Bock | Das Spiel ist aus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Bock Das Spiel ist aus

Fußball und Verbrechen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7307-0682-4
Verlag: Die Werkstatt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Fußball und Verbrechen

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-7307-0682-4
Verlag: Die Werkstatt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



True Crime im Fußball

Warum musste Lutz Eigendorf sterben? Wie wurde aus dem Schalker Willi Kraus ein Bankräuber? Wer entführte Barcelonas Topstürmer Quini? Und was, um alles in der Welt, war das »Mordkommando Bum-kun Cha«?
11 FREUNDE-Redakteur Andreas Bock schreibt über die großen Kriminalfälle der Fußballgeschichte. Wahre Geschichten über Spieler, die auf die schiefe Bahn gerieten oder Opfer von Verbrechen wurden. Eine Reise auf die dunkle Seite des schönen Spiels. Es geht um Mörder, Drogenschmuggler, Betrüger, Krokodile, Zuhälter, Geldfälscher, Hinterzimmerzocker, Nazis, Pornohändler, Folterknechte, Schlägertypen – und Osama bin Laden.

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EINLEITUNG
DER FUSSBALL, DAS VERBRECHEN UND ICH
Im Frühjahr 1990 verlor der Fußball seine Unschuld. Na klar, er hatte vorher schon seine dunklen Seiten gehabt, er war durch Skandale erschüttert worden, er hatte Korruption, Manipulationen und Klüngeleien erlebt, Entführungen, Überfälle, Erpressungen, sogar Mord. Aber all das wusste ich damals noch nicht. Anfang 1990 war ich zwölf Jahre alt, und Fußballer waren für mich Magier. Ich hatte gesehen, wie Maradona übers Spielfeld schwebte und ein Tor mit Gottes Fuß und eines mit Gottes Hand erzielte. Ich saß staunend vor dem Fernseher, als Marco van Basten die Grenzen der Physik überwinden konnte. Und ich hatte mich gewundert, dass Sócrates »Doktor« genannt wurde und seine Elfmeter aus dem Stand schoss. Die meisten Fußballer sahen außerdem blendend aus, sie hatten stabile Oberlippenbärte und feste Waden. Sie sprangen, gut in Form und noch besser geföhnt, in ihre türkisfarbenen Kastencabrios, ohne dabei die Türen zu öffnen, und dann fuhren sie runter nach Mailand oder Rimini, um an einer Eisdiele zwei Kugeln Stracciatella mit Sahne zu bestellen. Auch mein D-Jugendtrainer war so ein Typ. Er spielte zwar nur in der Hamburger Verbandsliga, aber er war immer drauf und dran, zu einem größeren Klub zu wechseln, zu Real Madrid, zu Juventus Turin oder zumindest zur zweiten Mannschaft des FC St. Pauli. Er hieß Christian, aber alle nannten ihn Zippen-Chrischi, denn er rauchte ununterbrochen; selbst wenn er Liegestütze machte oder die Abseitsfalle erklärte, klemmte eine Zigarette hinter seinem Ohr, immer bereit für den nächsten Zug. In meiner Erinnerung sah er auch exakt so aus wie Typen, die Zippen-Chrischi heißen. Seine Frisur kannte ich von Modern-Talking-Plattencovern. Sein Hemd war stets halb geöffnet, er trug keine Goldkette, aber er hätte eine tragen können. Er ging außerdem immer ein bisschen nach vorne gebeugt, als wollte er schon mal schauen, wie die Taktik der Zukunft aussieht. Er war, keine Frage, ein guter Trainer. Er nannte uns »Männer«, und er sagte, dass ich ein guter Libero sei. Aber als ich eines Nachmittags zum Training kam, war Zippen-Chrischi nicht da. Die Kabinen waren abgeschlossen, und der Platzwart sagte, das Training fiele