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E-Book, Deutsch, 556 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 148 mm

Beck Der vibrierende Dildo

Vibratoren als Sex Toy, Gesundheits- und Empowerment-Tool – eine kulturwissenschaftliche Spurenlese
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-942818-41-4
Verlag: Kalden-Consulting Wolf-Hannes Kalden
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vibratoren als Sex Toy, Gesundheits- und Empowerment-Tool – eine kulturwissenschaftliche Spurenlese

E-Book, Deutsch, 556 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 148 mm

ISBN: 978-3-942818-41-4
Verlag: Kalden-Consulting Wolf-Hannes Kalden
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was haben Vibratoren mit Doppelkinn, Rheuma und Female Empowerment zu tun? Sehr viel, wenn man sich die reich bebilderte Geschichte des „vibrierenden Dildos“ anschaut. Die Sex Toys sind heute im Mainstream angekommen – so scheint es. Aber wo kamen sie eigentlich her? Dieses Buch ist eine Spurenlese, die die spannende Kulturgeschichte des elektrischen Vibrators durch Medizin, Kosmetik, Pornografie und Sexualwissenschaft bis hin zur DDR und aktuellen Feminismus-Diskursen nachzeichnet.

Erfunden 1869 als medizinisches Gerät, treten Vibratoren schnell ihren Siegeszug in die Haushalte an. Dort sollten sie nicht nur alle erdenklichen Wehwehchen als Heilmittel in der Selbsttherapie lindern, sondern auch kosmetische Wunder bewirken und Krähenfüße, geschwollene Fesseln und schütteres Haar tilgen. Wie aus diesem Massagegerät ein Sexspielzeug in phallischer Form wurde, was die Menschen damals in Deutschland Ost und West darüber dachten und warum wir heute trotz medialer „Übersexung“ immernoch mit Tabus und Stigmatisierungen in Bezug auf Vibratoren zu kämpfen haben – dazu gibt „Der vibrierende Dildo“ viele Informationen, Anekdoten von Zeitzeug*innen sowie interessanten visuellen Input.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1 Einleitung 1.1 Der Vibrator am Mundwinkel „Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott geworden, recht großartig, wenn er alle seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen. Er hat übrigens ein Recht, sich damit zu trösten, daß diese Entwicklung nicht gerade mit dem Jahr 1930 A. D. abgeschlossen sein wird. Ferne Zeiten werden neue, wahrscheinlich unvorstellbar große Fortschritte auf diesem Gebiete der Kultur mit sich bringen, die Gottähnlichkeit noch weiter steigern.“ Sigmund Freud1 Ein Papierschnipsel, bunt bedruckt, nur etwa 3 auf 4 Zentimeter klein und doch wirft er eine große Frage auf: Darauf zu sehen war eine Frau, die eine kugelförmige Apparatur an einem Handstück mit Schnur an die Lippen hält. Daneben in großen Lettern das Wort „VIBRATOR“, darüber die Überschrift „SANAX“. Mit der heutigen Definition von Vibrator als Sexspielzeug konnte man die dargestellte Situation nicht übereinbringen und decodieren. Was also war dieser Vibrator und was hatte er mit einer Frau zu tun, die sich vor über hundert Jahren ein handliches Gerät an den Mundwinkel hält? Drei Dinge konnte man an diesem Papierstück entziffern: Die Frau trägt Frisur und Kleidung aus den frühen Dekaden des 20. Jahrhunderts, das Gerät in ihrer Hand wurde wohl mit Strom über das Kabel betrieben, und, da der Rand des Papierstücks gezackt war, es sich wohl dabei um eine Reklamemarke handelte. Auch die Gummierung auf der Rückseite bestätigte ersteres sowie letzteres, die Werbemarken besaßen ihre größte Verbreitung in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg2. Somit war der zeitliche Rahmen und Verwendungszweck bestimmt und ließ schlussfolgern, dass hier wohl für einen Vibrator der Firma oder des Namens „SANAX“ geworben wurde, bei dem es sich sehr wahrscheinlich um das prominent platzierte Objekt in der Hand der dargestellten Frau handelte. Trotzdem blieb die Irritation und der Konflikt mit der heutigen Begriffsdefinition von Vibratoren, ihrer stabförmigen, batteriebetriebenen Gestaltung und ihrer Aufgabe als sexuelles Stimulationsmittel: Wie passte das zusammen mit einem kabelgebundenen Gerät an einem Handstück, an dessen Ende eine große Kugel prangte? Und welche Funktion erfüllte dieses an den Lippen der Frau, welche Praktik wurde hier gezeigt oder symbolisiert? Der hier gezeigte Vibrator als Kulturobjekt ist für die vorliegende Arbeit der Stein des Anstoßes gewesen, um dessen materielle und immaterielle Kultur und seine Objektgeschichte zu erforschen. Unter dem Recherchebegriff „Vibrator“ findet man schon zurück bis vor die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert Apparaturen und Patente, die eher nach Handrührern oder Bohrgeräten aussahen als nach zeitgenössischen Lustfingern. Und die in weiteren Reklamemarken dazu abgebildeten Personen, Frauen wie auch Männer, hielten sie sich nicht nur an den Mund, sondern auch ans Knie, an den Rücken, Ellenbogen und Fesseln — warum? Für oder gegen was wurde es genutzt? War es ein Medizininstrument oder Kosmetik, konnte die Geräte etwas bewirken, was uns heute als Praktik verloren gegangen ist? Wie passte es zusammen, dass aus diesem antiken, seltsam anmutenden Unding unter demselben Namen eben jenes dildo-eske Ding entstand? Die Spur führte letztendlich zu Beate Uhse und ihrem Sex-Imperium: In ihren Katalogen3 war in der Ausgabe von ca. 1968/694 erstmalig den Vibrator in all seiner weißen, phallischen Form, so wie wir ihn heute