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E-Book, Deutsch, Band 2751, 112 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Beutelspacher Zahlen

Geschichte, Gesetze, Geheimnisse

E-Book, Deutsch, Band 2751, 112 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-77656-4
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Zahlen, obwohl auf den ersten Blick höchst abstrakte Gebilde, haben eine Geschichte. Man sieht das etwa an der Null, die in Indien erfunden wurde, von wo aus sie im Mittelalter ihren Siegeszug antrat, der sie über Arabien nach Europa führte. Zahlen halten sich aber auch an Gesetze und - sie haben ihre Geheimnisse. So fundamental wie rätselhaft für die Mathematik sind bis heute etwa die Primzahlen: 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, .
Der bekannte Mathematiker Albrecht Beutelspacher legt mit diesem Band eine kleine, unterhaltsame Zahlenkunde für Nichtmathematiker vor.
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2. Zahlendarstellungen
2.1 Wie hat man früher Zahlen geschrieben?
Das Bedürfnis, Zahlen zu notieren, ist uralt. Es entsprang vermutlich der praktischen Anforderung, die Konstanz einer Menge beziehungsweise ihr Zunehmen oder Abnehmen über längere Zeit kontrollieren zu können. Wenn man überprüfen wollte, ob die Ziegenherde am nächsten Tag noch gleich viele Tiere umfasste, so ritzte man am Abend für jedes Tier eine Kerbe und überprüfte am nächsten Tag, ob die Anzahl der Kerben noch mit der Anzahl der Tiere übereinstimmte. Viel später kam der Wunsch von Potentaten dazu, auch über ihren Tod hinaus erinnert zu werden. Deswegen wurden Jahreszahlen, die Menge des eroberten Goldes usw. in Stein gemeißelt. Weitere Anforderungen wurden noch später wichtig: Das Zahlensystem sollte so sein, dass man auch große Zahlen, ja beliebig große Zahlen damit beschreiben kann. Und schließlich: Das Zahlensystem sollte so sein, dass man mit den dargestellten Zahlen effizient rechnen kann. Die elementarste Weise, Zahlen zu notieren, besteht darin, eine entsprechende Anzahl von Strichen oder Kerben zu machen. Diese Methode ist uralt. Die Archäologen haben 30 000 Jahre alte Knochen gefunden, auf denen viele Einkerbungen zu sehen sind. Zum Beispiel sind auf dem schon in Kapitel 1 aufgeführten Ishango-Knochen die Primzahlen 11, 13, 17, 19 in Strichform geschrieben: 11 Striche, 13 Striche, 17 Striche, 19 Striche. Der Ishango-Knochen Sehr bald wurde man sich bewusst, dass solche Strichlisten schon bei mäßig großen Zahlen unübersichtlich sind. Deshalb hat sich in praktisch allen Kulturkreisen das Prinzip der Bündelung durchgesetzt, und zwar meist der Fünfer- oder Zehnerbündelung. Das kann so aussehen, dass jeweils nach fünf Kerben ein kleiner Abstand gelassen wird, es kann auch so sein, wie wir es heute kennen, dass die Fünfheit durch einen Querstrich angedeutet wird, oder so, dass für fünf und zehn eigene Zahlzeichen eingeführt werden. In Ägypten wurden schon um 2000 v. Chr. Zahlen systematisch geschrieben: Es gab Zeichen für eins, zehn, hundert, tausend, zehntausend, hunderttausend und für eine Million. Man stellte eine Zahl dar, indem man die entsprechende Anzahl der einzelnen Symbole schrieb. Dabei begann man links mit den höchstwertigen Symbolen. Man spricht von einem additiven System. Ägyptische Zahlenschreibweise Die Römer verwendeten das bekannte System aus I (eins), V (fünf), X (zehn), L (fünfzig), C (hundert), D (fünfhundert) und M (tausend). Zunächst war dies auch ein additives System, so dass zum Beispiel die Zahl 44 so geschrieben wurde: XXXXIIII. Später wurde aus Abkürzungsgründen die Zahl 4 nicht als IIII, sondern als IV geschrieben. So überzeugend die Zahlensysteme der Ägypter und Römer auf den ersten Blick sind, so problematisch sind sie aus mathematischer Sicht. Das erste Problem ist ganz offensichtlich: Wie schrieben die Römer 10 000? Vielleicht, indem sie zehn Ms schrieben? Und wie bezeichneten sie eine Million? Tausend Ms? Natürlich gibt es dafür Lösungen, und die Römer haben sich auch Lösungen einfallen lassen. Zum Beispiel bedeutete ein M in einem Kästchen 100 000. Aber damit wird das Problem nicht prinzipiell gelöst, sondern nur verschoben. Die Römer (und Ägypter) mussten für jede neue Größenordnung ein neues Zeichen einführen. Das zweite Problem wird offensichtlich, wenn man mit den Zahlen rechnen möchte. Addition ist noch in Ordnung: Was ist XVII plus LXI? Ganz einfach: Die Zahlen zusammenschreiben und dann die Zahlzeichen ordnen. Also: XVII + LXI = XVIILXI = LXXVIII. Das funktioniert natürlich nur, wenn man ein streng additives System verwendet; sobald man Abkürzungen wie IV benutzt, wird selbst die Addition schwierig und fehleranfällig. Noch schwieriger ist die Multiplikation. Was soll XVII mal LXI sein? Eine solche Rechnung funktioniert überhaupt nicht innerhalb des römischen Systems; die römischen Zahlen sind nicht zum Rechnen gemacht. Die Römer haben alle Rechnungen mit dem Abakus durchgeführt – und der ist im Grunde ein dezimales Stellenwertsystem (siehe Abschnitt 2.2). Ein grundsätzlich anderes System benutzten die Mesopotamier, die auf dem Gebiet des heutigen Irak lebten, seit etwa 2000 v. Chr. Es ist das mit Abstand leistungsfähigste Zahlensystem der Antike und war allen anderen Systemen haushoch überlegen: Es ist ein sogenanntes «Stellenwertsystem». Solche Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass es nur einen beschränkten Vorrat an Ziffern gibt, diese aber unterschiedliche Werte haben, je nachdem, an welcher «Stelle» sie stehen. Uns ist das geläufig: Die Eins in der Zahl 1302 hat einen anderen Wert als die Eins in der Zahl 2310: Im ersten Fall ist sie tausend wert, im zweiten Fall nur zehn. Die Mesopotamier verwendeten nicht das Dezimalsystem, das heißt kein System zur Basis 10, sondern ein System zur Basis 60. Die Ziffern waren die Zahlen 1, 2, …, 59. Die letzte Stelle einer Zahl war die Einerstelle, die vorletzte die 60er-Stelle, und an der vorvorletzten Stelle hatte eine Eins den Wert 3600. Die Zahl 234 im «Sexagesimalsystem» hat also den Wert 2 · 3600 + 3 · 60 + 4 = 7384. Für die Darstellung der Ziffern, also der Zahlen 1, …, 59, verwendeten die Babylonier hingegen ein additives System: Ein senkrechter Strich (ein Keil) bedeutete eins und ein Winkelhaken (<) stand für zehn. Die Ziffer 14 wurde also so geschrieben: < IIII. Mit diesem System ließ sich hervorragend rechnen, so dass es immer dann eingesetzt wurde, wenn viele und schwierige Rechnungen durchgeführt werden mussten. Dies galt insbesondere für die Astronomie. Noch heute sind die Spuren dieses Zahlensystems unübersehbar: Wir teilen eine Stunde in 60 Minuten und eine Minute in 60 Sekunden auf. Das heißt, die hexagesimale Zahl 234 ist die Anzahl der Sekunden in 2 Stunden, 3 Minuten und 4 Sekunden. Auch die Gradeinteilung bei Winkeln geht auf die Babylonier