aus. Haste nicht gehört? Zippen-Chrischi hat die Vereinskasse leergeräumt! Die Bullen waren da! Ich weiß nicht, was Zippen-Chrischi damals angetrieben hat, vielleicht wollte er sich ein türkisfarbenes Kastencabrio kaufen und damit nach Mailand fahren, vielleicht hatte er Schulden, steckte tief in der Scheiße, was weiß ich. Etwas in mir brach damals zusammen. Es war das erste Mal, dass die Welt außerhalb meines Kinderzimmers feindlich auf mich wirkte, und der Fußball, der bis dahin so leicht ausgesehen hatte, war auf einmal schwer und düster geworden. Ich sah den Platzwart an, nahm meinen Turnbeutel und ging nach Hause. Ich kam nie wieder. Über 35 Jahre später, Anfang Dezember 2016, stand ich an einem Kiosk in Berlin-Neukölln und kaufte mir den neuesten »Spiegel«. Es war die »Football Leaks«-Ausgabe, vom Cover starrte mich Cristiano Ronaldo an. In einer beeindruckenden Recherche zeigten die Reporter auf, wie die besten und reichsten Fußballer der Welt ihre Millioneneinnahmen am Fiskus vorbeischleusten. Es ging um geheime Hinterzimmerdeals und Off-Shore-Firmen in der Karibik, und die Story zeigte, wie gierig und skrupellos der moderne Fußball geworden war. Der passende Untertitel lautete: »Die schmutzigen Geschäfte der Fußball-Superstars«. Ich blickte in die Augen von CR7, Schwarzgeld-Crischi, und dann dachte ich: Hatte wirklich jemand etwas anderes erwartet? Ich glaube, es ging vielen so wie mir. Die Reportage, so gut sie war, stieß jedenfalls auf ein eher verhaltenes Echo, am Kiosk verkaufte sich die Ausgabe schlechter als andere. Offenbar hatten wir uns schon zu sehr an die Verkommenheit des Fußballs gewöhnt. Wir waren durch nichts mehr zu schocken. Seitdem sind wieder sieben Jahre vergangen. Und es scheint noch schlimmer geworden zu sein, der heutige Fußball wirkt in einigen Ecken schmutziger als je zuvor. Alle paar Tage poppt ein neuer Skandal auf. Funktionäre, die für viel Geld Turniere und ihre Seelen verschachern. Vereine, die sich von Sonnenkönigen und Schurken lenken lassen. Spieler mit Gottkomplex, die ihre Macht missbrauchen. Einige Fans stehen noch dagegen auf, sie protestieren Woche für Woche mit einer bemerkenswerten Ausdauer. Trotzdem macht sich in vielen Stadien, man kann es nicht anders sagen, eine gewisse Ohnmacht, Lethargie und auch Resignation breit. Es wirkt bei einigen so, als sei eh alles zu spät, der Zug mit der Moral schon vor Jahren abgefahren. Und wenn das so ist, kann man die Kohle ja auch mitnehmen. Der moderne Fußball hat den modernen Fußballfan mürbe gemacht. 2021 stieg der Staatsfond von Saudi-Arabien als neuer Eigentümer bei Newcastle United ein. Der Deal war ein neuer Sündenfall im Fußball, denn er verschob die rote Linie nicht, er wischte sie einfach weg. 2018 wurde der saudische Journalist Jamal Kashoggi ermordet, mutmaßlich im Auftrag des Kronprinzen Mohammed bin Salman. In dem Land steht außerdem Homosexualität unter Strafe, eine freie Presse gibt es nicht, einige Frauenrechtlerinnen sitzen für 40 Jahre im Gefängnis. Wie also passt dieser Eigentümer zu einem britischen Traditionsklub aus einer nordenglischen Arbeiterstadt? Wie kann ein Land wie Saudi-Arabien in einem Sport mitmischen, der sich immer wieder Anti-Rassismus und Anti-Homophobie auf die Fahnen schreibt? Ich war ein Jahr nach der Übernahme in Newcastle, um mit den Fans darüber zu sprechen. Aber vor