als 08/15-Standardmodell kennen und verankert haben, zu finden. Auch am Anfang dieser kulturwissenschaftlichen Arbeit steht wie bei vielen anderen also die Figur der Irritation, die das Forschungsinteresse weckte, sich eingehend mit den semantischen und materiellen Verschiebungen zu befassen, die der Vibrator offensichtlich in den letzten 150 Jahren erfahren hat. Bildtafel 1.1. Der Vibrator am Mundwinkel: Werbemarke der Berliner Firma Sanitas für den „Sanax“-Vibrator, ca. 1913 (1). Das „Standardmodell“ eines Vibrators, wie er noch heute als Massenware erhältlich ist (2). Die erste Anzeige für einen Massagestab in einem Werbeblatt-Mailing von Beate Uhse, ca. Frühjahr 1969 (3). Das Motiv des Vibrators am Mundwinkel bzw. Gesicht-/Nackenbereich wird bis heute, besonders in Versandkatalogen, wie hier abgebildet, kontinuierlich aufgegriffen und die Produkte im Kontext von Kosmetik abgebildet (4). 1.2 Fachlicher Zugang und Erkenntnisinteresse Im Anfang dieser Arbeit stand also die Epiphanie des Vibrators und aufgrund fehlenden Kontextwissens viele Fragen, die sich mit ihm verbanden. Die Neugier auf die kulturelle Umgebung und unerwartete Geschichte des Geräts und seiner mit ihm verbundenen Objektbiografie(n) führte dazu, sich ihm fachlich zu nähern. Sich einem historischen Objekt zu nähern, ist allerdings vertrackt: Viele Wege führen dahin, Dinge aus ihrer Anonymität herauszuholen und in einer Objektbiografie plastisch werden zu lassen. Vom reinen Warencharakter hin zu einem verstehbaren Objekt, das etwas von seiner Entstehung und seinem mitunter wechselhaften Gebrauch, seiner Erhöhung oder seinem Erinnerungswert erzählt. Peter Braun hat die verschiedenen methodischen Ansätze in Objektbiographien erzählen umrissen: „Dass Dinge immer eingebunden sind sowohl in kulturelle Semantiken und Kategorien als auch in soziale Praktiken und Beziehungen. Dadurch erhalten sie zu bestimmten Lebensabschnitten eine jeweils kulturell gerahmte Bedeutung, die wiederum ihre Funktion definiert.“5 Die Materie des Zeitschnitts nach Hans Ulrich Gumbrecht6, die später noch genauer skizziert wird, bot eine passende Methode, um das Auftauchen des Geräts genauer anzuschauen und versuchen, es zu verstehen und es in seiner Zeit präsent zu machen: Als Zeitschnitt und damit als eine Schranke in der Welt zwischen seiner Vergangenheit und seiner Zukunft, die in Form von wissenschaftlicher Alltagsforschung präsentiert werden soll.7 In Literatur, Gerichtsakten und Katalogen, auf pornografischen Internetseiten ganz unterschiedlichster Provenienz, in Museen und durch Befragung von Zeitzeug*innen offenbarte der Vibrator in diesem Zeitschnitte als multifunktionelles Hilfsmittel seine ihm eingeschriebenen, erstaunlichen Geschichten. Die vorliegende Dissertation ist daher, neben der Präsentmachung innerhalb des Zeitschnitts, auch eine Spurenlese, die über die spannende Entstehungsgeschichte dieses vielseitigen und gesundheitswichtigen Gerätes in Deutschland informiert und die Lebenswelten sichtbar macht, in denen Vibratoren eine Rolle spielen, und dabei das Umfeld und die Benutzer*innen als ein großes Diskursfeld mit einbezieht. Sie führt Leser*innen mäandrierend zu verschiedenen Einzeldiskursen, die mit dem Vibrator in Berührung kommen, sei es Impotenz und Prothetik, die Sexualleben in der DDR, Pornos oder Sex-Maschinen. Filme, Fotos, geschriebene Berichte und Gespräche mit Zeitzeug*innen waren die Informationsbasis für die Erforschung der einzelnen Diskurse. Die einzelnen Fragen an das Gerät für die zugrundeliegenden Diskurse waren etwa: Wie wird über den Vibrator gesprochen? Wo begegnet er uns oder gerade nicht? Von wem wird er wie genutzt und genannt? Welche Gefühle, Praktiken, Rituale und Tabus hängen mit ihm zusammen bei Männern, Frauen LGBTQIA*, Paaren etc.? Welche Kritik bringt er hervor? Wie wird er in Sprache, Film und Print aufgenommen und in der Zeit gespiegelt? Diese Fragen werden in „Kristallisationspunkten“(s.u.) wie Aufklärungsliteratur oder Pornofilmen in der vorliegenden Arbeit zusammengefasst, aufgearbeitet und die motivierenden, alltagskonstituierenden Querverbindungen sichtbar gemacht. Das Auftauchen des Selbstmassagegerätes um 1969 setzte den Beginn einer vermuteten neuen Ära von Sexualität und Technik, die es zu untersuchen galt. So stellen wir uns eine Lupe auf eine Miniaturwelt vor, die den Bereich Mitte 1968 bis ca. Mitte 1970 für diese detektivischkulturwissenschaftliche Präsentmachungs-Enterprise vergrößert. Der zivilgesellschaftliche Umschwung 1968/1969 — ein Narrativ, das auch auf den Massagestab applizierbar ist. Weder Gesamtgesellschaft noch Geschlechtsleben bleiben unberührt von der Einführung des phallischen Vibrators auf dem deutschen Markt. Cis- und Transgender (retrospektiv nach Sigusch verwendete Begriffe), Solo-Sex wie ehelicher Beischlaf, nichts bleibt unbelassen von der wichtigsten Erfindung für den sexuellen Menschen seit der Anti-Babypille. Und, da es vor 1968 zwar Vibratoren gab, die nicht phallisch waren, und schon seit Menschengedenken Dildos, die nicht vibrieren, sollten diese „Vorgeschichten“ nicht unerwähnt bleiben. 1968/69 stellt aber den Scheitelpunkt dar, der diese zwei Chronologien zusammenführt: Der vibrierende Dildo betritt die Showbühne als befriedigendster Entertainer der Welt. Die Fragen führen aber auch unweigerlich in das Hier und Jetzt und in das Morgen, in das einen kleinen Einblick gegeben wird: Wie...


