E-Book, Deutsch, 202 Seiten
Reihe: Lenos Babel
Blottière Wie Baptiste starb
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-85787-973-9
Verlag: Lenos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 202 Seiten
Reihe: Lenos Babel
ISBN: 978-3-85787-973-9
Verlag: Lenos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sie waren auf einem Wüstentrip - Baptiste, seine Eltern und seine zwei kleinen Brüder -, als sie von einer Gruppe Dschihadisten entführt wurden. Nach Wochen der Gefangenschaft hat Baptiste als Einziger die Freiheit wiedererlangt. In einer hartnäckigen Befragung versucht ein Ermittler, ihm Einzelheiten aus der Zeit seiner Geiselhaft zu entlocken. Nur widerwillig lässt sich der Junge darauf ein, und es scheint zunächst, als habe er vieles verdrängt. Doch Stück für Stück enthüllt sein Gedächtnis, was ihm während seiner Gefangenschaft widerfuhr. Er ist überzeugt, nicht mehr Baptiste zu sein, sondern den Namen eines Wüstenfuchses zu tragen: Yumai.
Meisterhaft versteht es Alain Blottière, den Leser immer tiefer in die Mäander von Baptistes Erinnerung zu ziehen, bis schließlich eine bittere Wahrheit sichtbar wird. In starkem, geradezu paradoxem Kontrast dazu steht die betörende Schönheit der Wüste, wie sie der Junge auch erlebt hat, ihre Magie, die ihm aller Angst und Gewalt zum Trotz Zuversicht gab.
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–Baptiste, erzähl, wie diese Geschichte begonnen hat. –Ich heisse jetzt Yumai. –Yumai? –Ja sie haben mir diesen Namen gegeben. –Baptiste, diese Geschichte ist jetzt vorbei du willst doch wieder zu uns zurückkommen? Kannst du dich an den Tag erinnern, an dem sie dir diesen Namen gegeben haben Yumai? –Ich glaube, es war am Tag meiner Geburt ich kann mich nicht daran erinnern. –Wie alt bist du, Baptiste? Yumai, wie alt bist du? –Vierzehn. –Du bist also vierzehn Jahre alt und sie haben dir diesen Namen am Tag deiner Geburt gegeben? Wie konnten sie vor vierzehn Jahren wissen, dass du 4000 Kilometer von ihrer Wüste entfernt geboren wurdest? –Sie haben es nicht gewusst ich wurde vor vierzehn Jahren nicht als Yumai geboren. –Das verstehe ich nicht kannst du es mir erklären? –Das ist schwierig nach der Entführung ich weiss nicht, wann wurde ich für sie geboren, ich wurde zu Yumai sie sagten zu mir, dass der Fuchs in einem Märchen Yumai heisst mein Name hat mit dem Fuchs zu tun und mit meinen Haaren sie haben die gleiche Farbe wie der Sand aber sie haben nicht einfach eines Tages zu mir gesagt: Ab heute heisst du Yumai ich war schon Yumai, als ich meinen Namen zum ersten Mal hörte. –Und erinnerst du dich an dieses erste Mal? –Ja. –Willst du es mir nicht erzählen? Haben sie auch deinen Brüdern einen Namen gegeben? –Nein. –Hast du eine Ahnung, warum? Yumai, ich habe dir eine Frage gestellt dreh dich herüber schau mich an ist etwas mit dem Büro hier? –Es stinkt, alles ist scheusslich man erstickt ja –Tut mir leid, wir haben keine Wahl wir können nirgendwo sonst hingehen ich werde das Fenster aufmachen geht es so? Mach die Augen zu ich bin sicher, du kannst fliegen, wohin du willst, wenn du die Augen schliesst. –So ein Blödsinn. –Ich möchte gerne, dass du mir ein bisschen etwas erzählst. –Erzählen es gibt Dinge, die ich erzählen kann aber es gibt auch Lücken da kann ich mich überhaupt nicht erinnern ich erinnere mich zum Beispiel an die magischen Sterne in der Nacht an das Glücksgefühl im Schatten bei Tag die Freude über das Wasser das Wasser, das in den trockenen Mund rinnt hinunterläuft und den Durst löscht, an dem ich stundenlang gelitten hatte. –Du hast zu mir gesagt, du erinnerst dich an das erste Mal, als