zurück. Übrigens verwendeten die Maya in Mittelamerika während der Blütezeit ihrer Kultur (bis ca. 900 n. Chr.) ebenfalls ein Stellenwertsystem, und zwar zur Basis 20. Die Maya hatten sogar eine Null, ihr Zeichen dafür war eine kleine Muschel, sicherlich die schönste Null, die es je gab. Die Maya erlebten aber im 10. Jahrhundert einen dramatischen Niedergang, der dazu führte, dass ihre Kultur nicht weitergeführt wurde. Insofern hat die fortgeschrittene Mathematik der Maya keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Zahlensysteme gehabt. 2.2 Abakus und Rechentisch
Wie haben die Römer gerechnet? Dass sie gerechnet haben, steht außer Zweifel. Ohne die Grundrechenarten kann man weder das Kolosseum bauen noch einen Militärapparat aufrechterhalten und schon gar nicht ein kalkulierbares Steuersystem etablieren. Die Römer müssen gerechnet haben! Die römischen Zahlen sind aber fürs Rechnen denkbar ungeeignet. Man kann zwar prinzipiell addieren, aber Multiplizieren ist unvorstellbar. Die römischen Zahlen wurden fast ausschließlich dafür verwendet, Daten zu fixieren. Gerechnet wurde mit dem Abakus. Erfunden wurde der Abakus in China schon etwa 1000 v. Chr. Er ist das älteste Rechenhilfsmittel und hat sich weltweit durchgesetzt: Neben dem «klassischen» römischen Abakus gibt es den chinesischen Suanpan, den japanischen Soroban und die russische Stschoty. Diese wurden teilweise bis weit ins 20. Jahrhundert hinein benutzt. Der Abakus ist ein heimliches Dezimalsystem. Seine Grundfunktionalität besteht darin, eine natürliche Zahl darzustellen. Ein Abakus besteht aus einer Reihe von waagerechten Stäben. Der unterste stellt die Einerziffer und der zweitunterste die Zehnerziffer dar. Dann kommen die Hunderterziffer, die Tausenderziffer und so weiter. Auf den einzelnen Stäben sitzen Perlen oder Steine; mit diesen lässt sich der Wert der jeweiligen Ziffer bestimmen. Jeder Stab ist zweigeteilt. Die Perlen auf der linken Seite zählen 1, die auf der rechten Seite 5; der Wert der Stelle wird von den Perlen bestimmt, die in die Mitte geschoben werden. In der einfachsten Form hat ein Abakus in jeder Reihe links vier Perlen und rechts eine. Damit kann man die Ziffern von 1 bis 9 eindeutig darstellen. Abakus Darstellung der Zahl 1954 Die Addition zweier Zahlen erfolgt so, dass zunächst die erste Zahl auf dem Abakus eingestellt wird und dann die zweite dazukommt. Möchte man zum Beispiel die Summe aus 21 und 13 berechnen, dann stellt man zunächst 21 ein und fügt dann 13 hinzu. Das heißt, man schiebt auf dem untersten Stab noch drei Perlen und auf dem zweituntersten eine Perle von links zur Mitte. Man liest dann unmittelbar das Ergebnis ab, nämlich 34. Schwieriger wird es bei der Aufgabe 21 + 34. Zusätzlich zur 1 müssten auf dem untersten Stab noch vier Perlen zur Mitte geschoben werden – es sind aber nur noch drei vorhanden! Man schiebt daher diese drei Perlen in die Mitte, merkt sich, dass man eigentlich noch eine weitere Perle schieben müsste, und weiß, dass die Perle rechts einen Wert hat, der um eins größer ist als der Gesamtwert der Perlen links. Daher schiebt man die rechte Perle in die Mitte und die linken wieder nach außen. Das klingt nicht nur...


Prof.Dr. Albrecht Beutelspacher ist Mathematiker an der Universität Gießen. 2002 gründete er das Mathematikum, das erste mathematische Mitmachmuseum der Welt.


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