Raum und Zeit situiert und in ihren Beziehungen zwischen verschiedenen Maßstabsebenen untersucht werden können. Raum gilt weder als Container von Merkmalen noch als Kausalfaktor, sondern ermöglicht die Problematisierung ökonomischer Prozesse hinsichtlich ihrer Dichte und Diversität sowie ihrer räumlichen Entfernung und sozialen Disparitäten. Übertragbarkeit der Erkenntnisse. Trotz der Betonung von Kontextualität, Kontingenz und Pfadabhängigkeit strebt ein relationales Forschungsdesign sechstens nicht allein nach einzelnen Tatsachenerklärungen, sondern nach abstrahierbaren Erkenntnissen, die auf andere Kontexte als Prinzipien übertragen werden können. Es ist deshalb wichtig zwischen den notwendigen und kontingenten Bedingungen eines Kontexts zu unterscheiden (Sayer 2000). Relationale Konzepte können somit als Theorien mittlerer Reichweite (Merton 1949) charakterisiert werden, die einerseits gegenstandsnah gewonnen werden (Authentizität), zugleich aber abstrakt genug sind, um transferierbare Theorien zu entwickeln (Strukturierung). Dieses Lehrbuch fördert neben der Vermittlung des aktuellen Forschungsstands vor allem kritisches Denken und konzeptionelle Zusammenhänge in der Wirtschaftsgeographie. Es unterscheidet sich von traditionellen Lehrbüchern dadurch, dass es über die scheinbar neutrale Darstellung etablierter Theorien hinausgeht. Es ist keine Enzyklopädie, die ein statisches Gesamtbild der Disziplin zeichnet. Im Gegenteil: Wir führen eine kritische Debatte wirtschaftsgeographischen Denkens mit dem Ziel, Studierende und Fachinteressierte aufgrund der Darlegung von Begriffen, Konzepten und deren Implikationen zu einem kompetenten Verständnis von Wirtschaftsgeographie anzuregen. Natürlich ist es unmöglich, sämtliche Diskussionsstränge und Anwendungsbereiche gleichermaßen einzubeziehen. Die Auswahl der dargestellten Theorie- und Themenbereiche ist letztlich in besonderem Maß durch unsere eigenen und gemeinsamen Forschungsinteressen geprägt. Auch der Aufbau des Buchs folgt einem relationalen Ansatz und ist durch vielfältige Verweise und Rückkopplungen zwischen den einzelnen Textbausteinen und Kapiteln geprägt. Obwohl es möglich ist, das Buch von „A bis Z“ in linearer Form zu lesen, besteht der eigentliche Zweck darin, je nach Forschungsfrage, Problemlage oder Vorlesungsthema diejenigen Abschnitte des Buchs in der Lektüre zu verbinden, die einen konzeptionellen Zugang zu dem Forschungsgegenstand in einem spezifischen Kontext ermöglichen. Hierzu bietet das Buch durchgehend Verweise zu verwandten und angeschlossenen Themen in anderen Kapiteln. Mit dem Ansatz der relationalen...