dich jemand Yumai und nicht mehr Baptiste genannt hat. –Sie haben mich nie Baptiste genannt für sie war ich gar kein Mensch bevor ich Yumai war nicht mal ein Tier nicht mal eine Gazelle nicht mal ein Kamel ich hatte keinen Namen warum möchten Sie wissen wann ich zum ersten Mal verstanden habe, dass sie mir diesen Namen gegeben hatten? –Es ist wichtig, weil an diesem Tag eine Verbindung zwischen euch entstanden ist ich würde gern verstehen, was für eine Verbindung das war nun? –Ich verstehe die Sache mit der Verbindung nicht. –Aber du hast doch Baptiste geheissen, Yumai als dir deine Eltern diesen Namen gaben, haben sie dich in eine Gemeinschaft aufgenommen das ist die Verbindung durch die Taufe ich frage mich also, warum diejenigen, die dich Yumai nannten, eines schönen Tages wollten, dass du weisst, dass sie dich adoptiert hatten. –Sie haben mich gesucht sie haben mich gerufen Yumai! Yumai! ich hörte das Wort, ich wusste noch nicht, dass es mein Name war es hallte in den Bergen wider sie waren zu viert, als sie mich suchten Yumai! Yumai! von allen Seiten hallte es wider, und ich sah sie nicht. –Warum haben sie dich gesucht? –Ich war ausgerissen. –Du warst ausgerissen? Ganz allein? –Ja in der Nacht Tajoud war eingeschlafen, da habe ich die Gelegenheit genutzt alle schliefen unter dem Baum es war, kurz nachdem sie das erste Video aufgenommen hatten ich stellte mir vor, wenn ich immer geradeaus ginge egal in welche Richtung würde ich irgendwann etwas finden eine Sandpiste eine Strasse ein Dorf als es in der Früh hinter den Bergen etwas hell wurde, beschloss ich, in diese Richtung zu gehen nie davon abzuweichen und die Berge zu überqueren ich marschierte stundenlang, es gab keinen Schatten, ich kam fast um vor Durst und dann bekam ich Angst ich hatte nicht zum ersten Mal Angst aber ich war dort ganz allein wirklich allein wie noch nie in meinem Leben keine Bäume nur Sand und Steine ich weiss nicht, wie, ich erinnere mich nicht, ich erreichte die Berge und erwachte neben einem Felsen liegend im Schatten ich dachte mir, ich würde dort sterben und dann hörte ich ihre Stimmen Yumai! Yumai! Usman hat mich gefunden er sprach Englisch mehrere von ihnen sprachen Englisch, er, Amir, Idris, Tajoud, Darling damals hatte ich noch kein einziges Wort Arabisch oder Mandi gelernt ich bat ihn um Wasser, er antwortete nicht er zielte mit seinem AK-47 auf mich es war nicht das erste Mal, aber da dachte ich, es ist aus und dann drehte er das Gewehr nach oben und schoss in die Luft die anderen kamen zuerst Amir er zog mich an den Haaren hoch und sagte zu mir: Das nächste Mal, Yumai, bring ich dich um so habe ich meinen Namen erfahren er gab mir zu trinken er trug mich, als ich nicht mehr gehen konnte er sagte immer wieder den gleichen Satz, next time, Yumai, I’ll kill you, next time, Yumai, I’ll kill you ich glaube, ich bin in seinen Armen eingeschlafen jetzt werden Sie zufrieden sein, ich habe viel erzählt. –Hat er dich bestraft? –Amir? ja er hat mich an ein Motorrad gebunden, in der Sonne, und ich durfte den ganzen nächsten Tag nichts trinken meine Mutter flehte ihn an Amir drohte ihr, sie umzubringen, wenn sie nicht still sei und Tajoud peitschte er aus sein Rücken blutete. –Hast du versucht, noch einmal zu fliehen? –Nein nie mehr. –Weil du Angst hattest, dass er dich umbringt? Yumai, hattest du Angst, dass er dich umbringt? –Ich hatte immer Angst, dass er mich umbringt, auch wenn ich nicht ausgerissen bin. –Aber du hast nicht einmal mehr daran gedacht sie mussten dich nicht mehr anbinden du warst gebunden an sie gebunden durch diesen Namen du hast nicht mehr daran gedacht zu...