Ort merkte ich schnell, dass die wenigsten Anhänger Interesse an dem Thema hatten. Bei ihnen herrschte große Freude über den neuen Eigentümer vor. Kritik konterten sie mit dem Fingerzeig auf andere. Schau mal zu Manchester City oder PSG, die bekommen doch auch Geld aus einem autokratischen Staat! Schau dir, verdammt noch mal, die britische Regierung an, die seit Jahren Waffen nach Saudi-Arabien liefert! Schau dir die korrupte WM-Vergaben an! Schau dir all die Superstars an, die ihre Steuern hinterziehen! Schau dir die Manipulationen im Fußball an! Überall Verbrecher, überall Verbrechen! Und jetzt sagst du uns, dass Newcastle United das ultimative Böse ist? Fuck you! Man könnte entgegnen, stimmt alles, macht es die Sache aber irgendwie besser? Man könnte auch sagen, geht auf die Straße, boykottiert die Spiele, schafft doch wenigstens ein Bewusstsein für diese fragwürdige Allianz. Aber ein bisschen verstehe ich diese Fans mit ihrem Whataboutism sogar, denn wenn sich niemand an die Regeln hält, warum sollten sie es dann tun? Als Karim Benzema Ende 2022 den Ballon d’or gewann, schrieben zahlreiche Medien, dass 2007 zuletzt ein nicht vorbestrafter Spieler Weltfußballer geworden war. Benzema, zur Erinnerung, wurde wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung seines Nationalmannschaftskollegen Mathieu Valbuena verurteilt. Ein Jahr Haft auf Bewährung gab es. In den 15 Jahren zuvor holten sich im Wechsel Ronaldo und Messi die Trophäe, zwischendrin gewann einmal Luka Modric. Alle drei haben sich illegal Geld in die Taschen gesteckt, aber ich will Sie nicht mit Details langweilen. Der eine stand außerdem wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs vor Gericht. Mehr dazu später im Buch. Jedenfalls, ich kam kurz ins Grübeln, als ich die Meldungen in der Presse las: War 2007 wirklich das letzte Jahr, in dem ein echter Sportsmann ohne Vorstrafenregister den Ballon d’Or gewinnen konnte? Nun, der Sieger hieß damals Kaká, und der Vollständigkeit halber sollte man erwähnen, dass die Justiz später auch gegen ihn ermittelte. 2008 wurde bekannt, dass er mehrere Millionen Euro an die damals inhaftierten Führer der evangelikalen Kirche »Igreja Renascer em Cristo« überwiesen hatte. Gehen wir also noch weiter zurück, vor Kaká waren Fabio Cannavaro und Ronaldinho Weltfußballer. Ersterer wurde einst des Dopings verdächtigt, aber freigesprochen. Ein anderes Mal ermittelten die Behörden wegen Steuerhinterziehung. Im Zuge dessen beschlagnahmten sie seine Villa, in die er kurz darauf einbrach. Er wurde zu zehn Monaten Haft verurteilt. Ronaldinho wiederum wurde 2020 mit einem gefälschten Pass bei der Einreise nach Paraguay verhaftet und saß einen Monat in Untersuchungshaft. Der Pass war ihm übrigens in seiner Heimat Brasilien entzogen worden, weil er Strafzahlungen in Höhe von 2,2 Millionen Euro nicht geleistet hatte. Er hatte mit seinem Bruder bei der Bebauung eines Grundstücks in Porto Alegre massive Umweltschäden verursacht. Ich könnte ewig so weitermachen. Machen Sie sich selbst mal die Mühe und googeln Sie einen beliebigen Topfußballer und ergänzen den Suchbegriff »Gefängnis« oder »Strafe«. Fast jeder saß zumindest schon mal auf einer Anklagebank. (Außer Philipp Lahm.) Was ist nur los? Macht der heutige Fußball die Welt gar nicht zu einem...



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