Beck, Nadine
Dr. Nadine Beck wurde 1976 in Marburg geboren und hat Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte in Marburg, Jena und England studiert. Sie wirkte an diversen Filmbeiträgen mit und arbeitet als Autorin und Kuratorin. 2019 kam als Teil ihrer Doktorarbeit zur Geschichte des Vibrators von ihr der Bildband „Plug + Play. 150 Jahre Vibrator. Ein Jubelband“ heraus, dem nun mit „Der vibrierende Dildo“ die Publikation der Dissertation folgt. Teile ihrer Sammlung historischer Sexspielzeuge sind als „Vibratorium“ im Erotic Art Museum in Hamburg St. Pauli zu sehen. Sie ist in diversen Podcasts, Print- und TV-Beiträgen als Sexpertin, Aufklärerin, Künstlerin und Verfechterin für die Enttabuisierung von Sexualität, Lust und Masturbation gefragt. Beck ist auch als zertifizierte Sexualpädagogin tätig: 2022 erschien ihr Aufklärungsbuch „Sex in echt“ (Beck/Schilling/Bayer), das für den Jugendliteraturpreis 2023 nominiert wurde. Zudem hat sie mit Sex-Coach und Autorin Tina Molin den Tutorial „FEMALE PLEASURE“ über weibliche Lust und Anatomie konzipiert.
Ihr Markenzeichen sind eine klare, schambefreite Sprache, Authentizität, Lebensfreude und Humor. Nadine Beck lebt und arbeitet in Hamburg.



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